Auf den ersten Blick spricht auf der Website des Professional Transfer Center (Professional TC) alles für eine herkömmliche Online-Jobbörse: Fachkräfte können Projekte und Ausschreibungen suchen und ihr Skill- und Kompetenzprofil hinterlegen. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, den Pool der Professionals nach passenden Kandidaten zu durchforsten oder Stellen auszuschreiben.

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Foto von Headway

„Wir sind keine Jobbörse“, sagt jedoch Torsten Krug, Geschäftsführer von SWAB und noch bis April dieses Jahres Personalleiter der E.ON Energie AG. „Das Professional TC basiert auf der Idee, dass sich Personalabteilungen melden, wenn ihre Mitarbeiter nicht ausgelastet sind.“ Oder die Mitarbeiter könnten dies selbst tun. Jedenfalls solle die Plattform den Kontakt zu Unternehmen herstellen, die freie Kapazitäten für einen begrenzten Zeitraum gebrauchen können. Sobald sich die Lage beim eigentlichen Arbeitgeber ändere, sei eine Rückkehr des Mitarbeiters denkbar. Eine Idee, die auch als Inhouselösung funktioniere: „Oft hat eine Abteilung mehr Arbeit als eine andere, aber es fehlt der unternehmensweite Überblick. Den können sich Unternehmen mithilfe unserer Plattform verschaffen, die dabei gewissermaßen als interne Projektbörse funktioniert.“

Damit erhielten auch Bereichs- oder Projektleiter erstmals die Möglichkeit, ihren temporären HR-Bedarf in Spitzenzeiten über ein zentrales Tool selbst zu rekrutieren. Der Vorteil: Es entfallen aufwendige Ausschreibungsprozesse und somit lange Beschaffungszeiten für die Unternehmen.

 

Torsten Krug: „Das Professional TC basiert auf der Idee, dass sich Personalabteilungen melden, wenn ihre Mitarbeiter nicht ausgelastet sind.“

Was zunächst eher wie ein Kriseninstrument daherkommt, ist langfristig gedacht: Bereits 2007 ermittelte die Unternehmensberatung Hays in der Studie „Flexible Arbeitsverhältnisse“, dass in Deutschland jedes dritte Unternehmen mehr als zehn Prozent flexible Personalressourcen einsetzt. Das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) geht aktuellen Untersuchungen zufolge noch einen Schritt weiter: In den nächsten fünf Jahren könnten bis zu zwanzig Prozent der Festanstellungen in Unternehmen verschwinden. Viele Betriebe sind demnach gezwungen, sogenannte Randbelegschaften aus temporär Beschäftigten auszubauen.

 

Mit der Krise könnte sich diese Entwicklung gleichwohl beschleunigen. Die Befragung „Personalpolitik in Krisensituationen“ des IBE ergab im Juni 2009, dass Unternehmen im Zuge der Rezession zunehmend ihre Stammbelegschaften verkleinern. „Arbeit für Fachkräfte ist dennoch da, aber halt nicht unbedingt für Festangestellte“, meint Personalleiter Krug. Deshalb sei zu erwarten, dass auch zunehmend Hochqualifizierte – etwa aus den Bereichen Marketing und Controlling – auf Projektbasis zeitlich befristet arbeiten müssten. Bisher greift jedoch offenbar vielfach noch das Instrument der Kurzarbeit. „Der Leidensdruck ist noch nicht so groß“, kommentiert Krug.


Aufklärungsarbeit vonnöten

So ist für das Professional TC aller Anfang schwer. Die Plattform, die vor drei Monaten an den Start ging, ist noch weitgehend unbekannt, die Idee des Mitarbeitertauschs zwischen Unternehmen vermutlich vielen Personalern suspekt. „Bisher melden die Unternehmen uns noch kaum, dass sie freie Kapazitäten im Unternehmen haben“, erzählt Krug. „Sie fragen hauptsächlich nach temporären Spezialisten für eine Projektunterstützung.“

 

25 Fachkräfte hätten zwar schon über das Portal einen neuen Job gefunden – vor allem im HR- und IT-Bereich. Doch die Mitarbeiter seien nicht wieder in ihre alten Unternehmen zurückgegangen. Da sei Aufklärungsarbeit gefragt, denn bisher hätten Unternehmen kaum in solchen Kategorien gedacht.

Unsicherheiten bestünden vor allem in punkto Arbeitsrecht. Doch das sei meistens recht leicht zu lösen. Am einfachsten ließe sich der Mitarbeitertausch regeln, indem ein Unternehmen dem Mitarbeiter kündigt und ihm eine Wiedereinstellungszusage für einen späteren Zeitpunkt gibt.

 

Eine andere Lösung kann laut Krug so aussehen, dass der Arbeitsvertrag mit dem alten Arbeitgeber ruht und das Unternehmen den Mitarbeiter entleiht. Diese Möglichkeit haben insbesondere große Unternehmen mit einer internen Service-Gesellschaft, die auch Arbeitnehmerüberlassung betreibt – und im Moment nutzen hauptsächlich DAX-Unternehmen das Portal, da es aus der „Initiative HR 2.0 der DAX & Blue Chip Unternehmen“ entstanden ist. Auf Dauer mache das aber keinen Sinn, sich nur in diesem Kreis auszutauschen, so Krug, denn es gebe immer eine Ungleichverteilung in den verschiedenen Branchen und zwar über Unternehmensgrößen hinweg. Wenn es etwa in der Automobilindustrie nicht so gut laufe, sollte ein Automobilingenieur auch zu einem mittelständischen Unternehmen, beispielsweise für Maschinenbau oder neue Energien, wechseln können.

 

„Rechtlich gibt es derzeit bei kleinen Unternehmen aber noch Schwachstellen“, so Krug. Eine Variante beim Mitarbeitertausch könnte dem Geschäftsführer von SWAB zufolge so aussehen: Der Mitarbeiter erhält weiterhin eine Grundversorgung von seinem Arbeitgeber und das Unternehmen, das ihn zeitlich befristet beschäftigt, übernimmt den Differenzbetrag – über einen Honorar- oder Beratervertrag..

 

Eine passende Herangehensweise kristallisiert sich derzeit in Nordrhein-Westfalen heraus: Dort haben Unternehmerverbände einen Krisentarifvertrag, der insgesamt 300 Unternehmen umfasst, mit der der IG Metall abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag beinhaltet unter anderem den Mitarbeitertransfer zwischen Unternehmen, ohne dass bestehende Arbeitsverträge geändert werden müssen. „Dies könnte ein Pilot mit starker Ausstrahlungskraft werden“, meint der Geschäftsführer von SWAB.


Organisation im Aufbau

 

Um die rechtlichen Möglichkeiten besser einschätzen zu können, möchte die Stiftung gerade für KMU spezielle Beratungsleistungen anbieten. In Arbeitsgruppen mit mehreren Unternehmen entwickelt SWAB dafür Best-Practice-Beispiele – unabhängig vom Projekt Professional Transfer Center. Neben diesem Beispiel seien auch andere Themen in Arbeit. Da sich kleinere Unternehmen oft Beratungsleistungen aus Budgetgründen nicht einkaufen könnten, suche man Kooperationspartner, die zu Sonderkonditionen Mitglieder der Stiftung beraten. Konkret sei bereits eine Beratungsleistung zum Thema Outplacement vorgesehen. Krug kann sich auch noch weitere Beratungsfelder für KMU vorstellen.

Die Stiftung, die in der Rechtsform einer GmbH geführt wird, soll dabei gewinnorientiert arbeiten. Überschüsse schüttet sie nicht aus, sondern reinvestiert sie. Es gibt keinen Stifter und damit kein Stiftungsvermögen. Das Professional TC ist dabei nur ein Projekt, das sich irgendwann selbst finanzieren soll.

 

Für Februar 2010 plant SWAB, ihr Produktportfolio zu erweitern: Das Azubi Transfer Center (Azubi TC) soll dann online gehen – ein Tool, das in Kooperation mit der Agentur für Arbeit entsteht. „Wir möchten Menschen schon relativ früh mit dem Gedanken der Mobilität vertraut machen“, so Krug. Seinen Beobachtungen zufolge bilden große Unternehmen oft aufgrund von bestehenden Tarifverträgen über Bedarf aus. „Schon während einer befristeten Übernahme können manche Unternehmen ihre Azubis nicht voll auslasten“, hat der Stiftungsgründer Krug beobachtet. Gleichzeitig hätten viele Mittelständler Bedarf, könnten sich aber eine eigene Berufsausbildung nicht leisten. Auch auf diesem Gebiet möchte deshalb die SWAB den Austausch und den Transfer anregen.


Mobilität versus Beschäftigungslosigkeit

 

Bleibt die Frage, ob die Beschäftigten zu so viel Flexibilität überhaupt bereit sind. Schließlich müssten sie beim Mitarbeitertausch im Sinne von SWAB eventuell auch kurzfristig die Stadt wechseln. „Viele sind sicher noch nicht so weit“, glaubt der Geschäftsführer von SWAB. Aber als Psychologe gehe er nach dem Motto „Struktur geht vor Psyche“ an die Sache heran. Es reiche nicht, zu proklamieren: „Wir müssen mobiler werden!“ Unternehmen sollten entsprechend agieren.

 

Außerdem stehe der deutschen Wirtschaft ein großer Strukturwandel bevor. „In allen Branchen – nicht nur in der Automobilindustrie – wird den Arbeitnehmern gar nichts mehr anderes übrig bleiben, als flexibler und mobiler zu werden, wenn sie nicht große finanzielle Einbußen in Kauf nehmen möchten. Der Markt wird sich einfach verändern“, prophezeit Krug. „Wir möchten ein Baustein in dem großen Puzzle aus neuen Beschäftigungsmodellen sein. Wenn uns das gelingt, dann sind wir zufrieden.“

 

Weitere Informationen:

www.professional-tc.de

www.swab-deutschland.de

www.personal-messe.de