photo of dining table and chairs inside room
Foto von Nastuh Abootalebi

KONSEQUENZEN

Grundsätzlich gilt, dass im Internet und bei der Nutzung von sozialen Netzwerken die gleichen Spielregeln wie außerhalb der virtuellen Welt des Web 2.0 gelten (s. umfassend zum Thema: Bissels/Domke, AuA 2/13, S. 82 ff.). Arbeitnehmer haben eine Loyalitäts- und Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Sie dürfen ihn, die Arbeitskollegen und die Vorgesetzten nicht beleidigen oder verleumden. Die auch im Arbeitsverhältnis bestehende Meinungsfreiheit endet zumindest bei der Verwirklichung von Straftatbeständen. Je nach Schwere der Pflichtverletzung kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein (BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, NZA 2010, S. 698; v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, S. 1797 f.). 

Dass das Web 2.0 inzwischen in der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit angekommen ist, zeigt sich an den weiteren Entscheidungen, die sich mit der arbeitsrechtlichen „Sanktionierung“ von Einträgen in sozialen Netzwerken befassen. Bislang sind diese z. T. zugunsten der Arbeitnehmer ausgefallen. Daraus sollte man jedoch nicht vorschnell schließen, dass der Arbeitgeber entsprechende Pflichtverletzungen hinnehmen muss. Es handelt sich um Einzelfälle mit besonderen Begleitumständen, die nicht zu verallgemeinern sind.

PROBLEMPUNKT

Die Arbeitgeberin kündigte der, seit 25 Jahren bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerin im Dezember 2011 aufgrund ihrer Aktivitäten in sozialen Netzwerken im Internet fristlos. Hintergrund waren diverse Postings des Ehemannes der Mitarbeiterin bei Facebook. Dieser hatte auf seiner Pinnwand folgende Einträge eingestellt: „Hab gerade mein Sparkassen-Schwein auf R.-T. getauft … Naja, irgendwann stehen alle Schweine vor einem Metzger“. R. und T. sind die Vornamen der Vorstände der Arbeitgeberin. Des Weiteren hatte er eine piktographische Fischdarstellung veröffentlicht, bei der das Mittelstück des Fisches durch das Sparkassensymbol dargestellt war. Neben dem Piktogramm fand sich die Anmerkung: „Unser Fisch stinkt vom Kopf“. Der Facebook-Account des Ehemanns war für 155 „Freunde“ einsehbar, zu denen auch zahlreiche Beschäftigte und Kunden der Arbeitgeberin gehörten. Unter dem Fischpiktogramm befand sich mit dem Kommentar „Gefällt mir“ der Name der Arbeitnehmerin.

PRAXISTIPP

Selbst wenn das ArbG Dessau-Roßlau in der vorliegenden Entscheidung die Kündigung als unwirksam qualifizierte, ist die Aussage deutlich: Die Beleidigung des Arbeitgebers in sozialen Netzwerken oder die Beteiligung daran stellt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Arbeitnehmer sollten sich vor diesem Hintergrund hüten, leichtfertig ein solches Posting selbst zu verfassen, sich dieses zueigen zu machen oder Zustimmung zu signalisieren, indem sie den „Gefällt-mir“-Button betätigen. Arbeitgeber müssen entsprechende Pflichtverletzungen nicht hinnehmen. Allerdings ist vor unüberlegten Schnellschüssen, wie einer vorschnellen außerordentlichen Kündigung, abzuraten. Vielmehr sollten Arbeitgeber erst die Fakten ermitteln und diese bewerten. Dazu gehört auch, festzustellen,

› wo sich der Betreffende geäußert hat (eigene oder fremde Pinnwand/Chronik)

und

› welchem Kreis dies zugänglich war (Posting in offener/geheimer Facebook-Gruppe,
  der Öffentlichkeit nicht zugängliche Nachricht).

Davon dürfte insbesondere abhängen, ob sich der Betroffene auf die Rechtsprechung des BAG zur Vertraulichkeit der Kommunikation (Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, a. a. O.) berufen kann. Dann wäre eine Kündigung nämlich nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen: Der Arbeitnehmer darf in diesem Fall darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen werden. Denn diese sollen dann dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfallen, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 Satz 1 GG. Allerdings lassen sich diese Grundsätze angesichts der besonderen Gefahren, die von sozialen  Netzwerken aufgrund der Verbreitungsgeschwindigkeit, einem unbeschränkten Empfängerkreis und der Tatsache, dass das Internet nie vergisst, ausgehen, nur im Ausnahmefall übertragen – wenn überhaupt.

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 3/2013


Fotocredit:
W. R. Wagner (1) / www.pixelio.de
Benjamin Thorn (2) / www.pixelio.de

ENTSCHEIDUNG

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die fristlose Kündigung hatte das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Es lag keine Tatkündigung vor. Die Arbeitgeberin konnte nicht beweisen, dass die Arbeitnehmerin selbst den Button aktiviert hatte. Auch eine Verdachtskündigung lehnte das Gericht ab. Der dringende Tatverdacht war nicht zu begründen: Soweit sich der Vorwurf gegen die Postings auf dem Facebook-Profil des Ehemanns bezieht, trägt die Klägerin grundsätzlich keine Verantwortung für diese Einträge. Wenn ihr die Beklagte das Anklicken des „Gefällt mir“- Buttons vorwirft, hat sie diese bestrittene Behauptung nicht unter Beweis gestellt, obwohl sie für das Vorliegen eines Kündigungsgrunds die Beweislast trifft. Auf bloße Vermutungen gestützte Verdächtigungen können keine Kündigung begründen. Unabhängig davon ist auch zweifelhaft, ob die einmalige Pflichtverletzung durch Betätigung des „Gefällt-mir“-Buttons geeignet ist, eine fristlose Kündigung eines seit 25 Jahren unbeanstandet bestehenden Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Für eine negative Prognose weiterer Pflichtverletzungen sind keine Anhaltspunkte vorhanden. Vielmehr hatte die Arbeitnehmerin sofort dafür gesorgt, dass ihr Ehemann die Postings löscht. Außerdem hatte sie in ihrer Stellungnahme ausdrücklich versichert, zukünftig Einträge in dieser oder in vergleichbarer Form zu unterlassen. Das Betätigen des „Gefällt-mir“-Buttons – wenn es der Klägerin nachzuweisen gewesen wäre – hätte damit allenfalls eine Abmahnung gerechtfertigt.