Ausgangssituation

Grundsätzlich regelt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Entscheidungen des Arbeitgebers im Betrieb. Um diese Tätigkeit effektiv wahrnehmen zu können, räumt das BetrVG dem Betriebsrat auch Rechte hinsichtlich seiner Arbeit, insbesondere auf Freistellung, Schulung, Kostenerstattung und Sachmittel ein, vgl. dazu auch Ubber/Scharff, AuA 5/10, S. 266 ff., in diesem Heft. Den hierdurch bezweckten Schutz der Betriebsratstätigkeit hatte der Gesetzgeber im Blick, dementsprechend formulierte er die Pflichten des Arbeitgebers konkret und ausführlich, die genauen Pflichten des Betriebsrats allerdings eher spärlich.

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Da in vielen Betrieben die Zusammenarbeit der Betriebsparteien gut funktioniert, richtet sich der Fokus i. d. R. auch nicht auf die starre Einhaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten. Eine konstruktive Zusammenarbeit, die die beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vernünftig ausbalanciert, ist von erheblichem Vorteil für die Betriebsparteien. Neben der Zeit- und Kostenersparnis für langwierige Streitigkeiten fördert ein konstruktives Miteinander auch die Akzeptanz der Beschäftigten bei erforderlichen Änderungen.

Wichtig

Der Arbeitgeber sollte stets versuchen, mit dem Betriebsrat so gut wie möglich zusammenzuarbeiten. Wichtiger Erfolgsfaktor hierfür ist insbesondere eine gute, rechtzeitige und vertrauensvolle Kommunikation.

Doch nicht immer gelingt eine vernünftige Kooperation in der Praxis. In schwer wiegenden Fällen kann es unumgänglich sein, dem Betriebsrat „seine Grenzen“ aufzuzeigen. Angesichts des Grundsatzes „Kooperation statt Konfrontation“ sollte hiervon jedoch stets wohlüberlegt und wohldosiert Gebrauch gemacht werden.

Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit

Grundlegende Verhaltenspflichten der Betriebsparteien ergeben sich aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Nach § 2 Abs. 1 BetrVG arbeiten Arbeitgeber und Betriebsrat „vertrauensvoll … zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammen“.

Dieses zentrale Gebot wendet sich an das Unternehmen und den Betriebsrat. Es ist Auslegungsregel, Handlungsmaxime und verbindliche Rechtsnorm für die Betriebsparteien. Die Norm begründet gesteigerte Verhaltens- und Nebenpflichten zwischen den Betriebsparteien (Bundesarbeitsgericht [BAG], Beschl. v. 21.4.1983 – 6 ABR 70/82, AP Nr. 20 zu § 40 BetrVG 1972). Hierbei handelt es sich z. B. um die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtsnahme und Loyalität sowie zur Offenheit und Ehrlichkeit im gegenseitigen Umgang.

Es gilt der Grundsatz der „Kooperation statt Konfrontation“. Ziel der Zusammenarbeit ist das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs. Für den Betriebsrat bedeutet dies, dass er bei seinen Überlegungen auch die Interessen des Betriebs nicht völlig außer Acht zu lassen hat.

Beispiele

Ein Verstoß des Betriebsrats gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann bspw. in folgenden Fällen vorliegen:

  • sachlich falsche und böswillig entstellende Darstellung eines Verhaltens des Arbeitgebers in einem Flugblatt, die geeignet ist, das Ansehen des Arbeitgebers in den Augen der Arbeitnehmer herabzusetzen (BAG, Beschl. v. 21.2.1978 – 1 ABR 54/76, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972)
  • Erteilung einer untypischen Honorarzusage an den Rechtsanwalt des Betriebsrats, ohne rechtzeitige Information des Arbeitgebers
  • Ansetzen einer außerordentlichen Betriebsversammlung ohne Berücksichtigung der betrieblichen Interessen (ArbG Krefeld, Beschl. v. 6.2.1995 – 4 BV 34/94, NZA 1995, S. 803)
  • Veröffentlichen einer Werkszeitung auf der Homepage eines Betriebsratsmitglieds, die Betriebs- und Betriebsratsinterna enthält (Hess. LAG, Beschl. v. 15.7.2004 – 9 TaBV 190/03, NZA-RR 2005, S. 258)
  • Verunglimpfen und Beleidigen des Arbeitgebers
  • Weigerung, über einen Eilantrag des Arbeitgebers zu entscheiden (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.11.2000 – 4 TaBV 96/00, LAGE § 23 BetrVG Nr. 40)
  • Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung bei vielen neuen Mitarbeitern zum Schutz eines befristet Beschäftigten und dadurch veranlasste zahlreiche Zustimmungsersetzungsverfahren (LAG Köln, Beschl. v. 28.6.1989 – 2 TaBV 9/89, LAGE Nr. 26 zu § 99 BetrVG)

Besprechungen, Einlassungs- und Erörterungspflicht

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sollen die Betriebsparteien einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Beide haben hierfür Sorge zu tragen. Weigert sich eine Seite wiederholt, an diesen Gesprächen teilzunehmen, kann darin eine grobe Pflichtverletzung liegen. Nur im beiderseitigen Einvernehmen kann man ausnahmsweise, wenn z. B. aktuell nichts zu besprechen ist, von einer Durchführung absehen.

Gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG haben die Betriebsparteien „über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen“. Sie sollen intern eine Verständigung herbeiführen und sich nicht durch negative Kritik oder Verweigerung lähmen. Es besteht daher eine gegenseitige Einlassungs- und Erörterungspflicht, die insbesondere das Darlegen und Begründen des eigenen Standpunkts und die Stellungnahme zu der von der anderen Seite vertretenen Position beinhaltet. Eine ständige Verweigerung dieser Pflicht durch den Betriebsrat kann eine grobe Pflichtverletzung darstellen.

Praxistipp

Der Arbeitgeber muss nach § 40 Abs. 1 BetrVG nur die notwendigen Kosten des Betriebsrats tragen. Kosten für eine mutwillige Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens durch den Betriebsrat hat er nicht zu übernehmen. Mutwilligkeit kann ggf. dann bejaht werden, wenn zuvor kein innerbetrieblicher Einigungsversuch vom Betriebsrat unternommen wurde.

Friedenspflicht – Arbeitskampfverbot

§ 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verbietet den Betriebsparteien Arbeitskampfmaßnahmen (z. B. Streik oder Betriebsbesetzung). Es besteht ein absolutes Arbeitskampfverbot! Konflikte sind primär durch innerbetriebliche Verhandlungen und notfalls durch ein Einigungsstellen- oder ein Arbeitsgerichtsverfahren zu klären. Die Durchsetzung von betriebsverfassungsrechtlichen Zielen mit Arbeitskampfmitteln ist strikt untersagt, rechtswidrig und kann zu Schadensersatzansprüchen führen (BAG, Urt. v. 7.6.1988 – 1 AZR 372/86, AP Nr. 106 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Bei Auseinandersetzungen der Tarifparteien hat der Betriebsrat neutral zu bleiben.

Beispiele

Der Betriebsrat darf

  • nicht zum Streik aufrufen,
  • keinen Streik unterstützen,
  • nicht auf arbeitswillige Mitarbeiter Einfluss nehmen,
  • kein Geld zugunsten streikender Arbeitnehmer sammeln
  • und daher auch keine vom Arbeitgeber für seine Arbeit zur Verfügung gestellten Räume oder sachlichen Mittel, wie Kopierer oder PC, zu Streikzwecken nutzen.

Beeinträchtigungen von Arbeitsablauf und Betriebsfrieden

Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind Betätigungen verboten, die den Arbeitsablauf oder den Betriebsfrieden zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Arbeitnehmer beeinträchtigen.

Beispiele

Eine Störung des Arbeitsablaufs liegt in

  • der Aufforderung des Betriebsrats an die Beschäftigten, bestimmte Weisungen des Arbeitgebers nicht zu befolgen oder bestimmte Aufgaben nicht zu erledigen. Der Betriebsrat hat kein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern.

Eine Störung des Betriebsfriedens kann vorliegen

  • beim Eingriff des Betriebsrats in die Leitung des Betriebs (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG),
  • bei der Veröffentlichung wahrheitswidriger, ehrverletzender Behauptungen am Schwarzen Brett oder durch Werkzeitungen, Flugblätter,
  • in der Veröffentlichung einer willkürlichen und einseitigen Auswahl des Schriftverkehrs zwischen den Betriebsparteien (ArbG Trier, Beschl. v. 14.6.1989 – 3 BV 2/89, vgl. AiB 1989, S. 353).

Keine parteipolitischen Betätigungen im Betrieb

Betriebsrat und Arbeitgeber haben parteipolitische Betätigungen – d. h. Tätigkeiten für oder gegen eine politische Partei – im Betrieb zu unterlassen (vgl. § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Im Betrieb darf der Betriebsrat daher keine Tätigkeit ausüben, die ausdrücklich auf eine politische Partei Bezug nimmt, wie das Verteilen von Informationsmaterial, Werbung, Sammeln von Unterschriften, Anbringen und Aushängen von politischen Plakaten oder die Durchführung von politischen Umfragen.

Rechtsprechung

Politische Betätigung

Nach der bislang herrschenden Rechtsprechung ist neben der parteipolitischen Betätigung auch jegliche allgemeinpolitische Betätigung im Betrieb verboten. Das BAG scheint nun in einem aktuellen Beschluss von dieser Auffassung ein Stück abzurücken. Danach untersagt das parteipolitische Neutralitätsgebot nicht jede allgemeinpolitische Betätigung im Betrieb. Die Aufforderung des Betriebsrats zur Teilnahme an einem Volksentscheid ist keine parteipolitische Tätigkeit. Zudem steht dem Arbeitgeber bei einem Verstoß des Betriebsrats gegen das parteipolitische Neutralitätsgebot kein Unterlassungsanspruch zu (BAG, Beschl. v. 17.3.2010 – 7 ABR 95/08, vgl. auch S. 305).

Betriebsratsmitglieder dürfen sich in gleichem Umfang wie alle Arbeitnehmer gewerkschaftlich betätigen (vgl. § 74 Abs. 3 BetrVG). Ihnen ist jedoch untersagt, ihre Tätigkeit für die Gewerkschaft mit der Betriebsratstätigkeit zu verbinden, so dass während der Betriebsratssprechstunden keine Gewerkschaftswerbung erfolgen darf. Sie dürfen auch keinen Druck auf Mitarbeiter zum Eintritt in eine Gewerkschaft ausüben oder Nichtgewerkschaftsmitglieder benachteiligen (vgl. § 75 Abs.1 BetrvG).

Verschwiegenheitspflichten

§ 79 Abs. 1 BetrVG verpflichtet die Mitglieder und Ersatzmitglieder, alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Unternehmen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat.

Zu den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen gehören z. B.

  • Fabrikationsverfahren, Konstruktionszeichnungen,
  • Unterlagen über neue Verfahren,
  • Kundenlisten,
  • Kalkulationen, Preisberechnungen,
  • Diensterfindungen,
  • unveröffentlichte Jahresabschlüsse,
  • Umsatzzahlen,
  • Liquidität,
  • Lohn- und Gehaltsdaten.

Die Weitergabe von Gehaltsdaten durch ein Betriebsratsmitglied an die Gewerkschaft ist unzulässig und kann eine grobe Pflichtverletzung darstellen. Dies gilt auch für die unbefugte Weitergabe von Personaldaten.

Praxistipp

Die Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG entsteht nur, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich darauf hinweist, dass die Angelegenheit ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis darstellt und dass darüber Stillschweigen zu wahren ist. Der Hinweis sollte schriftlich und unter genauer Bezeichnung der geheim zu haltenden Sache erfolgen.

Weitere Schweigepflichten des Betriebsrats folgen aus §§ 99 Abs. 1 Satz 3, 102 Abs. 2 Satz 5 BetrVG über die ihm bei personellen Maßnahmen bekannt gewordenen persönlichen Verhältnisse sowie aus §§ 82 Abs. 2 Satz 3, 83 Abs. 1 Satz 3 BetrVG über den Inhalt von Erörterungen über Entgelt, Leistungsbeurteilung, berufliche Entwicklung und über den Inhalt der Personalakte.

Arbeitsbefreiung

Die Mitglieder des Gremiums sind normale Arbeitnehmer und daher grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet. Die Betriebsratsarbeit hat jedoch nach der gesetzlichen Konzeption Vorrang vor der Arbeitspflicht und erfolgt grundsätzlich während der Arbeitszeit.

Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sind Betriebsratsmitglieder, die nicht nach § 38 BetrVG vollständig oder teilweise von ihrer Arbeitspflicht freigestellt sind, von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Wesentliche Voraussetzungen für die Arbeitsbefreiung sind danach

  • die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben und
  • die Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgabe.

Beispiele

Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehören z. B.

  • die Teilnahme an Betriebsratssitzungen, Betriebsversammlungen, Einigungsstellenverfahren und Gerichtsverhandlungen, in denen der Betriebsrat Beteiligter ist,
  • die Wahrnehmung von Betriebsratssprechstunden,
  • die Vorbereitung von Monatsgesprächen oder
  • die Anfertigung von Protokollen, Niederschriften und Sitzungsunterlagen.

Nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehören dagegen bspw.

  • die Vertretung von Arbeitnehmern in deren Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht (vgl. BAG, Beschl. v. 18.1.2005 – 3 ABR 21/04, AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung),
  • die Teilnahme als Beobachter an einer Arbeitsgerichtsverhandlung eines Arbeitnehmers (BAG, Urt. v. 19.5.1983 – 6 AZR 290/81, AP Nr. 44 zu § 37 BetrVG 1972),
  • die individuelle Rechtsberatung von Arbeitnehmern, z. B. in sozialversicherungs- oder steuerrechtlichen Fragen (vgl. BAG, Beschl. v. 4.6.2003 – 7 ABR 42/02, AP Nr. 136 zu § 37 BetrVG 1972),
  • die Teilnahme an rein gewerkschaftlichen Veranstaltungen ohne betriebsverfassungsrechtlichen Bezug (BAG, Urt. v. 21.6.2006 – 7 AZR 418/05, AuA 2/07, S. 120),
  • die Ausübung von Ehrenämtern, z. B. als ehrenamtlicher Richter, oder
  • die Durchführung der Betriebsratswahlen mit Ausnahme der Bestellung des Wahlvorstands.

Bei der Frage, ob die Arbeitsbefreiung erforderlich ist, steht dem Betriebsratsmitglied ein Beurteilungsspielraum zu. Maßgeblich ist, dass es die Arbeitsversäumnis bei gewissenhafter Überlegung und vernünftiger Würdigung aller Umstände für erforderlich halten durfte, um den Aufgaben gerecht zu werden (BAG, Urt. v. 6.8.1981 – 6 AZR 1086/79, AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972). In welchem zeitlichen Umfang eine Arbeitsbefreiung erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls (Art, Größe des Betriebs, Umfang der konkreten Betriebsratsaufgaben), der Stellung des Mitglieds und dessen Aufgaben im Betriebsrat ab.

Meldepflichten

Die Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers; jedoch ist sie mit Ab- und Anmeldepflichten verbunden. Zur Sicherstellung eines reibungslosen Betriebsablaufs hat sich das Betriebsratsmitglied bei Verlassen des Arbeitsplatzes beim Vorgesetzten abzumelden und Angaben über

  • den Ort und
  • die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit zu machen.

Wichtig

Ein Anspruch des Vorgesetzten auf Mitteilung, welche Tätigkeit das Betriebsratsmitglied durchzuführen beabsichtigt, besteht nicht.

Die bloße Orts- und Zeitangabe ist ausnahmsweise dann unzureichend, wenn das Unternehmen die Unabkömmlichkeit des Betriebsratsmitglieds wegen betrieblicher Notwendigkeit zu diesem Zeitpunkt geltend macht. In diesem Fall muss das Mitglied prüfen, ob es die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgabe aufschieben kann. Sollte dies nicht der Fall sein, hat es dem Arbeitgeber stichwortartig die Gründe für die Betriebsratstätigkeit mitzuteilen (vgl. BAG, Beschl. v. 13.5.1997 – 1 ABR 2/97, AP Nr. 119 zu § 37 BetrVG 1972).

Nach Beendigung der Betriebsratsarbeit muss sich das Mitglied wieder zurückmelden. Bei einer Verletzung dieser Meldepflichten kann es in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer abgemahnt werden (BAG, Urt. v. 15.7.1992 – 7 AZR 466/91, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Abmahnung).

Für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Betriebsratsmitglieds ist entscheidend, ob und inwieweit es während der Arbeitsbefreiung Betriebsratsaufgaben erledigt hat, deren Wahrnehmung es für erforderlich halten durfte. Bestehen aufgrund der konkreten betrieblichen Situation und des genannten Zeitaufwands erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung, kann der Arbeitgeber stichwortartige Angaben im Nachhinein verlangen. Solange dieser Pflicht nicht nachgekommen wird, kann das Unternehmen das Entgelt zurückhalten (BAG, Urt. v. 15.3.1995 – 7 AZR 737/94, AP Nr. 105 zu § 37 BetrVG 1972). Sofern keine erforderliche Betriebsratstätigkeit vorlag, besteht keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers, ggf. kann auch eine Abmahnung in Betracht kommen.

Reaktions- und Sanktionsmöglichkeiten

Bei einer Pflichtverletzung des Betriebsrats stehen dem Unternehmen verschiedene Reaktions- und Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, vgl. Übersicht. Welche infrage kommt, hängt – wie so oft – von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von wem gegen welche Pflicht in welcher Art und Weise verstoßen wurde. Nachfolgend werden die explizit im Betriebsverfassungsrecht geregelten Sanktionsmittel erläutert.

Übersicht

Reaktions- und Sanktionsmittel

  • schriftliche Rüge des Fehlverhaltens des Betriebsrats ohne Androhung betriebsverfassungsrechtlicher Konsequenzen (vgl. ArbG Berlin, Beschl. v. 10.1.2007 – 76 BV 16593/06)
  • ggf. betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung (Achtung: nach herrschender Meinung unzulässig, vgl. BAG, Urt. v. 5.12.1975 – 1 AZR 94/74, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße, a. A.: ArbG Berlin v. 10.1.2007, a.a.O.; vgl. zum Thema auch Stück, AuA 10/06, S. 586, 588)
  • gerichtliche Feststellung der Zu- bzw. Unzulässigkeit einer bestimmten Betätigung des Betriebsrats (vgl. BAG, Beschl. v. 17.3.2010 – 7 ABR 95/08)
  • ggf. gerichtlicher Antrag des Arbeitgebers auf Unterlassung (streitig)
  • gerichtlicher Antrag auf Auflösung des Betriebsrats, § 23 Abs. 1 BetrVG
  • gerichtlicher Antrag auf Ausschluss einzelner Mitglieder, § 23 Abs. 1 BetrVG
  • ggf. Schadensersatz, z. B. bei Verstoß gegen § 79 BetrVG
  • ggf. Antrag auf Strafverfolgung bei Verstoß gegen § 79 BetrVG

Auflösung des Betriebsrats und Ausschluss von Mitgliedern

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Gremiums wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen, vgl. dazu auch Bieszk/Maaß, AuA 8/07, S. 469 ff.

Wichtig

Es ist zwischen der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher und arbeitsvertraglicher Pflichten zu unterscheiden. Das pflichtwidrige Verhalten bei Ausübung von Betriebsratstätigkeit stellt regelmäßig keine Arbeitsvertragsverletzung dar und lässt sich daher grundsätzlich nicht mit einer Abmahnung oder mit einer Kündigung sanktionieren. Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn die Amtspflichtverletzung gleichzeitig eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt. In diesem Fall kann bei Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung zulässig sein, für die jedoch ein besonders strenger Prüfungsmaßstab gilt (BAG, Beschl. v. 16.10.1986 – 2 ABR 71/85, NZA 1987, S. 392).

Der Arbeitgeber kann nur solche Pflichtverletzungen rügen, die der Betriebsrat ihm gegenüber begangen hat, solche im Verhältnis der Betriebsratsmitglieder untereinander oder zur Belegschaft sind ausgenommen. In diesem Fall kann jedoch bspw. ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer einen entsprechenden Antrag stellen. Die Schwelle für grobe Pflichtverletzungen ist recht hoch gesetzt und ihre Sanktion wird Unternehmen durch die Rechtsprechung auch nicht leicht gemacht.

Beispiele

Als grobe Pflichtverletzungen eines einzelnen Betriebsratsmitglieds hat die Rechtsprechung z. B. angesehen:

  • wiederholte Schweigepflichtverletzung oder Schweigepflichtverletzung mit schwer wiegenden Folgen bei Preisgabe von ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichneten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen
  • Weitergabe von Gehaltslisten an außerbetriebliche Stellen, insbesondere an die Gewerkschaft (BAG, Beschl. v. 22.5.1959 – 1 ABR 2/59, AP Nr. 3 zu § 23 BetrVG)
  • Falschangabe eines freigestellten Betriebsratsmitglieds über den Zweck seiner Tätigkeit außerhalb des Betriebs (BAG, Beschl. v. 21.2.1978 – 1 ABR 54/76, AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972)
  • grobe Beschimpfung, Diffamierung, Verunglimpfung des Arbeitgebers (ArbG Marburg, Beschl. v. 28.5.1999 – 2 BV 3/99, NZA-RR 2001, S. 91)
  • Beteiligung an Arbeitskämpfen unter Ausnutzung des Betriebsratsamts, Aufruf zu wildem Streik
  • grundsätzliche Ablehnung der Zusammenarbeit durch die Mehrheit der anders organisierten Mitglieder (BAG, Beschl. v. 5.9.1967 – 1 ABR 1/67, AP Nr. 8 zu § 23 BetrVG)
  • Drohen mit der Einschaltung des Gewerbeaufsichtsamts wegen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz, um eigene Vorteile zu erlangen (ArbG München, Beschl. v. 25.9.2006 – 22 BV 219/06, AuA 1/07, S. 58)

Grobe Pflichtverletzungen des Betriebsrats als Organ stellen bspw. dar:

  • bewusster Abschluss von Betriebsvereinbarungen unter Verstoß gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG, insbesondere gegen den ausdrücklichen Willen einer Tarifpartei (BAG, Beschl. v. 20.8.1991 – 1 ABR 85/90, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt)
  • Unterlassen erforderlicher Betriebsratssitzungen
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gem. § 79 BetrVG
  • Verabschieden von Beschlüssen, die offensichtliche Verstöße gegen die Diskriminierungsverbote des § 75 BetrVG beinhalten
  • grundsätzliche Missachtung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit in Form der offenen Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit und Verhandlung (ArbG Krefeld, Beschl. v. 6.2.1995 – 4 BV 34/94, NZA 1995, S. 803)

Fazit

Bei der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber gelten auch für den Betriebsrat „Spielregeln“, die dieser einzuhalten hat. In der Betriebspraxis sollte der Grundsatz „Kooperation statt Konfrontation“ im Vordergrund stehen und im Normalfall nicht zu starr auf die Einhaltung der Rechte und Pflichten beharrt werden. Gelegentlich ist es jedoch gerade bei schweren Pflichtverletzungen unumgänglich, dem Betriebsrat „seine Grenzen“ aufzuzeigen. Hierfür stehen dem Unternehmen Instrumente zur Seite.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 5/10