Problempunkt

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Foto von Nastuh Abootalebi

Die Beklagte plante, einen Personalabbau auf freiwilliger Basis umzusetzen. Danach konnten Arbeitnehmer der Jahrgänge 1952 und jünger, die bis zum 30.6.2007 freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden, eine Abfindung erhalten, die sich nach Betriebszughörigkeit und Bruttomonatsgehalt richtete. Die Beklagte behielt sich allerdings vor, Angebote abzulehnen. Als der 1949 geborene Kläger sie bat, ihm ebenfalls ein dem Abfindungsmodell entsprechendes Angebot zu unterbreiten, weigerte sie sich. Stattdessen erklärte sie sich bereit, ihm eine Abfindung zu zahlen, die sich an den betriebsinternen Altersteilzeitregelungen orientierte.

Mit der Klage begehrte der Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu den Konditionen des Abfindungsmodells. Der Ausschluss der älteren Arbeitnehmer verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Dies sahen sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG anders und wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG bestätigte nun die Entscheidungen.Die Regelung diskriminiert den Kläger weder aufgrund seines Alters gemäß § 3 Abs. 1 AGG noch ergibt sich der geltend gemachte Anspruch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Prinzipiell fallen auch die Konditionen von Aufhebungsverträgen in den Anwendungsbereich des AGG. Ein Arbeitnehmer wird aber nur aufgrund seines Alters benachteiligt, wenn er einen „eindeutigen Nachteil“ im Sinne einer negativen Auswirkung und Zurücksetzung gegenüber jüngeren Arbeitnehmern erfährt. Ob ein solcher vorliegt, ist nach dem Zweck des Verbots der Altersdiskriminierung zu beurteilen. Dieser besteht darin, dass ein möglichst hoher Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich einer Beschäftigung nachgeht. Da ältere Menschen jedoch schlechter in die Arbeitswelt integriert sind, soll die Pönalisierung der Benachteiligung aufgrund des Alters ihnen den weiteren Verbleib im Arbeitsverhältnis ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund verneinte das BAG einen „eindeutigen Nachteil“ für den Kläger. Er kann ja gerade weiter am Erwerbsleben teilnehmen. Die Möglichkeit, dass das Ausscheiden wirtschaftlich attraktiver ist und Ältere deshalb daran teilnehmen wollen, schützt das AGG dagegen nicht.

Zudem ist es hier nach § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, ältere Arbeitnehmer vom Personalabbau auszunehmen. Es stellt ein legitimes beschäftigungspolitisches Ziel dar, sie weiter im Erwerbsleben zu halten. Das Mittel ist auch verhältnismäßig. Dem Kläger steht nach Ansicht des BAG darü- ber hinaus kein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Die Arbeitgeberin hatte sich ausdrücklich vorbehalten, in jedem Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufhebt. Daher findet der Grundsatz keine Anwendung.

Konsequenzen

Nach dieser Entscheidung darf der Arbeitgeber grundsätzlich frei im Rahmen von Abfindungsmodellen entscheiden, mit welchen Arbeitneh- mern er Aufhebungsverträge abschließt und mit welchen nicht. Er kann sogar nur einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitern Angebote unterbreiten und sich dabei auf bestimmte Altersgruppen beschränken. Dies stellt keine Benachteiligung i. S. d. AGG dar. Eine solche Möglichkeit erleichtert es dem Unternehmen, Personalanpassungsmaßnahmen auf freiwilliger Basis durchzuführen und gibt ihm viel Spielraum. Außerdem kann es – insbesondere hinsichtlich des voraussichtlichen Abfindungsvolumens – rechts- sicherer planen. Es braucht nicht damit zu rechnen, dass sich die Abfindungssumme durch Gleichbehandlungsklagen von arbeitsmüden Mitarbeitern erhöht.

Das BAG hat damit wieder einmal dem Missbrauch des AGG einen Riegel vorgeschoben. Dennoch muss der Arbeitgeber aufpassen, dass er keine sachwidrigen Gruppen bildet oder sich an seine eigene Gruppenbildung nicht hält: Hätte die Beklagte hier nur den älteren Arbeitnehmern das Angebot unterbreitet oder außer dem Kläger einer Vielzahl von älteren Mitarbeitern den Abschluss eines Aufhebungsvertrags – entgegen dem eigenen Abfindungsmodell – ermöglicht, wäre fraglich, ob das BAG dann nicht doch einen Verstoß gegen das AGG oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz angenommen hätte.

Praxistipp

Das Urteil bewahrt und erweitert für Arbeitgeber die Möglichkeit, mit freiwilligen Abfindungsmodellen den Personalbestand zu regulieren. Es bietet recht weite Gestaltungsspielräume. Zu empfehlen ist, diese im Vorfeld von geplanten Personalabbaumaßnahmen genau auszuloten. Dadurch können Unternehmen – zumindest teilweise – ihren Personalbestand in eine gewünschte Richtung lenken und sind nicht alleine an das Ergebnis einer Sozialauswahl gebunden. Sie sollten aber klar definieren, an wen sich ein Abfindungsmodell richtet. Wichtig ist auch, dass sich der Arbeitgeber ein Letztentscheidungsrecht vorbehält, mit wem er tatsächlich einen Aufhebungsvertrag abschließt, um nicht unverzichtbare Arbeitnehmer zu verlieren. Außerdem ist nur so gewährleistet, dass eine individuelle Vereinbarung vorliegt, auf die der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz keine Anwendung findet.

RAin und FAin für Arbeitsrecht Verena Kappel,

Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,

Frankfurt am Main

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht ∙ 8/10