ENTSCHEIDUNG

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Das BAG gewährte dem Kläger aufgrund einer konkludent (stillschweigend) geschlossenen arbeitsvertraglichen Abrede mit der Beklagten einen Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2010, dessen Höhe das Unternehmen nach billigem Ermessen zu bestimmen hat. Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis bereits am 19.11.2010 endete. Denn die Sonderzahlung hatte die Beklagte als zusätzliche Vergütung für die vom Kläger in 2010 geleistete Arbeit erbracht. Wird eine Zahlung geleistet, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG, Urt. v. 3.9.2014 – 5 AZR 1020/12).

Gleiches gilt, wenn die Höhe der Leistung nach der vom Arbeitgeber getroffenen Zweckbestimmung vom Betriebsergebnis abhängt (BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, AuA 4/13, S. 250). Ist die Sonderzahlung damit Arbeitsentgelt, kann sie nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31.12. dieses Kalenderjahres abhängig gemacht werden. Dies würde den Mitarbeiter unangemessen benachteiligen und wäre nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Der Kläger hatte aus der Bezeichnung der Leistung als „Sonderzahlung“ in den jeweiligen Abrechnungen, aufgrund ihrer dreimaligen vorbehaltlosen Auszahlung jeweils zum gleichen Zeitpunkt und ihrer unterschiedlichen Höhe auf ein verbindliches Angebot der Beklagten schließen dürfen, nachdem er in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung erhalten solle (§ 145 BGB).

Dieses Angebot hat er durch Entgegennahme der drei aufeinanderfolgenden Zahlungen konkludent angenommen (§ 151 BGB). Dabei hat der Kläger aus der unterschiedlichen Höhe der Sonderzahlung in den Jahren 2007 bis 2009 nicht schließen müssen, dass die Beklagte sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wolle. Denn es ist für eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung – wie sie nach Vortrag der Beklagten vorlag – gerade typisch, dass deren Höhe schwanken kann.

Nach dem BAG durfte der Kläger aus dem Verhalten der Beklagten aber nicht schließen, dass die Sonderzahlung 12.500 Euro brutto betragen würde. Dagegen sprach bereits, dass die Sonderzahlung nur in zwei der insgesamt drei aufeinanderfolgenden Jahre gleichbleibend diesen Betrag ausgemacht hatte. Daher durfte der Kläger das Verhalten der Beklagten nur so verstehen, dass diese jedes Jahr neu nach billigem Ermessen über die Höhe der Sonderzahlung entscheidet.

Zur abschließenden Bestimmung der Höhe der dem Kläger anteilig für den Zeitraum vom 1.1. bis 19.11.2010 zustehenden Sonderzahlung verwies das BAG die Sache an das LAG Sachsen-Anhalt zurück.

PRAXISTIPP

Vor dem Entstehen einer betrieblichen Übung schützt nur ein ausdrücklich erklärter und wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt, nicht aber die vorbehaltslose Gewährung von drei Sonderzahlungen zu gleichen Zeitpunkten, aber in unterschiedlicher Höhe.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 4 / 16 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

KONSEQUENZEN

Die Entscheidung belegt, wie risikobehaftet vorbehaltlose und ohne weitere Leistungsbestimmungen gewährte Sonderzahlungen sind:

›› Allein dem Umstand, dass eine Sonderzahlung jeweils zum Ende des Kalenderjahres fließt, lässt sich nicht entnehmen, dass mit ihr ausschließlich die Betriebstreue des Arbeitnehmers honoriert werden soll. Will der Arbeitgeber andere Ziele als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss dies deutlich aus der zu Grunde liegenden, ggf. konkludent getroffenen arbeitsvertraglichen Abrede hervorgehen (BAG v. 18.1.2012, a. a. O.).

›› Im Zusammenhang mit einer betrieblichen Übung gibt das BAG die Ansicht auf, nach der es bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweise fehlt und darin lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck kommt, in jedem Jahr neu „nach Gutdünken“ über die Zuwendung zu entscheiden (so Urt. v. 28.2.1996 – 10 AZR 516/95, NZA 1996, S. 758). Somit lässt sich das Entstehen einer betrieblichen Übung zukünftig auch nicht mehr dadurch vermeiden, dass man mehrmalige Zahlungen jeweils in unterschiedlicher Höhe leistet.

PROBLEMPUNKT

Der Kläger war bei der Arbeitgeberin vom 1.5.1992 bis zum 19.11.2010 als Bauleiter beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Neben seinem monatlichen Gehalt von 5.300 Euro brutto erhielt der Kläger jährlich zusammen mit dem Novembergehalt ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts ausgezahlt.

Zudem erhielt er mit der am 10. Januar ausgezahlten Vergütung für Dezember des vergangenen Jahres einen in den jeweiligen Abrechnungen als „Sonderzahlung“ ausgewiesenen Betrag, der sich im Jahr 2007 auf 10.000 Euro brutto und in den Jahren 2008 und 2009 auf jeweils 12.500 Euro brutto belief. Eine Leistungszweckbestimmung war nicht vorgenommen.

Im Verfahren berief sich die Beklagte aber auf das Betriebsergebnis. Der Kläger meinte, dass ihm auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung i. H. v. 12.500 Euro brutto zustehe. Die Beklagte verweigerte hingegen die Leistung einer Sonderzahlung. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.