Die Diskussion um die Gleichstellung von Frauen und Männern geht vor dem Hintergrund des immer deutlicheren Fachkräftemangels in die nächste Runde. Der Arbeitsmarkt und die berufliche Situation rücken dabei in den Blickpunkt. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass Diversity ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen sein kann. Zudem ist absehbar, dass mit dem demografischen Wandel die Bedeutung weiblicher Fach- und Führungskräfte zunehmen wird.

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Foto von Arlington Research

Auf politischer Ebene setzt die Europäische Kommission mit der „Charta für Frauen“ und der neu vorgestellten „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern“ ein neues Zeichen für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie bekräftigt damit einmal mehr ihre Absicht, bis zum Jahr 2015 noch entschlossener den Abbau des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles in der EU voranzutreiben. Nicht zuletzt dafür wurde das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen gegründet, das unter anderem die Aufgabe hat, die Öffentlichkeit noch stärker als bisher mit Fragen der Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu konfrontieren.

Mit Blick auf Deutschland bedeutet dies, dass sich das öffentliche und politische Interesse nicht mehr allein auf den „gender pay gap“, also die durchschnittliche (unbereinigte) Entgeltlücke von 23 Prozent richten wird, die das Statistische Bundesamt für Deutschland im Jahr 2009 festgestellt hat. Vielmehr geht es dabei um die Ursachen im Detail sowie um Möglichkeiten, diese Ursachen quantitativ zu beschreiben und damit Ansatzpunkte abzuleiten, wie sich die Entgeltlücke verkleinern lässt.

Für volkswirtschaftliche Analysen greifen Experten seit langem auf die wissenschaftlich etablierte Methode der Regressionsanalyse zurück. Für differenzierte Aussagen zur Entgeltungleichheit eignet sich dieses Verfahren insbesondere deshalb, weil die Forscher mehrere Ursachen simultan berücksichtigen können. So ist es möglich, dass personenbezogene Merkmale wie etwa die Qualifikation, die Berufserfahrung, die berufliche Stellung oder die Tätigkeitsanforderungen in die Berechnung der Entgeltlücke einfließen. Das Ergebnis ist eine „bereinigte Entgeltlücke“, die den prozentualen Entgeltabstand von Frauen zu dem Entgelt der Männer beschreibt, wenn beide Gruppen über dieselben Merkmalsausprägungen verfügen würden.

Entgeltgleichheit: Ein kurzer Überblick

Ein Blick auf die Literatur zeigt, dass ohne die Methode der Regressionsanalyse kaum tiefergehende Erkenntnisse zur Entgeltgleichheit möglich wären. Doch die Ergebnisse fallen zum Teil sehr heterogen aus, denn diese hängen unter anderem von der Auswahl des Datensatzes, dem berücksichtigten Analysezeitraum und der Anzahl und Art der für die Bereinigung verwendeten Merkmale ab. Die Vermutung liegt nahe, dass mit einer größeren Anzahl an entgeltrelevanten Informationen auch die bereinigte Entgeltlücke kleiner ausfallen dürfte.

Die bislang vorliegenden Ergebnisse für die bereinigte Entgeltlücke variieren etwa zwischen 6 und 12 Prozent. Als wesentliche Ursachen identifizieren Experten dabei häufig die Berufswahl sowie die familienbedingten Erwerbspausen. Da Frauen im Vergleich zu Männern aufgrund ihrer Berufswahl in einigen Branchen, wie zum Beispiel dem verarbeitenden Gewerbe, seltener vertreten sind und eher in kleineren Betrieben arbeiten, wirkt sich dies oft nachteilig auf ihre Entlohnung aus. Daneben unterbrechen sie noch deutlich häufiger und länger als Männer ihre Erwerbstätigkeit, um sich der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen zu widmen. Dies hat auch einen Einfluss auf die Höhe der Entlohnung, insbesondere weil Frauen im Anschluss an eine Babypause oft eine Tätigkeit in Teilzeit oder eine geringfügige Beschäftigung ausüben.

Für die bereinigte Entgeltlücke selbst gibt es ebenfalls eine Reihe von Erklärungsansätzen: So wird nicht selten auf Präferenzunterschiede von Frauen und Männern sowie ein unterschiedliches Verhalten in Entgeltverhandlungen verwiesen. Aufgrund fehlender oder unvollständiger Informationen in entsprechenden Datensätzen lassen sich diese Ursachen jedoch nicht direkt im Zusammenhang mit der Entgeltlücke empirisch überprüfen.

Das Instrument „Logib-D“

Mit dem neu eingeführten Instrument „Logib-D“ („Lohngleichheit im Betrieb – Deutschland“) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend können Unternehmen kostenfrei herausfinden, ob in ihrem Haus eine Entgeltlücke vorliegt, und den Ursachen dafür auf den Grund gehen. Denn die Methode der statistischen Regressionsanalyse eignet sich nicht nur allgemein für gesamtwirtschaftliche Analysen zur Entgeltgleichheit, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch für Untersuchungen in Unternehmen. Auch Logib-D berücksichtigt dieses Verfahren, dessen Anwendungsmöglichkeiten sich aber nicht allein auf die Entgeltgleichheit im Betrieb beschränken.

Im Zentrum des Vorhabens steht eine „doppelte“ Zielsetzung: Das Werkzeug soll einerseits in Firmen eine positive Auseinandersetzung mit dem Thema Entgeltgleichheit anstoßen und Ansatzpunkte für eine geschlechtersensible Entgelt- und Personalpolitik liefern. Andererseits ist Logib-D dafür gedacht, dass Personal- und HR-Abteilungen es bewusst für ihre betrieblichen Prozesse anwenden – etwa für das Entgeltcontrolling oder das Berichtswesen. Das Angebot umfasst mehrere Bausteine. Dazu gehören zwei Analyseprogramme (eine Online-Anwendung mit Ergebnisbericht und ein Excel-Tool), die Webseite http://www.logib-d.de, die über sämtliche Bausteine informiert und Hintergrundwissen zum Thema liefert, sowie das Angebot einer Vergütungsberatung auf Basis von Logib-D.

In der Phase der Einführung haben bereits einige Pilotunternehmen Logib-D getestet, wie zum Beispiel die Marienhaus GmbH und die Weleda AG. Die ersten Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass das Instrument nicht nur eine Ergänzung für Firmen sein kann, die Gleichstellungsaspekte in ihrem Unternehmensleitbild betonen. Vielmehr können alle Betriebe profitieren, die eine Ergänzung für ihr internes Benchmarking- und Reportingsystem suchen oder mehr weibliche Fachkräfte rekrutieren möchten. Die Unternehmen erhalten neben Details zu ihren Vergütungsstrukturen unter anderem auch geschlechtsspezifische Informationen zu hierarchischen Stellenbesetzungen und tätigkeitsbezogenen Anforderungen, beispielsweise wie viele Frauen und Männer einfache, wiederkehrende, qualifizierte oder komplexe Tätigkeiten wahrnehmen. Außerdem können Organisationen die Auswirkungen von Erwerbsunterbrechungen auf die Entgeltlücke analysieren und altersbezogene Daten nach Geschlecht darstellen, die auch Auskunft über drohende Fachkräfteengpässe geben können.

Unternehmen steht es frei, die Ergebnisse ihrer Analysen zu veröffentlichen und zur Rekrutierung oder Bindung von (weiblichen) Fachkräften einzusetzen oder zur Vorbereitung interner Umstrukturierungsaktivitäten zu verwenden. Denkbar wäre auch ein Einsatz im Vorfeld von Tarifverhandlungen oder individuellen Gehaltsverhandlungen, da sich die Auswirkungen von Entgeltänderungen einzelner Beschäftigter oder Gruppen von Beschäftigten darstellen lassen. Zudem können Arbeitgeber die Auswertungen separat für einzelne Betriebsteile (Abteilungen, Niederlassungen) und für einzelne Jahre vergleichend durchführen, um Detailergebnisse zu erhalten oder Entwicklungen aufzuzeigen.

In Ergänzung zu Logib-D bietet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine kostenfreie Vergütungsberatung an, für die sich interessierte Unternehmen über die Webseite www.logib-d.de bewerben können. Bis zum Jahr 2012 haben insgesamt 200 Organisationen die Möglichkeit, dieses Angebot in Anspruch zu nehmen. Die in regelmäßigen Abständen ausgewählten Betriebe erhalten eine umfangreiche Beratungsdienstleistung auf Basis von Logib-D, deren Ergebnisse über die der Analyseprogramme hinausgehen.

Fazit

Der Bedarf an quantitativen Daten bei der Analyse von Ursachen für Entgeltungleichheit gewinnt nicht nur in volkswirtschaftlicher Hinsicht an Bedeutung. Neue Analysemethoden der Entgeltstrukturen stoßen zunehmend auf Interesse in Unternehmen. Vor diesem Hintergrund bereiten die Analysen mit Logib-D verdichtete geschlechtsspezifische Informationen auf, die einer Vielzahl von Unternehmen bisher nicht zur Verfügung standen. Damit wird eine Transparenz der unternehmensinternen Vergütungsstrukturen geschaffen, die für viele betriebliche Anwendungsbereiche interessant sein kann. Mit Blick auf wissenschaftliche Studien und die möglichen Nutzungsvorteile in der Praxis könnten Arbeitgeber sich zukünftig durch Anwendung von Logib-D Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Weitergehende Informationen und Termine: www.logib-d.de

Literaturtipps

  • Anger, Christina / Schmidt, Jörg, 2008, Gender Wage Gap und Familienpolitik, IW-Trends Bd. 35, Nr. 2, 55-68
  • Busch, Anne / Holst, Elke, 2008, Verdienstdifferenzen zwischen Frauen und Männern nur teilweise durch Strukturmerkmale zu erklären, DIW-Wochenbericht 15, S. 184-190
  • Schmidt, Jörg / Diekmann, Laura-Christin / Schäfer, Holger, 2009, Die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen – Indikatoren, Ursachen und Lösungsansätze, IW-Analysen Nr. 51, Köln