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Einleitung zum angehängten Skript:
Vorbemerkung

Weit mehr als 80 % aller Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen enden durch Vergleich in der Güteverhandlung. Über die Hälfte aller Rechtsstreite betreffen Bestandsschutzverfahren, in denen der Arbeitnehmer geltend macht, sein Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung, den Ablauf der Befristung, die Anfechtung des Arbeitsvertrages und so weiter nicht beendet wurden.

Bei derartigen Verfahren ist streng danach zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer den allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz geniest und die Unwirksamkeit der Kündigung deshalb festgestellt werden soll, weil die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt ist (dazu sogleich II.), weil er die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen will (dazu unten III.) oder ob er das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses aus einem anderen Rechtsgrund behauptet (dazu unten IV.).


Im Zusammenhang mit Streitigkeiten wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen solche, die um die Zulässigkeit der Änderung von Arbeitsbedingungen aufgrund einer Änderungskündigung geführt werden (dazu unten V.).

Häufig werden Bestandsschutzklagen mit dem Antrag auf Weiterbeschäftigung (dazu unten VI.) oder, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet und der Arbeitnehmer weniger an einer Weiterbeschäftigung als an einer Abfindung interessiert ist in seltenen Fällen mit einem Auflösungsantrag (dazu unten VIII.) verbunden.

Vertraut der Arbeitnehmer nicht der Zahlungswilligkeit des Arbeitgebers und auf dessen ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses, wird er seine Bestandsschutzklage häufig auch mit einer Entgeldklage (dazu unten VIII.) verbinden.


Die wichtigsten Klagefristen sind:

  • § 4 KSchG für nahezu alle schriftlichen Kündigungen (§ 4 KSchG, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 23 Satz 2 KSchG): Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung. 
  • § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG: Für Kündigungen des Berufsausbildungsverhältnisses durch den Ausbilder bei Bestehen eines Ausschusses nach § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG: Innerhalb von zwei Wochen nach ergangenem Spruch des Ausschusses. 
  • § 17 Satz 1 TzBfrG: Drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages. 
  • §§ 21,17 Satz 1 TzBfrG: Drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des auflösebedingten Arbeitsvertrages.

 

Auch die prozessuale Geltendmachung der Beendigungsgründe kann Fristen unterliegen:

  • § 6 Satz 1 KSchG: Bei Kündigungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz betreffend innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachter Gründe für die klagende Partei (Präklusionsregelung). 
  • § 17 Satz 1 TzBfrG und §§ 21,17 Satz 1 TzBfrG: Bei Befristungs- und Bedingungsabreden bis Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz betreffend innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachter Gründe für die klagende Partei (Präklusionsregelung). 
  • § 61a Abs. 5, 67 ArbGG: Betreffend Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere für die beklagte Partei.  
  • Vorraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes

 

Die Vorraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem
Kündigungsschutzgesetz entnehmen Sie bitte dem Skript Arbeitsrecht. 
 

  • Darlegungs- und Beweislast
  • Gründlichkeit siegt

Jede Partei hat die tatbestandlichen Vorraussetzungen der ihr günstigen Normen darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Damit hat der Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat, zwar für deren Wirksamkeit die Darlegungs- und Beweispflicht. Zugleich stellt der gesetzliche Kündigungsschutz eine dem Arbeitnehmer günstigere Rechtsposition dar, für dessen Eingreifen ihm die Darlegungs- und Beweislast obliegt. Dies gilt sowohl für den persönlichen als auch für den betrieblichen Geltungsbereich einschließlich der Mindestbeschäftigtenzahl sowie gegebenenfalls für die Behauptung, am 31.12.2003 den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes genossen zu haben. 

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer, der eine Kündigungsschutzklage erhebt, den Beweis dafür erbringen, dass zwischen ihm und dem beklagten Arbeitgeber die sechsmonatige Wartezeit erfüllt ist, das heißt dass zwischen ihm und dem beklagten Arbeitgeber mehr als sechs Monate vor dem Zugang der angegriffenen Kündigung ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. 

Der Prozessbevollmächtigte der klagenden Partei muss seine Klagebegründung schlüssig vortragen, das heißt, das Gericht muss bei ausschließlicher Berücksichtigung der Klagebegründung der Klage stattgeben können. 

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruches ist dann schlüssig, wenn die klagende Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der klagenden Partei entstanden erscheinen zu lassen. Rechtfertigen die von der klagenden Partei vorgetragenen Tatsachen nicht den Klageanspruch, ist das Klagevorbringen unschlüssig und die Klage als unbegründet abzuweisen. Eines Beweisverfahrens bedarf es nicht. 

Unerheblich für die Schlüssigkeit ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Die klagende Partei darf auch Tatsachen vortragen, die sie nicht kennt und nicht kennen kann, z.B. den künftigen Schadensverlauf, innere Vorgänge, die Ursächlichkeit oder vermutete Tatsachen. Jedoch darf sie bei der Schilderung des tatsächlichen Vorganges nicht ihr bekannte Tatsachen verschweigen, weil sie ihr ungünstig sind (§ 138 Abs. 1 ZPO - Wahrheitspflicht -). Andererseits braucht sie Tatsachen, die einer Einwendung ausfüllen, nicht vorzutragen, sondern kann abwarten, bis die gegnerische Partei sich darauf beruft, muss sich dann aber wahrheitsgemäß erklären. 

Die darlegungspflichtige Partei kann negative Tatsachen häufig nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht substantiiert vorbringen. Wenn die Partei selbst den Sachverhalt von sich aus nicht ermitteln, während die Gegenseite die erforderlichen Informationen hat oder sich leicht beschaffen kann, darf sich der Gegner nicht mit einfachen Bestreiten begnügen, sondern muss im Einzelnen darlegen, dass die von ihm bestrittene Behauptung unrichtig ist. 

Widersprüche im Vorbringen verstoßen nicht ohne weiteres gegen die Wahrheitspflicht. Die Partei darf einander ausschließende Anspruchsgrundlagen durch entsprechenden Tatsachenvortrag geltend machen, insbesondere wenn sie ihr Hauptvorbringen nicht beweisen kann und sich deshalb hilfsweise das mit ihrem Hauptvorbringen unvereinbare Vorbringen der Gegenpartei zu eigen macht. 

Ist der Tatsachenvortrag zur ein und derselben Anspruchsgrundlage jedoch widersprüchlich, so wird er als unschlüssig behandelt. 

Ist das Klagevorbringen schlüssig, ist zu fragen, ob das Vorbringen der beklagten Partei zur Rechtsverteidigung den Klageanspruch zu Fall bringt (Erheblichkeitsprüfung). 

Die beklagte Partei kann die tatsächlichen Grundlagen des Klageanspruchs bestreiten, rechtshindernde, rechtsvernichtende, rechtshemmende und rechtsausschließende Einreden vorbringen. 

Die erklärungsbelastete Partei hat - soll ihr Vortrag beachtlich sein - auf die Behauptungen ihres Prozessgegners grundsätzlich substantiiert, das heißt mit näheren positiven Angaben, zu erwidern. 

Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Damit ist es einer Partei grundsätzlich verwehrt, eigene Handlungen und Wahrnehmungen mit Nichtwissen zu bestreiten. 

Nur ausnahmsweise kommt ein Bestreiten eigener Handlungen und Wahrnehmungen dann in Betracht, wenn die Partei nach der Lebenserfahrung glaubhaft macht, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können. Die bloße Behauptung, sich nicht zu erinnern, reicht indessen nicht aus. Ferner scheidet ein Bestreiten mit Nichtwissen aus, wenn eine Partei in ihrem eigenen Unternehmensbereich Erkundigungen einziehen kann. Die Parteien haben eine Informationspflicht, sich das Wissen über Geschehnisse im Bereich ihrer eigenen Wahrnehmungsmöglichkeit zu beschaffen, zum Beispiel der Unternehmer über geschäftliche Vorgänge und sonstiges Geschehen im Unternehmen, nicht aber der Arbeitnehmer über Handlungen und Entscheidungen des Betriebsrats. 

Tragen klagende- und beklagte Partei zu dem selben Klageanspruch unterschiedliche Tatsachen vor, die aber beide die Klage rechtfertigen, liegt ein sogenanntes gleichwertiges Parteivorbringen vor. Die Rechtssprechung verlangt insoweit regelmäßig, dass sich die klagende Partei das Vorbringen der beklagten Partei zumindest zu eigen. 

Faulheit verliert: Verbreitet ist die Unsitte, eigenen Vortrag zu ersetzen durch Beifügung der Kopien von Geschäftsunterlagen, Notizen und des vorgerichtlichen Schriftwechsels. Beigefügte Unterlagen sollten zumindest von dem vorliegenden Rechtsanwalt durchgesehen worden sein. Sie können schnell zur Munition für die Gegenseite werden. 

Eine Bezugnahme ist unzulässig, soweit es um den notwendigen Inhalt des bestimmenden Schriftsatzes geht. Die Klage muss unter anderem die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruches enthalten und unterschrieben sein. Gegenstand der Klage ist nur, was in der Klageschrift aufgenommen und durch die Unterschrift gedeckt ist. 

Für fristgebundene Schriftsätze ist eine Heilung ausgeschlossen (§ 295 Abs. 2 ZPO), weil die Fristeinhaltung im öffentlichen Interesse liegt. 

Im Anwaltsprozess wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet (§ 129 Abs. 1 ZPO). Im Parteiprozess kann das Gericht den Parteien aufgeben, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten (§§ 129 Abs. 2 ZPO,496 ZPO). 

Auch in diesen Fällen ist die in Bezugnahme häufig riskant und manchmal sogar unzulässig. Häufig findet man in ungeprüft überreichten Unterlagen streitentscheidende Munition.

Fotocredit: Rainer Sturm / PIXELIO