Entscheidung


Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Argumentation der Vorinstanz konnte das BAG nicht folgen. Eine mittelbare Diskriminierung ist danach aus der unterdurchschnittlichen Anzahl an Vollzeitbeschäftigten bei Ehefrauen mit minderjährigen Kindern nicht ableitbar. Die Gründe für diese statistische Tatsache sind laut BAG zu vielfältig, um daraus eine mittelbare Diskriminierung zu konstruieren. 

Die Zurückverweisung an das LAG erfolgte gleichwohl, da sich aus den Notizen des Arbeitgebers selbst eine unmittelbare Benachteiligung ergeben könnte. Die Notizen sind insoweit auslegungsfähig. Dieses zu prüfen, bleibt dem Tatsachengericht vorbehalten.

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Foto von Alejandro Escamilla


Konsequenzen


Zur Frage der Diskriminierung wegen des Geschlechts liegen inzwischen zahlreiche höchstrichterliche 
Entscheidungen vor. Dies betrifft sowohl die Auslegung der mittelbaren wie auch der unmittelbaren Benachteiligung. Danach muss es verwundern, dass das LAG Hamm vorliegend umständlich auf eine mittelbare Diskriminierung abgestellt hat. 

Eine unmittelbare Diskriminierung durch den tatrichterlich festgestellten Vermerk des Unternehmens liegt auf der Hand. Unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung des § 22 Abs. 1 AGG sind damit Indizien bewiesen, die unmittelbar auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts schließen lassen. 

Der Radiosender hat durch die Hervorhebung der familiären Situation in Verbindung mit der Stellenabsage eine Wertung zum Ausdruck gebracht, die direkt gegen die geschlechtsbezogene Stellung als Mutter eines schulpflichtigen Kindes gerichtet ist. Eine Auslegung dieser Wertung als geschlechtsneutral, weil nicht explizit von der Frau als betreuungsbelastet gesprochen ist, dürfte lebensfremd sein und scheidet daher aus. Dies gilt jedenfalls solange, bis die gesellschaftliche Zuweisung der Betreuung minderjähriger Kinder nicht mehr gegenüber der Mutter erfolgt. 

Folglich obliegt dem Unternehmen der Entlastungsbeweis dafür, die Absage nicht aufgrund der indizierten Benachteiligung ausgesprochen zu haben. Dies könnte im vorliegenden Fall dadurch erfolgen, dass die tatsächlich vorgenommene Einstellung erkennbar rein qualifikatorischen Gesichtspunkten gefolgt ist.

PRAXISTIPP

Arbeitgeber dürfen bei ihren Handlungen nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 1 AGG verstoßen. Nur im gesetzlich vorgegebenen Rahmen kann eine Benachteiligung ausnahmsweise gerechtfertigt sein, etwa durch die Art der auszuübenden Tätigkeit. Geschlechtsbezogen ist der Anwendungsbereich für solche Ausnahmen daher sehr übersichtlich, zumal die weit überwiegende Anzahl von Tätigkeiten von beiden Geschlechtern ausgeführt werden kann. In der Praxis besteht insbesondere bei Stellenbesetzungsverfahren die Gefahr von Entschädigungsansprüchen abgelehnter Bewerber. Dies gilt für geschlechtsspezifische Benachteiligungen wie für Benachteiligungen aufgrund der weiteren geschützten Merkmale des § 1 AGG. 

Die Beweiserleichterung für Arbeitnehmer ist hierbei von großer praktischer Bedeutung. Arbeitgeber dürfen gar nicht erst den Anschein erwecken, dass eine Absage an Diskriminierungsmerkmale  anknüpft. Alle objektiven Merkmale einer Benachteiligungshandlung sind zu vermeiden. Andernfalls bringt das Unternehmen sich selber in die missliche Lage, den Beweis dafür führen zu müssen, gerade nicht diskriminierend gehandelt zu haben.


Foto: Jörg Trampert | pixelio.de
Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 5 / 2015 - www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

Problempunkt


Nach dem AGG können Beschäftigte aufgrund einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG eine Entschädigung verlangen. Eine solche Entschädigung in Geld kann wegen eines immateriellen Schadens nach § 15 Abs. 2 AGG bis zu drei Bruttomonatsgehälter betragen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG ist davon unbenommen. Anspruchsberechtigt können auch abgelehnte Stellenbewerber sein. 

Der Arbeitnehmer muss dafür das Vorliegen einer entsprechenden Benachteiligung beweisen. Ihm kommt jedoch eine Beweiserleichterung zugute: Die Beweislast ist nach § 22 AGG insoweit abgestuft, als er lediglich Indizien beibringen muss, die auf eine Benachteiligung schließen lassen. Gelingt dies, muss der Arbeitgeber sich entlasten. 

Im entschiedenen Fall war das Vorliegen einer solchen Benachteiligung streitig. Die Klägerin sah sich wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Ein lokaler Radiosender suchte eine Buchhaltungskraft mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung in Vollzeit. Die Klägerin bewarb sich um die Stelle und erhielt eine Absage. In der Bewerbung hatte sie unter Beifügung ihres Lebenslaufs auf ihre abgeschlossenen Ausbildungen zur Bürokauffrau und zur Verwaltungsfachfrau hingewiesen. Außerdem wurde der Familienstand mit „verheiratet, ein Kind“ angegeben. Auf dem mit der Absage zurückgesandten Lebenslauf befand sich hinter dem Familienstand die von der Beklagten stammende Angabe „7 Jahre alt!“. Dazu waren die Angabe sowie der Familienstand „ein Kind“ unterstrichen. 

Darin erkannte die Bewerberin ein Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Aus den Notizen des Unternehmens folge, dass dieses eine Vereinbarkeit einer Vollzeittätigkeit mit der Betreuung eines siebenjährigen Kindes für nicht vereinbar halte. Die Klägerin begehrte daher eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. 

Der Radiosender lehnte dies ab und verwies darauf, dass er eine junge verheiratete Frau eingestellt habe, die über eine höhere Qualifikation verfüge. In der Berufungsinstanz wurde der Bewerberin eine Entschädigung zugesprochen. Das LAG Hamm erkannte eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Dies folge daraus, dass der statistische Anteil an Ehefrauen mit schulpflichtigen Kindern an der Gesamtzahl der Vollzeitbeschäftigten laut Mikrozensus deutlich unterdurchschnittlich sei.