Bei zahlreichen Unternehmen bilden die sogenannten Wirtschaftsgeheimnisse einen wesentlichen Teil des Betriebskapitals. Daher sind sie wesentlich daran interessiert, solche Interna geheim zu halten, um ihren Know-how- und Informationsvorsprung gegenüber Wettbewerbern zu halten. Dafür sichern sie ihn regelmäßig durch sogenannte Verschwiegenheitserklärungen ab, welche Mitarbeiter unterschreiben sollen. Seit knapp einem Jahr regelt nun ein Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG), ob und wann der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Abschluss von Verschwiegenheitserklärungen mit seinen Mitarbeitern beteiligen muss (BAG vom 10.03.2009 – 1 ABR 87/07).

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Foto von Jesus Kiteque

Grundlage der Entscheidung war folgender Sachverhalt: Ein Arbeitgeber, der mit sämtlichen Mitarbeitern seines Hauses eine Verschwiegenheitserklärung bereits im Arbeitsvertrag vereinbart hatte, verhandelte im Jahr 2006 mit Drittfirmen über mögliche Umstrukturierungen. Im Zuge dessen schloss er mit denjenigen Mitarbeitern, die an diesen Verhandlungen teilnahmen, jeweils zusätzlich zur arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitserklärung eine gleichermaßen vorformulierte “Verschwiegenheitsvereinbarung und Geheimhaltungsverpflichtung” ab, die den Einzelnen auf bestimmte konkrete Geschäftsgeheimnisse hinwies. Nachdem der Betriebsrat davon erfahren hatte, ließ er gerichtlich prüfen, inwiefern er beim Abschluss derartiger Verschwiegenheitserklärungen ein Mitbestimmungsrecht hat. Er meinte nämlich, dass er generell in solchen Fällen mitzubestimmen habe, unabhängig vom Inhalt einer Verschwiegenheitserklärung. Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht entschieden aber zugunsten des Arbeitgebers.

BAG-Argumentation

Das BAG urteilte ebenfalls zugunsten des Arbeitgebers und entschied, dass dem Betriebsrat in diesem Fall kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat bei Ordnungsfragen des Betriebs und dem Mitarbeiterverhalten im Betrieb mitzubestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind solche Arbeitgebermaßnahmen mitbestimmungspflichtig, die das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken (“Ordnungsverhalten”) der Mitarbeiter betreffen. Maßnahmen aber, die das “Arbeitsverhalten” der Mitarbeiter regeln, sind hingegen mitbestimmungsfrei. Um Fälle des sogenannten “Arbeitsverhaltens” handelt es sich, wenn der Arbeitgeber entsprechend seinem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise dies geschehen soll. Mitbestimmungsfrei sind deshalb Anordnungen des Arbeitgebers, mit denen lediglich die Arbeitspflicht des Mitarbeiters konkretisiert wird. Das BAG ist der Meinung, dass die Frage, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Vereinbarung einer Verschwiegenheitserklärung zusteht, davon abhängt, ob die Verschwiegenheitserklärung inhaltlich eine Konkretisierung der Arbeitspflicht oder eine betriebseinheitliche Ordnungsregel darstellt. Im vorliegenden Fall sah das BAG dabei ein Mitbestimmungsrecht als nicht gegeben an. Es stellte darauf ab, dass die Abrede, über betriebsinterne Informationen Stillschweigen zu bewahren, eine Konkretisierung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme ist; diese betrifft nicht das Ordnungs-, sondern das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter. Das BAG entschied ferner, dass dann kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben ist, wenn eine Schweigepflicht schon aufgrund gesetzlicher Regelungen besteht. Als Beispielsfall nennt das BAG hier die Regelung in § 17 Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer als Arbeitnehmer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses anvertraut wurde oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Arbeitsverhältnisses unbefugt jemanden zum Beispiel mitteilt, um dem Arbeitgeber Schaden zuzufügen.

Konsequenzen für die Praxis

Will ein Arbeitgeber standardisierte Verschwiegenheitserklärungen mit seinem Mitarbeiter abschließen, muss er vorab genau prüfen, welchen Bereich diese Verschwiegenheitserklärung betrifft: Betrifft sie das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken, also das Ordnungsverhalten, so ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten. Für einen solchen Fall gibt das BAG Arbeitgebern auch einen Beispielsfall an die Hand: Das Ordnungsverhalten ist bei einer Verschwiegenheitserklärung dann betroffen, wenn die Mitarbeiter sich verpflichten sollen, zum Beispiel untereinander nicht über die Durchführung von Kontrollen an einem Werkstor zu sprechen. Betrifft die seitens des Arbeitgebers angedachte Verschwiegenheitserklärung allerdings das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter, so ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht zu beachten. Das Arbeitsverhalten ist stets bei Vereinbarungen betroffen, die regeln, dass über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren ist. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Verschwiegenheitserklärungen muss ebenfalls dann nicht beachtet werden, wenn eine Schweigepflicht schon aufgrund einer gesetzlichen Regelung besteht.