BAG v. 16. Februar 2010, 3 AZR 118/08

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Foto von Adeolu Eletu

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin hatte seit 1992 ihren Betriebsrentnern ein jährliches Weihnachtsgeld von 250 Euro gezahlt. Auch die Klägerin hatte als ehemalige Arbeitnehmerin diese Zahlungen erhalten. Im Jahr 2002 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin schriftlich mit, dass sie diese freiwillige Leistung nur noch bis 2004 zahle. In den Abrechnungen der Jahr 2002 bis 2004 wurde das Weihnachtsgeld dementsprechend als “Versorgungsbezug freiwillige Zahlung” bezeichnet. Im Jahr 2005 erfolgte keine Zahlung mehr. Hiergegen wehrt sich die Klägerin, die weiterhin die Zahlung des Weihnachtsgeldes verlangt.

Die Entscheidung

Das BAG hat der Klägerin auch weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld zugesprochen.

Betriebliche Übung

Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass ein Anspruch auf das Weihnachtsgeld an die Rentner aufgrund betrieblicher Übung entstanden sei. Die betriebliche Übung sei als Rechtsgrundlage in der betrieblichen Altersversorgung anerkannt. Damit stehe der Klägerin ein vertraglicher Anspruch gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin zu.

Das BAG merkt an, dass die Änderung einer betrieblichen Übung gegenüber Betriebsrentnern nur eingeschränkt möglich sei, da – anders als im laufenden Anstellungsverhältnis – die Instrumentarien der Änderungskündigung oder der kollektivvertraglichen Abänderung gegenüber Betriebsrentnern nicht zur Verfügung stehen. Dies stehe allerdings der Annahme nicht entgegen, dass ein Anspruch auf Grundlage einer betrieblichen Übung entstanden sei. Das Entstehen eines Anspruchs sei unabhängig von der Frage, wie schwer dieser abzuändern oder zu beseitigen sei.

Fehlender Vorbehalt

Die Arbeitgeberin habe es schließlich selbst in der Hand, im Einzelfall Bedingungen, Änderungs- oder Widerrufsvorbehalte und insbesondere Freiwilligkeitsvorbehalte zu setzen. Ein Widerrufsrecht habe sich die Arbeitgeberin aber nicht vorbehalten, ebenso wenig sei ein Freiwilligkeitsvorbehalt hinreichend klar und deutlich erklärt worden. Daher könne die schriftliche Mitteilung an die Klägerin kein Widerruf sein. Auch sei weder durch diese schriftliche Mitteilung noch durch die Bezeichnung in der Abrechnung als “freiwillige Zahlung” ein Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt aufgenommen worden. Ein darin möglicherweise liegendes Angebot, die Leistung in eine freiwillige Zahlung abzuändern, habe die Klägerin nicht angenommen. Das Schweigen der Klägerin könne nicht als Zustimmung gewertet werden.

Keine gegenläufige betriebliche Übung

Im Übrigen liege auch keine gegenläufige betriebliche Übung vor. Nach bisheriger Rechtsprechung konnte ein Arbeitgeber durch die Erklärung, eine bisher vorbehaltlos gezahlte Leistung stehe fortan unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, den Inhalt der Leistungspflicht ändern, wenn der Arbeitnehmer über einen Zeitraum von drei Jahren nicht widerspricht. Das BAG legt dar, dass dies jedoch nicht für die betriebliche Altersversorgung gelte. Die gegenläufige betriebliche Übung gelte nur, wenn arbeitsvertragliche Pflichten ausgetauscht werden. Nur dann könne auch ein Widerspruch gegen eine Verschlechterung der Vertragsbedingungen erwartet werden. Das Versorgungsverhältnis sei jedoch durch eine einseitige Leistungspflicht des Arbeitgebers geprägt.

Im Übrigen wurde das Rechtsinstitut der gegenläufigen betrieblichen Übung vom BAG vor kurzem aufgegeben (BAG v. 18. März 2009, 10 AZR 281/08). Das Schweigen auf eine betriebliche Übung kann einem Schweigen im Fall einer Verschlechterung durch gegenläufige betriebliche Übung nicht gleichgestellt werden, weil sich die Arbeitsbedingungen nicht unmittelbar durch eine gegenläufige Erklärung ändern. Dem Schweigen eines Arbeitnehmers auf ein Angebot eines Arbeitgebers darf nicht ohne weiteres eine Erklärung beigemessen werden (§ 308 Nr. 5 BGB).

Die beklagte Arbeitgeberin konnte sich daher nicht auf eine gegenläufige betriebliche Übung berufen. Das BAG hat dabei ergänzend klargestellt, dass dies auch dann gelte, wenn der Anspruch vor In-Kraft-Treten des § 308 Nr. 5 BGB am 1. Januar 2002 begründet wurde.

Fazit

Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass auch gegenüber bereits ausgeschiedenen Betriebsrentnern eine betriebliche Übung entstehen kann, da – wie bereits früher vom BAG ausgeführt – auch das Ruhestandsverhältnis auf dem Arbeitsverhältnis beruht. Dies sollte man sich vor Augen führen, wenn der Beschluss gefasst werden soll, Betriebsrentnern mit einer zusätzlichen Leistung zu bedenken. Daraus kann unter Umständen ein Rechtsanspruch auf die gewährte Leistung erwachsen. Die zentrale Aussage der Entscheidung ist jedoch, dass eine betriebliche Übung auch im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung ohne einen entsprechenden Vorbehalt nicht widerrufen werden kann. Das führt im Extremfall zu einer “ewigen” Bindung des Arbeitgebers an seine Leistungsverpflichtung.

Es ist daher gerade gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern und Rentnern besondere Vorsicht geboten, um eine ungewollte Bindung an Verpflichtungen zu vermeiden. Entsprechende Leistungen – egal ob in der betrieblichen Altersversorgung oder im sonstigen Arbeitsrecht – sollten regelmäßig mit einer klaren und unmissverständlichen Widerrufsklausel oder einem entsprechenden Freiwilligkeitsvorbehalt erfolgen.

Weitere Informationen: www.hoganlovells.com