Die Klimakrise, die Digitalisierung, die Corona-Pandemie verändern schneller als je zuvor, wie wir leben und arbeiten. Das trifft Menschen ebenso wie Unternehmen und fordert ein Überlebensprinzip, das in der Evolution bereits eine wichtige Rolle gespielt hat: agiles Lernen.

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Schon die Evolution setzt auf Agilität

Die digitale Transformation und die Pandemie haben die Art und Weise, wie wir kommunizieren, konsumieren, arbeiten und unser Leben gestalten können, massiv verändert. Die Veränderungen kommen immer schneller und wir Menschen müssen immer rascher darauf reagieren, um überhaupt überleben zu können. Das Gleiche gilt auch für Unternehmen, die sich fast von jetzt auf gleich an neue Bedingungen, sich wandelnde Märkte und ein verändertes Konsumverhalten einstellen müssen.

Die schlechte Nachricht ist: Wer darauf nicht reagiert, wird verschwinden. Die gute Nachricht ist: Unternehmen wie die Otto-Group, Xing, Sipgate und andere zeigen, dass es möglich ist, diesen Veränderungsprozess zu gestalten und zur agilen Organisation zu werden. Sie experimentieren nicht nur mit agilen Lernprojekten und agilen Unternehmensstrukturen, sondern implementieren diese dauerhaft. 

Das bestätigt auch eine 2020 durchgeführte Umfrage der Strategieberater von PWC. Demnach sahen sich fast die Hälfte der befragten Organisationen und Teams besser in der Lage, mit agilen Konzepten auf Veränderungen des Marktes zu reagieren sowie wertvolle und innovative Lösungen für Kunden zu entwickeln. Auch der Mensch selbst ist mit Blick auf die Evolution bestens vorbereitet auf Agilität. Schließlich konnten wir Jahrtausende lang mit Anpassungsfähigkeit und Beweglichkeit  auf Bedrohungen reagieren und unser Überleben und unsere Entwicklung sichern. Wir haben gelernt, mit veränderten Bedingungen fertig zu werden, uns darauf einzustellen, zu reagieren und sogar, davon zu profitieren. Das agile Konzept gibt es also schon länger. Es ist eine alte Erfolgsgeschichte der Menschheit. Und dennoch ist Agilität nicht selbstverständlich.

Wie agile Unternehmen von agilem Lernen profitieren

Die zwei wichtigsten Gründe für die Einführung agilen Lernens im Unternehmen sind: Es wird leichter, mit dem ständig wachsenden Schulungsbedarf mitzuhalten. Außerdem fördert Agilität das Engagement der Lernenden.

Im  digitale Zeitalter erleben wir eine noch nie zuvor dagewesene Beschleunigung in allen Bereichen des Lebens, am Arbeitsplatz, zu Hause, in der Gesellschaft. Wir sind stärker vernetzt und voneinander abhängig als jemals zuvor. Gleichzeitig werden die geforderten Reaktionszeiten immer kürzer. Die Industrie muss lernen, Belegschaften und Betriebsabläufe schnell an geschäftliche Veränderungen anzupassen und auf ein zunehmend unsicheres Umfeld zu reagieren. Der Schulungsbedarf steigt nicht nur, auch die Inhalte und Lernformate müssen immer wieder angepasst werden, um auf Veränderungen zu reagieren. Lernangebote müssen schnell zur Verfügung stehen und so gestaltet sein, dass sie kurzfristig an einen veränderten Bedarf angepasst werden können.

Mehr denn je sind die Erwartungen der Menschen durch das digitale Zeitalter geprägt. Das gilt auch für die Erwartungen an angebotene Lernformate und Lerninhalte. Netflix und Amazon zum Beispiel haben geprägt, wie wir uns einen Marktplatz des Lernens vorstellen, Facebook und LinkedIn, wie sich die interne Kommunikation gestalten sollte. Alle diese Angebote haben gemeinsam, dass wir sie selbst mit gestalten – entweder durch die Auswahl von Produkten, die neue Empfehlungen hervorruft, oder durch eigene Inhalte.

Lernende einzubeziehen, steigert das Engagement

Doch lassen wir Mitarbeitende eigene Lernerfahrungen mit gestalten, beziehen wir sie in das Design von Lernprojekten ein? Kaum. Entspricht die Lernerfahrung dann nicht den Erwartungen der Lernenden, sind alle frustriert: Trainerinnen und Personalentwicklung, Lernende und Führungskräfte. Die einen, weil sie Zeit und Geld investiert haben, um die Lernerfahrung zu gestalten, die Lernenden, weil sie ihre Erwartungen an Inhalt und Lernformat nicht erfüllt wurden, Führungskräfte, weil der Lerntransfer und damit die Wirksamkeit zu wünschen übrig ließ. Die Lernenden in den Lerndesign-Prozess einzubeziehen, kann das Engagement maßgeblich steigern und Enttäuschungen vermeiden helfen. Bei Agile Learning ist das kontinuierliche Testen des Kursdesigns durch die Lernenden ein zentraler Bestandteil des Prozesses.

Das Ergebnis sind Kurse, die für den Benutzer entwickelt wurden, höhere Engagement-Raten bei der Lernenden und mehr positives Feedback zum Kursdesign. Schließlich, und das ist ein wichtiger Punkt, setzt agiles Lernen die Fähigkeit und den Willen zu selbstgesteuertem Lernen voraus.

Agile Lernprojekte in einer agilen Lernkultur

Software-Profis kennen den Begriff „Agil“ vor allem aus der Softwareentwicklung und der Projektmanagementmethode Scrum. Dabei geht es vereinfacht gesagt um ein Gerüst (Framework), das Menschen dabei hilft, adaptive Lösungen für komplexe Probleme in einem sich schnell verändernden Umfeld zu finden und so ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die agile Methodik lebt vom stetig sich wiederholenden Ablauf von Planen, Umsetzen, Feedback einholen und Reflektieren. Wie in der Softwareentwicklung geht es darum, die Planungen immer wieder anzupassen, auf neue Anforderungen zu reagieren und dafür Lösungen zu finden. Während Scrum die Vorgehensweise beschreibt, die sich auch auf agile Lernprojekte anwenden lässt, ist es gleichzeitig wichtig, eine agile Lernkultur zu schaffen. Dabei helfen folgende sechs Tipps und Tools:

Tipps für das agile Lernen in Unternehmen

1. Schaffen Sie die passenden Rahmenbedingungen für kontinuierliches Lernen. Stellen Sie digitale und relevante Lernangebote bereit, auf die Mitarbeitende bei Bedarf während der Arbeit selbstgesteuert zugreifen können.

2. Ermöglichen Sie, dass die Mitarbeitenden voneinander lernen. Machen Sie deutlich, dass der Austausch erwünscht ist und fördern Sie Mentorenprojekte und Lernteams. Der abteilungsübergreifende Austausch bietet Einblicke in neue Themengebiete und kann für einen wahren Innovationsschub sorgen.

3. Nehmen Sie das Feedback auf Lernangebote ernst und beziehen sie es in zukünftige Lerninhalte und Lernformate ein. Beteiligen Sie ihre Zielgruppe an der Gestaltung von Lernprozessen. Laden Sie ins Lernlabor ein und finden Sie gemeinsam neue Wege des Lernens.

4. Machen Sie mobile Lernangebote. Kurze Lerneinheiten auf dem Smartphone lassen sich schnell produzieren und aktualisieren. Sie erlauben, jederzeit und überall zu lernen und Wissen zu aktualisieren.

5. Nutzen Sie neue, spannende Formate und Tools. Hackathons, Lean Coffee, Ted Talks, Working Out Loud (WOL) oder LearnOS hören sich spannend an, machen neugierig und fördern das Engagement der Lernenden. Warum nicht mal zum Clubhouse-Talk einladen? Tools wie MS Teams, Slack und andere erleichtern und fördern die interne Kommunikation und den Wissensaustausch, ohne sie zur Einbahnstraße werden zu lassen.

6. Beziehen Sie die Lernenden in die Gestaltung von Online-Schulungen ein. Mit Mentimeter lassen sich sogar sehr spontan Abstimmungen abhalten, Ideen sammeln und Fragen beantworten. Mit Wonder machen virtuelle Gruppenarbeit und Networking wieder Spaß, Miro und Stormboard bringen Schwung ins Brainstorming. Es gibt fast jede Woche neue Tools und neue Funktionen, die sie zusammen ausprobieren können. Auch das hat einen nicht zu unterschätzenden Lerneffekt für alle Beteiligten.