Neue Urlaubsrechtsprechung gilt nicht für tariflichen Mehrurlaub
Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BAG entfällt der Urlaubsanspruch eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers entgegen § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG zwar nicht schon am 31. März des Folgejahres. Das gilt aber grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für daüber hinausgehende Urlaubsansprüche können die Tarifvertragsparteien Abweichendes regeln. § 26 TVöD, wonach der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai des Folgejahres antreten muss, stellt eine solche abweichende Regelung dar.
BAG 22.05.2012 – 9 AZR 575/10

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Kein Anspruch gegen Erwerber bei Inkrafttreten eines Tarifvertrages nach Betriebsübergang
Tritt ein Tarifvertrag nicht mit seinem Abschluss, sondern erst einige Jahre später in Kraft, und kommt es in der Zwischenzeit zu einem Betriebsübergang, können die Arbeitnehmer nach Inkrafttreten des Tarifvertrages hieraus keine Ansprüche gegen den Erwerber herleiten. Die tariflichen Regelungen gehören in diesem Fall noch nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, die gemäß § 613a BGB auf den Erwerber übergehen. Auch eine Bezugnahmeklausel führt nicht dazu, dass der Erwerber die tariflichen Ansprüche erfüllen muss.
BAG 16.05.2012 – 4 AZR 320/10

Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts aus betrieblicher Übung
Bietet der Arbeitgeber vorbehaltlos über Jahre hinweg seien Arbeitnehmern, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, den Abschluss eines Versorgungsvertrages an, der unter anderem eine Versorgung nach beamtenähnlichen Grundsätzen vorsieht, ist er aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, allen anderen Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen auch erfüllen, den Abschluss eines inhaltsgleichen Vertrages anzubieten.
BAG 15.05.2012 – 3 AZR 128/11

Urlaubsgeld fällt nicht in die Insolvenzmasse
Urlaubsgeld fällt nicht in die Insolvenzmasse, soweit es den Rahmen des Üblichen in gleichartigen Unternehmen nicht übersteigt. Dies gilt auch dann, wenn das Urlaubsgeld in den vorgegebenen Grenzen eine erhebliche Höhe erreicht.
BGH 26.04.2012 – XI ZB 239/10

Anrechnung von Tarifentgelterhöhungen
Ob eine Tarifentgelterhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zugrundeliegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien darüber eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht vertraglich einen selbstständigen Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt hat. Da sich durch die Anrechnung einer Tarifentgelterhöhung auf eine Zulage – anders als durch den Widerruf einer Zulage – die Gesamtgegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung nicht verringert, ist dem Arbeitnehmer die mit einer Anrechnung verbundene Veränderung der Zulagenhöhe regelmäßig zumutbar. Auch ein darauf gerichteter ausdrücklicher Anrechnungsvorbehalt hielte einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.
BAG 19.04.2012 – 6 AZR 691/10

Abmahnungserfordernis und Anhörung bei einer Verdachtskündigung wegen Arbeitszeitbetrugs
Auch bei einem Arbeitszeitbetrug einer langjährig Beschäftigten bedarf es für eine Kündigung grundsätzlich zunächst einer Abmahnung. Die Einladung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung muss den Gegenstand des Gesprächs beinhalten und den Mitarbeiter in die Lage versetzen, eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
LAG Berlin-Brandenburg 30.03.2012 – 10 Sa 2272/11

Reinigungskräfte haben keinen Anspruch auf Lohn für arbeitsfreie Zwischenzeiten
Reinigungskräfte haben keinen Anspruch auf Vergütung der zwischen dem Ende der Reinigung eines Objektes und dem Beginn der Reinigung eines Folgeobjektes liegenden arbeitsfreien Zeit (sogenannte Zwischenzeit). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Auslegung des für allgemeinverbindlich erklärten Rahmentarifvertrages für das Gebäudereinigerhandwerk.
LAG Schleswig-Holstein 21.03.2012 – 3 Sa 440/11

Innerbetriebliche Stellenausschreibungen müssen keine Angaben zu einer etwaigen Befristung der Stelle enthalten
Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu der befristeten Einstellung eines Arbeitnehmers nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Arbeitgeber in der internen Stellenausschreibung nicht auf die Befristung hingewiesen habe. Die Angabe, ob eine Stelle befristet oder unbefristet besetzt werden soll, ist nicht notwendiger Bestandteil einer Ausschreibung. Es muss sich nur ergeben, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und welche Anforderungen der Bewerber erfüllen muss.
LAG Schleswig-Holstein 06.03.2012 – 2 TaBV 37/11

Schwangere dürfen bei kritischen Äußerungen über Kunden nicht gekündigt werden
Kritisiert eine schwangere Mitarbeiterin auf ihrem privaten Facebook-Account einen wichtigen Kunden ihres Arbeitgebers, rechtfertigt dies grundsätzlich keine Ausnahme von dem in § 9 Abs. 3 MuSchG normierten Kündigungsverbot. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um rein private Äußerungen handelt, die die Grenze der Schmähkritik nicht überschreiten. Insoweit gilt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung.
VGH Bayern 29.02.2012 – 12 C 12.264

Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Anordnung von Arbeit während festgelegter Pausenzeiten
Ordnet der Arbeitgeber an, dass Arbeitnehmer während der Pausenzeiten, die in einem unter Beteiligung des Betriebsrats abgeschlossenen Dienstplan festgelegt sind, zu arbeiten haben, kann der Betriebsrat nach §§ 23 Abs. 3 in Verbindung mit 87 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG vom Arbeitgeber verlangen, diese Anordnung künftig zu unterlassen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber duldet, dass Arbeitnehmer während der dienstplanmäßig festgelegten Pausenzeiten arbeiten.
BAG 07.02.2012 – 1 ABR 77/10

Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer befristeten Arbeitszeiterhöhung
Auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen sind die Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nicht anwendbar. Vielmehr erfolgt die gerichtliche Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Damit keine ungerechtfertigte Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegt, bedarf es aber zumindest bei der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit in einem erheblichen Umfang (hier: für drei Monate um 4/8) solcher Umstände, die auch bei einem gesonderten Vertrag über die Arbeitszeitaufstockung dessen Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG (Sachgrundbefristung) rechtfertigen würden.
BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10

Kündigungserklärungsfrist und Kündigungsschutz nach § 18 BEEG bei schwerbehinderten Menschen
Bedarf die ordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Menschen außer der Zustimmung des Integrationsamtes einer Zulässigerklärung nach § 18 BEEG und hat der Arbeitgeber diese vor dem Ablauf der Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX beantragt, kann die Kündigung noch nach Fristablauf wirksam ausgesprochen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich erklärt hat, nachdem die Zulässigerklärung nach § 18 BEEG vorliegt.
BAG 24.11.2011 – 2 AZR 429/10