Beschäftigung unterhalb der Qualifikation

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Foto von Bram Naus

Ferner will man akademischen Fachkräften den Berufseinstieg auch unterhalb ihrer Qualifikation ermöglichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Beschäftigung neben den Voraussetzungen, die sich aus § 18 AufenthG-E ergeben, nicht nur in Berufen ausgeübt werden können, die einen Hochschulabschluss verlangen, sondern auch in solchen, die im bestehenden fachlichen Kontext üblicherweise eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen. Grundsätzlich – so lautet es in der Gesetzesbegründung weiter – sollte es jedoch das Ziel sein, dass auch diese akademischen Fachkräfte langfristig tatsächlich einen der Qualifikation angemessenen Arbeitsplatz haben, was angesichts des Fachkräftemangels in der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung sei.

Weitere Änderungen des Gesetzentwurfs würden schließlich nachfolgende Themen betreffen:

  • Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung,
  • Aufenthaltserlaubnis für Ausländer mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen in bestimmten Berufen (Positivliste),
  • Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung von ergänzenden Qualifizierungsmaßnahmen und zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

Stellungnahme des Bundesrates

In seiner Sitzung am 15.2.2019 hat der Bundesrat das FEG als Tagesordnungspunkt 25 erörtert und im Rahmen der Abstimmung die ganz überwiegende Mehrzahl der vorgeschlagenen Änderungsanträge angenommen. Die beschlossenen Empfehlungen der Länderkammer lassen sich wie folgt systematisieren und zusammenfassen:

Forderung nach einem Einwanderungsgesetzbuch

Die Schaffung eines einheitlichen Einwanderungsgesetzbuches wird gegenüber der nach dem FEG geplanten punktuellen Neuregelung bevorzugt.

Weitere Lockerung der Zuwanderung für Fachkräfte

Die vorgesehenen Regelungen für die Zuwanderung für Fachkräfte hält der Bundesrat angesichts des vorherrschenden und in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten zu erwartenden Fachkräftemangels für nicht hinreichend.

Weitere Straffung des Verfahrens

Schließlich wird auch eine weitere Straffung der Verfahrensvorschriften und -abläufe unter Berücksichtigung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern gefordert.

Fazit und Ausblick

Durch das FEG würden die Regelungen für den Aufenthalt und die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten dem wirtschaftlichen Bedarf entsprechend gezielt geöffnet sowie neu systematisiert und insgesamt klarer und transparenter gestaltet. Der von vielen geforderte Systemwechsel (von einer Einwanderung nach Beschäftigungskategorien hin zu einem Points-based-System) ist indes ebenso ausgeblieben wie die Zusammenführung sämtlicher Vorschriften in einem Einwanderungsgesetzbuch. Insoweit steht das Arbeitsmigrationsrecht dem Arbeitsrecht in nichts nach.

Flankiert werden diese Regelungen durch zahlreiche, inhaltlich sehr weitreichende Verfahrensreglungen. Auch wenn dies einen Schritt in die richtige Richtung bedeutet, dürften die Neuerungen wohl kaum ausreichen, um der in der Praxis als Haupthemmnis empfundenen Länge der Bearbeitungsdauer entgegenzuwirken. Insgesamt wird ein ausgewogenes Ergebnis erzielt, welches dem selbsterklärten Ziel, Deutschland für die Zuwanderung von Fachkräften attraktiver zu machen, ein Stück weit gerechter wird.

Es bleibt abzuwarten, ob der Entwurf des FEG im Gesetzgebungsverfahren weiteren inhaltlichen Änderungen unterzogen wird. Die politische Diskussion vor Verabschiedung der Kabinettsfassung kurz vor Weihnachten hat sehr deutlich gezeigt, dass die Einflussnahme der Parteien und Lobbyisten, aber insbesondere auch der betroffenen Länder und Behörden (Auslandsvertretungen wie Ausländerbehörden) erheblich ist. Dies zeigt sich auch daran, dass die Neuregelungen erst nach Ablauf eines Übergangszeitraumes von sechs Monaten überhaupt in Kraft treten würden, um den Behörden einen entsprechenden Vorlauf für die erforderlichen Anpassungen zur Verfügung zu stellen. Die weitere Entwicklung wird mit Spannung zu verfolgen sein.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 4/19, S. 208ff.

Punktuelle Lockerung und Ergänzung der bisherigen Regeln

Nach der Vorlage von ersten Vorschlägen in einem Eckpunktepapier im August 2018 durch das federführende Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (unter dem Titel „Eckpunkte zum kohärenten Ansatz Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“) und einer sich in den Folgemonaten anschließenden kontroversen Diskussion kommt der Gesetzgeber diesem Regelungsauftrag nun nach.

Am 19.12.2018 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) verabschiedet, der am 4.1.2019 dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet worden ist (BR-Drs. 7/19). Mit diesem Entwurf hat sich der Gesetzgeber – was durchaus sinnvoll ist – gegen die Schaffung eines eigenständigen Einwanderungsgesetzbuches und für die punktuelle Lockerung sowie Ergänzung der bisherigen bewährten Regelungenentschieden. Hierdurch will man die Attraktivität des Standortes Deutschland für Fachkräfte steigern, was sowohl durch Änderungen des Verfahrens als auch der materiellen Tatbestände ermöglicht werden soll.

Verfahrensrechtliche Änderungen

Zunächst sind einige nicht ganz unbedeutende Änderungen des Verfahrens geplant. Der Gesetzesentwurf sieht insoweit folgende Neuerungen bzw. Änderungen vor:

  • Nach der neu gefassten Vorschrift des § 71 AufenthG-E soll eine zentrale Ausländerbehörde errichtet werden. Diese soll indes – entgegen der Regelung des Referentenentwurfs – (leider) nur für das Visumsverfahren und nicht für das sich anschließende Verfahren zur Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis zuständig sein. Dies ist sehr bedauerlich, da gerade eine Bündelung der Fachkenntnisse und Abläufe über eine zentralisierte und entsprechend ausgestattete Behörde den seit einigen Jahren zu beklagenden Engpässen – bedingt durch unverhältnismäßig lange Wartezeiten (von mehreren Monaten) – wirksam Abhilfe geschaffen bzw. entgegengewirkt hätte.
  • Des Weiteren ist § 81a AufenthG-E die Einführung eines beschleunigten Fachkräfteverfahrens vorgesehen. Hiernach ist zwar weiterhin der Ausländer Antragsteller (§ 81 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz [AufenthG]); der (zukünftige) Arbeitgeber soll jedoch mehr eingebunden und u. a. für die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bevollmächtigt werden können, ein beschleunigtes Fachkräfteverfahren zu beantragen (§ 81a Abs. 1 AufenthG-E). Zwischen der Ausländerbehörde und dem (bevollmächtigten) Arbeitgeber soll auf dieser Grundlage eine Vereinbarung geschlossen werden können, die u. a. folgenden Inhalt umfassen soll: 1. Kontaktdaten des Ausländers, des Arbeitgebers und der Behörde, 2. Bevollmächtigung des Arbeitgebers durch den Ausländer, 3. Verpflichtung des Arbeitgebers, auf die Einhaltung der Mitwirkungspflicht des Ausländers hinzuwirken, 4. vorzulegende Nachweise, 5. Beschreibung der Abläufe einschließlich Beteiligter und Erledigungsfristen, 6. Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers und 7. Folgen bei Nichteinhalten der Vereinbarung. Ungeachtet dieser Einbindung des Unternehmens bleibt die Ausländerbehörde (natürlich) Herrin des Verfahrens und soll gem. § 81a Abs. 3 AufenthG-E den Arbeitgeber zum Verfahren und zu den einzu reichenden Nachweisen beraten, ggf. die Prüfung der Anerkennung eines Abschlusses in die Wege leiten, die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit – so erforderlich – einholen und die zuständige Auslandsvertretung über die bevorstehende Visumsantragstellung informieren sowie der Visumserteilung vorab unverzüglich zustimmen.
  • Die bislang bereits bestehende Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung durch die Einleitung einer Vorabprüfungsanfrage bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 36 Abs. 3 Beschäftigungsverordnung (BeschV) für den Fall einer erforderlichen Zustimmung unmittelbar durch den Arbeitgeber bleibt bestehen.

Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf auch zahlreiche materiell-rechtliche Änderungen vor, auf die im Folgenden eingegangen wird.

Verzicht auf Vorrangprüfung und Engpassbetrachtung

Fortan sollen Fachkräfte bei Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebots beschäftigt werden können, ohne dass zuvor Vorrangprüfung und ggf. Engpassbetrachtung stattfinden müssen. Dies bedeutet, dass eine Prüfung, ob vorrangig zu beschäftigende deutsche Arbeitnehmer oder Unionsbürger existieren, nicht notwendig ist. Auch soll es eine bislang bestehende Beschränkung auf bestimmte Mangelberufe in Ausbildungsberufen nicht mehr geben.

Alleinige Voraussetzung soll sein, dass die von der Fachkraft erworbene Qualifikation zur Ausübung der Beschäftigung befähigt. Dies würde gleichermaßen für Fachkräfte mit Berufsausbildung als auch für solche mit akademischer Ausbildung gelten.

Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte

Des Weiteren will man die Möglichkeit eines Aufenthalts zur Arbeitsplatzsuche für Fachkräfte ausweiten und fortan in einer Norm zusammenführen (§ 20 AufenthG-E). Hiernach soll – analog zur Regelung für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung – auch für Fachkräfte mit Berufsausbildung die Möglichkeit zur befristeten Einreise zur Arbeitsplatzsuche von bis zu sechs Monaten bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen bestehen. Zu diesen Voraussetzungen zählen u. a.: Sprachkenntnisse, gesicherter Lebensunterhalt, mindestens gleich langer vorheriger Aufenthalt im Ausland.

Die Aufenthaltserlaubnis soll zur Ausübung von Probearbeiten bis zu zehn Stunden je Woche berechtigen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll all dies für zunächst fünf Jahre befristet erprobt werden.

Beschäftigung von Fachkräften mit Ausbildung

Nach dem Grundsatz des § 18 Abs. 1 AufenthG-E hat sich die Zulassung ausländischer Beschäftigter an den „Erfordernissen des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt“ zu orientieren. Die besonderen Möglichkeiten für ausländische Fachkräfte sollen sowohl der Sicherung der Fachkräftebasis und der Stärkung der sozialen Sicherungssysteme dienen als auch auf die nachhaltige Integration von Fachkräften in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft unter Beachtung der Interessen der öffentlichen Sicherheit ausgerichtet sein.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer Beschäftigung als Fachkraft (mit Berufsausbildung oder akademischer Ausbildung) setzt gem. § 18 Abs. 2 AufenthG-E voraus, dass

1. ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt,

2. die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 zugestimmt hat,

3. eine Berufsausübungserlaubnis erteilt oder zugesagt wurde, soweit diese erforderlich ist, und

4. die Feststellung der Gleichwertigkeit der Qualifikation vorliegt, soweit dies erforderlich ist.

Berufsausbildung und akademische Ausbildung

Einer Fachkraft mit Berufsausbildung kann gem. § 18a AufenthG-E eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung erteilt werden, wenn die erworbene Qualifikation sie zur Ausübung der Beschäftigung befähigt. Im Rahmen der Anwendung der Vorschrift ist die in der allgemeinen Regelung des § 18 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG-E enthaltene Legaldefinition der Fachkraft mit beruflicher Ausbildung zu beachten. Hiernach ist Fachkraft „ein Ausländer, der eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzt (Fachkraft mit Berufsausbildung)“.

Auch einer Fachkraft mit akademischer Ausbildung kann nach dem Grundsatz des § 18b Abs. 1 AufenthG-E eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung in den Berufen erteilt werden, zu der sie ihre Qualifikation befähigt. Im Rahmen der Anwendung der Vorschrift ist die in der allgemeinen Regelung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG-E enthaltene Legaldefinition der Fachkraft mit akademischer Ausbildung zu beachten. Hiernach ist Fachkraft „ein Ausländer, der einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzt (Fachkraft mit akademischer Ausbildung)“.

Ob die Fachkraft eine Beschäftigung ausüben wird, zu der ihre Qualifikation befähigt, prüft die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Zustimmung (§ 39 Abs. 2 Nummer 2 AufenthG-E).

Bei der Blauen Karte EU (§ 18b Abs. 2 AufenthG-E) bleibt der strengere Maßstab der Angemessenheit der Beschäftigung im Verhältnis zur Ausbildung hingegen erhalten. Des Weiteren kann einer Fachkraft mit akademischer Ausbildung gem. § 18b Abs. 2 AufenthG-E unter bestimmten Voraussetzungen eine Blaue Karte EU zum Zweck einer der Qualifikation angemessenen Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt werden. Die Regelung entspricht zu großen Teilen inhaltlich den bisherigen (derzeit in § 19a AufenthG/§ 2 BeschV enthaltenen) Vorschriften.