Das BAG schloss sich dem LAG an und bestätigte die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung. Der Beklagten war es nicht zuzumuten, die ordentlich unkündbare Klägerin bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist – hier zwölf Monate zum Quartal – weiterzubeschäftigen (vgl. BAG, Urt. v. 18.9.2008 – 2 AZR 827/06, NZA-RR 2009, S. 393). Verstößt ein Arbeitnehmer vorsätzlich gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, stellt dieses Verhalten an sich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar (BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 39/05, NZA 2006, S. 484). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch.

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Angesichts der erheblichen Abweichungen zwischen den angegebenen Arbeitszeiten und dem tatsächlichen Betreten des Dienstgebäudes konnte es sich bei den Falschangaben auch nicht nur um Fahrlässigkeit oder ein Versehen handeln. Die Klägerin machte vielmehr täglich und systematisch unrichtige Angaben, die selbst bei weitest möglichem Begriffsverständnis nicht zu erklären sind.

Eine Abmahnung ist in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entbehrlich, wenn nicht zu erwarten steht, dass der Betreffende daraufhin in Zukunft sein Verhalten ändert oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass es offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist, dass der Arbeitgeber sie hinnimmt. Das gilt auch für Störungen im sog. Vertrauensbereich (BAG, Urt. v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, AuA 3/11, S. 179 „Emmely“). Nach Ansicht des BAG war es hier offensichtlich – auch für die Klägerin –, dass die Beklagte das Fehlverhalten nicht hinnehmen würde. Schließlich hatte sie versucht, in beträchtlichem Umfang über die erbrachte Arbeitszeit zu täuschen. Die für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensgrundlage erschien angesichts dessen auch nach einer Abmahnung nicht mehr wiederherstellbar.

Wegen der Schwere des Verstoßes überwog das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu beenden, das Interesse der Klägerin, es fortzusetzen. Dabei berücksichtigte das Gericht durchaus ihr höheres Alter, 17 Jahre Betriebszugehörigkeit ohne Beanstandung und eine Unterhaltspflicht. Unbeachtlich war es für das BAG, ob sich eine Wiederholungsgefahr dadurch hätte ausschließen lassen, dass die Klägerin nicht mehr an der Gleitzeit teilnimmt.

Die Entscheidung zeigt zwei Punkte erfreulich deutlich:

› Bei bewusstem Arbeitszeitbetrug kennt die Rechtsprechung wenig Pardon. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der Arbeitgeber muss darauf vertrauen können, dass die Arbeitnehmer, die am Gleitzeitmodell teilnehmen, ihre Arbeitszeit korrekt dokumentieren.
› Wer dagegen verstößt, kann sich auch nach „Emmely“ nicht mit Erfolg darauf berufen, das verletzte Vertrauen sei mit einer Abmahnung wieder herstellbar oder man könne ihn doch einfach aus der Gleitzeit herausnehmen.

Die Mitarbeiterin war beim Arbeitgeber als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt und tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbar. Im Betrieb besteht eine Dienstvereinbarung über gleitende Arbeitszeit. Arbeitnehmer, die an der Gleitzeit teilnehmen, können zwischen 6 und 22 Uhr ihre Arbeitszeit selbst bestimmen. Dabei sind Beginn und Ende minutengenau zu dokumentieren. Dies geschieht durch Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem im PC am Arbeitsplatz. Nach Dienstvereinbarung § 12 Abs. 9 MDK-T beginnt und endet die Arbeitszeit „an der Arbeitsstelle“. Unter „Unregelmäßigkeiten und Missbrauch“ heißt es in der Dienstvereinbarung: „Jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation des Zeiterfassungsverfahrens stellt einen schwer wiegenden Verstoß gegen die mit dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen dar. Der Missbrauch hat grundsätzlich disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge.“

Der Arbeitgeber kündigte der Mitarbeiterin wegen Arbeitszeitbetrugs – zumindest wegen eines entsprechenden Verdachts – außerordentlich, weil sie an insgesamt sieben Arbeitstagen jeweils mindestens 13 Minuten, an einigen Tagen sogar mehr als 20 Minuten, insgesamt 135 Minuten, unzutreffend als Arbeitszeiten dokumentiert hatte. Die Klägerin machte dagegen geltend, die Arbeitszeit beginne bereits, wenn sie die Parkplatzeinfahrt durchfährt. Das Arbeitsgericht gab ihrer Klage statt, das LAG wies sie ab.

Insbesondere wiederholte und nicht unerhebliche Verstöße gegen die Arbeitszeiterfassung sollten Arbeitgeber mit einer fristlosen Tat-, hilfsweise fristlosen Verdachts-, hilfsweise ordentlichen Tat-, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung ahnden. Der Arbeitnehmer ist vor der Verdachtskündigung anzuhören und der Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen.