„Bei der Auswahl einer HR-Software konzentrieren sich Unternehmen auf funktionale, technische und unternehmensspezifische Kriterien“, erklärt Florian Brence, Manager bei Deloitte Österreich. Aus funktionaler Sicht werde beurteilt, inwieweit fachliche Anforderungen aus den verschiedenen HR-Prozessen in der Software umgesetzt werden könnten. Bei technischen Kriterien stünden die Themen Datenschutz sowie Integration mit anderen Systemen im Vordergrund. Unternehmensspezifische Kriterien wiederum seien entsprechende Referenzen der Softwareanbieter oder Supportmöglichkeiten nach einer Implementierung. Zudem hätten die Usability des Systems sowie der mobile Einsatz deutlich an Bedeutung gewonnen, so Brence weiter.

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Foto von Austin Distel

„Uns war die Nutzerfreundlichkeit besonders wichtig“, bestätigt Peter Bender, Personalleiter bei Schwäbisch Media, einem Verlagshaus mit rund 1.200 festangestellten und 2.000 freien Mitarbeitern in den Bereichen TV, Radio und Tageszeitung mit Sitz in Ravensburg. „Wir haben sehr viele junge medienaffine Mitarbeiter, die im Privatleben mit sehr intuitiven und nutzerfreundlichen Systemen umgehen. Wir wollten, dass der Umgang mit unserer HR-Software ähnlich intuitiv funktioniert.“ Die Mitarbeiter sollten von jedem Ort und jedem Gerät aus auf wichtige Personalprozesse zugreifen können. Gewünscht wurde zudem ein System, das alle wichtigen Funktionsbereiche abdeckt, die bis dahin mit mehreren verschiedenen Tools – etwa für Recruiting, Zeiterfassung oder Abrechnung – bearbeitet worden waren, berichtet Bender.

Ausschlaggebend bei der Einführung einer neuen Recruitingsoftware im internationalen Möbelhandelsunternehmen XXXLutz mit seinen 20.000 Mitarbeitern sei neben einem detaillierten Katalog an Muss- und Kann-Kriterien genauso ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis gewesen, so Jürgen Krenn, Leiter Personalverwaltung Österreich. „Das zweite wichtige Kriterium sind Referenzkunden, vor allem in einem ähnlichen Segment und einer ähnlichen Größenordnung.“ Denn manche Softwaresysteme machten zwar zunächst einen guten Eindruck, seien bei genauerem Hinschauen aber ab einer gewissen Unternehmensgröße nicht geeignet. Internationalität und Sprachversionen seien bei der Auswahl ebenso wichtig gewesen wie eine unkomplizierte Wartung des Systems. Man habe auch darauf geschaut, wie lange ein System schon am Markt sei und welche Weiterentwicklungen es gegeben habe, fasst Krenn weitere Aspekte zusammen.

„Was ich empfehlen kann, ist, so eine Systemeinführung zu nutzen, um die eigenen tradierten Muster und Prozesse zu überdenken und die Dinge einfacher zu machen“, so Bender weiter. Unternehmen sollten nicht versuchen, den letzten Fall, der vielleicht einmal in zwei Jahren vorkommt, auch im System abzubilden, sondern zunächst die Standards abbilden, die 99 Prozent der Fälle ausmachten. Um den Rest könne man sich auch in anderer Weise kümmern.

Das sieht auch IT-Berater Florian Brence so: „Hat man früher nach Lösungen gesucht, die sich möglichst flexibel an die Unternehmensprozesse anpassen, steht heutzutage eine Standardisierung nach Best-Practice-Prozessen im Vordergrund. Prozesse werden also an die Vorgaben der Software angepasst.“ Das führe seiner Erfahrung nach meistens zu Vereinfachungen und besserer Vergleichbarkeit.

Auch Cornelius Christ sieht Optimierungsbedarf bei den Prozessen: „Teilweise scheitern Software-Einführungen daran, dass HR-Abteilungen in alten Mustern und Prozessen festhängen. Diese werden in das neue Tool übernommen, ohne dass man sich Gedanken macht, wie die Prozesse vereinfacht werden können oder ob man sie in dieser komplizierten Form überhaupt noch benötigt. Hier fragen Unternehmen häufig Beratungen an, um dies zu verstehen und einen Weg festzulegen, wie die Einführung bestmöglich gelingt.“ Der Erfolg hänge wesentlich von der Unternehmenskultur und Veränderungsbereitschaft ab. „Denn man schneidet bei der Standardisierung ja nicht nur Funktionalitäten ab, sondern auch Gewohnheiten“, so der IT-Berater.

„Es kann nicht sein, dass sich ein Unternehmen zu 100 Prozent an eine Software anpassen muss, denn das würde die Unternehmenskultur zerstören und irgendwann wären alle Unternehmen gleich“, hält Jürgen Krenn dagegen. Wenn sich andererseits ein Prozess so kompliziert etabliert habe, weil es keine anderen Möglichkeiten gab, und er sich durch eine neue Software vereinfachen lasse, dann sollten Unternehmen diese Chance auch nutzen. „Das haben wir zum Beispiel im Recruiting auch gemacht: Dank der neuen Recruitinglösung werden Mehrfacheinladungen und -absagen für einen Bewerber durch verschiedene Abteilungen nun vermieden. Bei 50 oder 60 Abteilungen und mehr als 1.000 Mitarbeitern hier in Wels war das früher nur schwer zu überschauen, jetzt ist es aber möglich“, nennt Krenn ein konkretes Beispiel.

„Zudem haben wir im ersten Schritt alles aus der Software herausgenommen, was man am Anfang nicht braucht, und auch jedes Zusatzmenü ausgeblendet, damit man sich wirklich auf die Kernprozesse konzentrieren kann“, so Krenn. Zusätzliche Funktionalitäten könne man später, wenn die Nutzer mit der Software erfahrener seien, immer noch einblenden. Ihm sei es wichtig, dass eine Software dies ermögliche. Das Feedback zum Recruitingmodul unter den Mitarbeitern sei sehr gut, resümiert Krenn.

Hauptsächlicher Entscheidungsträger bei einem Softwareauswahl-Projekt sei heute die HR-Abteilung, erklärt Florian Brence. Die IT-Abteilung müsse die technischen Kriterien beurteilen und gegebenenfalls ein Veto einlegen, falls eine Softwarelösung nicht den IT-Standards entspricht. „Weitere Player sind der Einkauf für Preis- und Vertragsverhandlungen, die Finanzabteilung für die Budgetkontrolle und ausgewählte Führungskräfte zur Erfassung der Anforderungen.“

„Viele Unternehmen schauen sich je nach Themengebiet unterschiedliche Tools auf dem Markt an. Einige fragen auch Unternehmensberater, wie sie sich dem Thema nähern sollten, gerade auch im Zusammenhang mit anderen Herausforderungen und strategischen Stoßrichtungen im Unternehmen“, ist die Erfahrung von Cornelius Christ.

Bei XXXLutz lief die Auswahl einer neuen HR-Software folgendermaßen ab: „Aus den Fachabteilungen wurde der dringende Bedarf einer Lösung für das Recruiting geäußert und man hat sich die grundsätzliche Freigabe von der Geschäftsleitung geholt. Die Fachabteilungen aus mehreren Ländern und Bereichen erstellten daraufhin das Pflichtenheft mit den Muss- und Kann-Kriterien“, berichtet Jürgen Krenn, der zuvor schon andere Implementierungen von HR-Software begleitet hatte. Durch eigene Recherchen und das Hinzuziehen eines HR-Consultants sei eine Vorauswahl der Top 5 am Markt entstanden und erste Angebote wurden eingeholt.

„Einige Anbieter haben wir für einen Tag ins Haus geholt und in Workshops die wesentlichen Punkte des Pflichtenhefts abgeglichen. Mit drei Anbietern sind wir in die Tiefe gegangen und haben Workshops gemeinsam mit Key Usern abgehalten, um zu sehen, was die Software inhaltlich kann und wo mögliche Knackpunkte sind. Unter den letzten zwei Favoriten entschied dann die Summe aller Bewertungskriterien – inhaltlich, technisch, kaufmännisch – zugunsten des elektronischen Bewerbermanagements von Infoniqa“, so Krenn. „Wir haben auch einen Besuch bei einem Referenzunternehmen gemacht und uns mit den Ansprechpartnern dort über die Leistungsfähigkeit des Systems ausgetauscht.“ Zusätzlich habe als „Zünglein an der Waage“ auch die geografische Nähe des Softwareanbieters einen Ausschlag gegeben, so Krenn. Die Einführungsphase habe dann etwa fünf Monate gedauert.

„Als Mittelständler sind wir vielleicht ein bisschen hemdsärmeliger herangegangen als andere Unternehmen“, erzählt Peter Bender. „Wir haben natürlich zunächst überlegt, welche Anforderungen wir an so ein System haben und was es besser können muss als die bisherigen Lösungen. Dann haben wir einen Anforderungskatalog erstellt, uns einige Systeme angeschaut und abgehakt, wie gut ein System unsere Anforderungen erfüllt.“ Recherchiert habe man unter anderem im Internet und auf Fachmessen, wichtig sei zudem der Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus anderen Unternehmen gewesen, so Bender.

Nachdem das Medienhaus einige Anbieter zu Präsentationen eingeladen hatte, sei man der Entscheidung schnell näher gekommen. Die IT-Abteilung prüfte, ob die vorgestellten Systeme in die vorhandene IT-Landschaft passten und es eine funktionierende Schnittstelle zur Buchhaltungssoftware gab. Daneben waren auch einige Mitarbeiter eingebunden, um von ihnen, den späteren Nutzern, die von dem System vor allem profitieren sollten, auch ein Feedback zu bekommen. Zum Schluss wurde dann die Geschäftsführung involviert: „Die Entscheidung für die Cloud-Lösung von Workday ist innerhalb eines Dreivierteljahres gefallen, und dann haben wir unsere Holding davon überzeugt, dass der spätere Nutzwert den höheren Preis der neuen Software rechtfertigt.“

Für das Verlagshaus war im Entscheidungsprozess auch wichtig, wie zukunftsfähig das System sei und wie schnell es neue technologische Sprünge berücksichtigen könne, besonders im Hinblick auf Digitalisierung und Automatisierung, so Bender weiter. „Bei dem jetzigen Anbieter habe ich den Eindruck, dass das System sehr zukunftsfähig ist. Es hat auch den Vorteil, dass es ein sehr junges System ist, das schon in Cloud-Architektur entwickelt wurde.“ Die traditionellen Systeme hätten seiner Ansicht nach häufig das Problem, dass es sie seit 20 oder 25 Jahren gebe und sie zwar immer wieder angepasst worden seien, aber man könne „aus einer Diesel- nicht mal eben eine E-Lok machen“.

Probleme bei der Einführung einer neuen Software können an ganz verschiedenen Punkten auftreten. „Das Tool selbst ist selten der Grund, warum eine Einführung nicht funktioniert. Am häufigsten liegt es am Change-Management-Prozess, um die HR-Mitarbeiter an die Veränderung zu gewöhnen“, ist die Erfahrung von KPMG-Experte Cornelius Christ. Die Transformation von alten in neue Gewohnheiten müsse sorgsam vorbereitet und die Mitarbeiter, die später mit der Lösung arbeiten sollten, sollten entsprechend trainiert werden. „Die späteren Nutzer müssen so früh wie möglich mit ins Boot geholt werden. Es bietet sich an, sie zu Trainings zu schicken, ihnen Prototypen zu zeigen und laufend ihr Feedback einzuholen. Sie sollten die Möglichkeit haben, das Tool spielerisch zu erkunden.“

„Der Hauptgrund für Probleme bei der Einführung ist meist ein Mangel an Ressourcen“, meint Florian Brence. Die Kapazitäten der HR- und IT-Mitarbeiter seien begrenzt, schließlich seien sie weiterhin vorrangig im Tagesgeschäft gefangen. Eine vorsichtige Planung sei daher seiner Erfahrung nach unerlässlich. Mangelnde Change-Management- und Kommunikationsmaßnahmen zeigten sich später an geringeren Nutzungsraten und vielen Support-Anfragen.

„Natürlich müssen die Betroffenen beteiligt werden, wir haben dafür zum Beispiel viele Trainings gemacht“, berichtet Peter Bender. „Aber auch wenn Workday ein einfach zu bedienendes System ist, gibt es dennoch Mitarbeiter, die manchmal ein bisschen überfordert sind, einfach, weil sie das Gewohnte verlassen müssen.“ Innerhalb der HR-Abteilung habe das Unternehmen deswegen eine Hotline geschaffen, in der zwei Mitarbeiter Unterstützung anbieten. Der weitaus größte Teil der Anwender komme jedoch sehr gut mit dem System zurecht, sei begeistert etwa von der sehr einfachen Reisekostenabrechnung. „Das hat sehr stark zur Akzeptanz beigetragen.“

Was treibt die Unternehmen an, eine neue HR-Software einzuführen? Laut Cornelius Christ, Senior Manager im Bereich IT Advisory bei KPMG in Österreich, ist die Digitalisierung der stärkste Treiber. „Die Unternehmen stellen fest, dass sie ohne entsprechend aufbereitete Daten unzureichende Aussagen zu ihren Personalthemen treffen können. Sie sind oftmals nicht in der Lage, Antworten auf die Fragen der Zukunft aus ihren Systemen einfach abzulesen, nämlich zum Beispiel: Wann brauche ich welche Ressourcen und wie kann ich sie vorausschauend planen?“, so Christ. Häufig merkten Unternehmen, dass sie dafür weder die richtige Technologie noch die entsprechenden Prozesse hätten. Unternehmen suchten immer mehr nach Lösungen, die ihnen konsolidierte und vor allem richtige Informationen zu jeder Zeit liefern können.

Welche Learnings haben die vier Experten aus den verschiedenen HR-Software-Projekten mitgenommen, die sie bisher betreut oder begleitet haben? „Eine Frage, die viel häufiger seitens der Unternehmen gestellt werden müsste, ist: ‚Wie viel Change bedeutet es eigentlich, die Software einzusetzen?’“, meint Cornelius Christ, Senior Manager im Bereich IT Advisory bei KPMG in Österreich. Auch die Frage nach länderspezifischen Anpassungen sei wichtig, wie zum Beispiel das Thema Karenzierung in Österreich zeigt. „Es ist schön, wenn ein Tool einen Standard hat, aber es muss in der Lage sein, die lokalen, gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.“ Oft würden solche Fragen erst gestellt, wenn das Tool bereits gekauft wurde.

„Viele Softwareanbieter bieten ein Paket aus Modulen an, die von verschiedenen Anbietern zusammengekauft wurden“, erklärt Florian Brence, Manager bei Deloitte Österreich. Die Nutzer bekämen davon nicht viel mit, da sich das auf der Benutzeroberfläche kaum mehr zeige. Im Hintergrund gebe es aber komplexe Zusammenhänge, die eine Implementierung oder das Reporting im laufenden Betrieb erschwerten. „Ziel muss es sein, dass Softwareanbieter modulübergreifende Prozesse präsentieren und so viel realistischer die tägliche Arbeit mit dem System aufzeigen“, so Brence weiter.

Erfahrungsaustausch und Netzwerken mit anderen Nutzern sei wichtig, meint Peter Bender, Personalleiter bei Schwäbisch Media. Bei Workday gebe es zum Beispiel eine Community, die man nutzen könne, und eine DACH-User-Group. „Es ist sehr hilfreich, einfach mal zu schauen, wie es andere machen. Man muss ja nicht jede Erfahrung neu machen. Das war für uns sehr wertvoll und auch andere Anbieter nennen natürlich Referenzen.“ Ganz aufschlussreich sei es vielleicht einmal, potenzielle Anbieter zu fragen, welche Kunden ihr System in den letzten Jahren verlassen hätten und aus welchen Gründen, schlägt Peter Bender vor.

„Ein Thema, das wir früher vernachlässigt haben, aber mittlerweile immer ansprechen, ist Performance: Wie schnell ist die Software, wenn 2.000 User gleichzeitig zugreifen?“, erklärt Jürgen Krenn, Leiter Personalverwaltung Österreich bei XXXLutz. Bei einer gewissen Unternehmensgröße seien zudem die Themen Benutzerverwaltung und Berechtigungsstruktur zentral. „Hier sagen Softwareanbieter oft, man könne alles abbilden, aber wenn man ins Detail geht, sind oft eine Reihe von Workarounds nötig, um alles so einzurichten, wie man es braucht“, so Krenn. Da habe man in der Vergangenheit schon Probleme mit einem früheren Anbieter gehabt und aus dieser Erfahrung gelernt. Krenn macht Personalern jedoch Mut: „Nie den Humor verlieren, auch wenn es manchmal schwierig ist. Man schafft ja doch etwas Schönes, wenn es dann fertig ist!“