4 | Crowdworking/Crowdsourcing

person using laptop
Foto von John Schnobrich

Crowdsourcing (Neologismus aus engl. „crowd“ = die Menschenmasse und „outsourcing“ = Auslagerung) beschreibt die Strategie der Auslagerung einer traditionell von Beschäftigten erbrachten Leistung durch eine Organisation oder Privatperson via eines offenen Aufrufs an eine Masse von unbekannten und unabhängigen Akteuren, wobei das Unternehmen als „Crowdsourcer“ und/oder die Gruppe freiwilliger User als „Crowdworker“ frei verwertbare und direkte wirtschaftliche Vorteile erlangen. 

Crowdsourcing kann man folglich als digitales Outsourcing bezeichnen. Üblicherweise wird dabei ein Projekt in einzelne Teilaufgaben (sog. micro-tasks) aufgeteilt und über eine Online-Plattform ausgeschrieben. Man unterscheidet zwischen internem und externem Crowdsourcing. Während beim internen die Bearbeitung der micro-tasks durch festangestellte Mitarbeiter in Erfüllung ihrer Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis erfolgt, werden beim externen Crowdsourcing micro-tasks durch eine Gruppe freiwilliger User, meist durch Zwischenschaltung einer Vermittler-Plattform wie clickworker.com etc., bearbeitet. Zudem ist nach der Art der Zusammenarbeit zu differenzieren: einerseits die gemeinsame Erarbeitung einer Lösung als Team/Gruppe und demgegenüber die wettbewerbsorientierte Lösung, d.h. wer ist am schnellsten/besten?

Die Vorteile des Crowdsourcers sind vielfältig:

> Ausnutzung der „Schwarmintelligenz“,
> Minimierung des Risikos, „am Kunden vorbei zu produzieren“ sowie
> Erzielen qualitativ hochwertiger Ergebnisse ohne Einschaltung eigener
   Experten. Darüber hinaus ist Crowdsourcing
> ein flexibles und kostengünstiges Instrument, welches gleichzeitig
   aber schnelle und kreative Arbeitsergebnisse liefert.

Als Einsatzgebiete kommen vor allem die Unternehmensbereiche

>> Forschung & Entwicklung,
>> Produktion,
>> Buchhaltung,
>> Marketing, aber auch
>> IT oder die Rechtsabteilung in Betracht.

So findet Crowdsourcing derzeit bspw. in der Textproduktion (Verschlagwortung von Dokumenten, Suche nach bestimmten Textpassagen, Entwicklung von Slogans) oder dem Corporate Design (grafische Entwicklung eines Logos, Erstellen einer Broschüre, Aufsetzen einer Website) bereits Anwendung. Darüber hinaus wird es auch in Arbeitsprozessen wie der Softwareentwicklung (Beta-Testing, Entwicklung neuer Funktionen, Erstellen neuer Algorithmen) und der Validierung komplexer Arbeitsergebnisse (Suche nach bestimmter Rechtsprechung, Überprüfung von Berechnungen) in Unternehmen eingesetzt. Die (zukünftigen) Einsatzmöglichkeiten von Crowdsourcing gehen jedoch über die gerade beschriebenen Beispiele hinaus, insofern befinden sich viele Unternehmen bzgl. der Ausschöpfungsmöglichkeiten gerade erst am Anfang und noch in einer Findungsphase.

2 | Erhebliche Auswirkungen

Konkret bedeutet dies, dass Mensch, Maschine und Produkt kommunizieren und sich gegenseitig abstimmen – ähnlich einem sozialen Netzwerk. So kann bspw. Maschine X bei Maschine Y anfragen, ob diese noch freie Kapazitäten hat und eventuell bei der Produktion unterstützen kann, sofern Maschine X nicht mehr mit der Produktion nachkommt (z.B. weil kurzfristig neue Aufträge eingegangen sind). Auch kann Maschine X den Beschäftigten Z informieren, dass die Produktion langsamer erfolgt als ursprünglich gedacht und dieser nun manuell eingreifen soll. Gleiches gilt für Stör- und Ausfälle: Die Maschinen erkennen Funktionsstörungen und geben diese nicht nur an den Menschen weiter, sondern informieren auch andere Maschinen hierüber.

               “Keine pauschale Zukunftsprognose möglich aufgrund
                         ungewisser Entwicklungsdynamiken.”

Eine solche Kommunikation erfolgt via digitaler Schnittstellen und wird auf Bildschirmen visualisiert. Mithilfe von Tablets / Smartphones ist der Mensch auch außerhalb der Smart Factory in der Lage, sich über die Kommunikation und aktuelle Produktion zu informieren und kann ggf. adjustierend eingreifen. Wie dieses plastische Zukunftsszenario deutlich zeigt, wird die Digitalisierung zu erheblichen Veränderungen der Arbeitswelt führen. Wie sie genau aussehen, lässt sich aufgrund der ungewissen Entwicklungsdynamiken nicht pauschal und generell beantworten, vielmehr ist eine Differenzierung nach Beschäftigtengruppen und Industriezweigen erforderlich.

Zudem dürfte sich der alte (Alb-)traum einer menschenleeren Fabrik auf Basis neuer digitaler  Entwicklungen nicht realisieren. Arbeitnehmer in der Smart Factory von morgen verschwinden nicht, sondern übernehmen größtenteils eine andere Rolle. 

3 | Flexibilität als Ziel

Als weitere Konsequenz ist mit der fortschreitenden Digitalisierung auch ein Abbau einfacher, manueller Tätigkeiten zu rechnen. Dies betrifft jedoch nicht nur Angelernte und Facharbeiter in Betrieben, sondern auch Berufe wie Programmierer, Bankkaufmann, Steuerberater oder Versicherungsvertreter werden durch zunehmend intelligente Algorithmen teilweise ersetzt und obsolet.  

Praxistipp

Dies stellt im Unternehmen insbesondere das Recruiting
sowie die Personalentwicklung vor neue Herausforderungen:

> einerseits bisherige Beschäftigte durch Weiterbildungsmaßnahmen
   und Umschulungen für die Smart Factory zu qualifizieren,

> andererseits neue Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen,
   die die Anforderungen an digitales Arbeiten erfüllen.

Der Arbeitsplatz der Zukunft wird dabei maßgeblich vom Kriterium der Flexibilität gekennzeichnet sein. Dokumente, Dateien und Informationen müssen innerhalb kürzester Zeit auffindbar und verfügbar sein und das unabhängig von der genutzten Hardware, dem Aufenthaltsort und der Anzahl der Arbeitnehmer, wenn diese bspw. in virtuellen Teams (Stichwort Crowdworking) zusammenarbeiten. Die Digitalisierung bedingt damit auch neue Formen der (flexiblen) Arbeit.

8 | Fazit

Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet nicht nur viele Chancen für Arbeitgeber (und Arbeitnehmer), sondern ist auch mit (arbeitsrechtlichen) An- und Herausforderungen verbunden. Der Wandel wird sich zwar nicht in allen Branchen und Berufszweigen mit gleicher Rasanz und Intensität vollziehen, dennoch sind Unternehmen schon jetzt gefordert, bei der Strategieausrichtung und -planung neue Arbeitsformen und den immer dynamischeren digitalen Wandel in ihre Gesamtüberlegungen mit einzubeziehen, insbesondere, um im internationalen Wettbewerb standhalten zu können und für einen kommenden „War for talents“ gerüstet zu sein.

Eine Auseinandersetzung mit den arbeitsrechtlichen Implikationen von Arbeiten  4.0 ist dabei unumgänglich. Die Bundesregierung hat hierzu im April dieses Jahres ein „Grünbuch Arbeiten 4.0.“ veröffentlicht, welches bald in ein „Weißbuch 4.0“ mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Praxis überführt werden soll. Zwar sind viele Anforderungen noch nicht klar definiert und kommende Entwicklungen noch nicht vollständig vorauszusehen, ein Stillstand von Unternehmen, Führungskräften und Personalverantwortlichen bzgl. dieser Herausforderungen wäre jedoch fatal, denn die Digitalisierung lässt sich nicht mehr aufhalten oder umkehren.

WICHTIG

 

Über alle Beschäftigtengruppen und Industriezweige hinweg – jedoch mit unterschiedlicher Tiefe und Ausprägung – ist bereits jetzt abzusehen, dass der Mitarbeiter der Zukunft neue Qualifikationsanforderungen mitbringen muss, um der Arbeit in der Smart Factory gerecht zu werden. Komplexitäts-, Abstraktions- und Problemlösungskompetenzen stehen dabei im Vordergrund. Daneben gehören Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, hohe IT-Kompetenz, interdisziplinäres Denken/Handeln sowie Selbstorganisation zu den essenziellen Anforderungen. 

5 | Mindestlohn

Crowdsourcing stellt Arbeitgeber aber nicht nur vor organisatorische, sondern auch vor (arbeits-)rechtliche Herausforderungen. So stellt sich bspw. im Rahmen der Einführung eines flächendeckenden allgemeinen Mindestlohns durch das MiLoG bei internem Crowdsourcing die Frage, inwieweit das Gesetz Anwendung findet und umzusetzen ist, wenn Crowdworker nach abgeschlossenen microtTasks vergütet werden sollen. Denn das MiLoG stellt gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 auf die Stundenvergütung ab. Wie sich der Mindestlohn von Arbeitnehmern ohne Stundenvergütung – in unserem Fall Vergütung nach abgeschlossenen micro-tasks – berechnet, ist bis dato noch nicht abschließend geklärt. Eine Möglichkeit bestünde darin, einen vergleichbaren, auf Stundenbasis vergüteten Beschäftigten als Vergleichsmaßstab heranzuziehen und die Vergütung anderer Crowdworker daran auszurichten. Dies gestaltet sich jedoch als schwierig, weil sich die einzelnen Teilaufgaben aufgrund ihres oft geringen Umfangs kaum vergleichen lassen.

Praxistipp

Vorzugswürdig erscheint es, die tatsächlich für die Arbeitsleistung benötigte Arbeitszeit innerhalb eines bestimmten Referenzzeitraums zu erfassen und sie anhand des Mindestlohnstundensatzes zu vergüten.

6 | Mobiles Arbeiten und Scheinselbstständigkeit

Ferner ergeben sich bei internem Crowdsourcing besondere arbeitsrechtliche Anforderungen bei mobil-digitaler Arbeit, also wenn der Crowdworker seine Arbeitsleistung unabhängig von einem festen Arbeitsplatz unter Einsatz moderner Kommunikationsmedien, wie Tablets, Smartwatches
oder zukünftig Datenbrillen etc., erbringt. Hierbei muss man u.a.

> das Arbeitszeitrecht (Höchstarbeitszeit,
   Ruhepausen und Ruhezeiten) sowie
> das Arbeitsschutzrecht (Besondere Anforderungen
   an Bildschirmarbeitsplätze, Gefährdungsbeurteilung) beachten.

Hinsichtlich der Anwendung von Arbeitsrecht auf externe Crowdworker ist insbesondere das Problem der Scheinselbstständigkeit von großer Bedeutung. Zwar sind sie aufgrund des (noch) bestehenden Eingliederungsbegriffs und der lediglich fachlichen, jedoch nicht disziplinarisch/organisatorischen Weisungsgebundenheit derzeit als Selbstständige zu qualifizieren und damit keine Arbeitnehmer. Die Rechtsbeziehungen werden bis lang beim externen Crowdsourcing i d. R. über AGB geregelt, so dass vordringlich auf eine der AGB- Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB konforme Vertragsgestaltung zu achten ist.

WICHTIG

Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass der bisherige Eingliederungsbegriff im Rahmen der Digitalisierung angepasst wird Zukünftig könnten Merkmale wie „Einbindung in die unternehmensinterne IT-Infrastruktur/Zugriff auf und Bearbeitung von Inhalten in der Unternehmens-Cloud“ oder „Zusammenarbeit als digitales Kollektiv mit Arbeitnehmern des Crowdsourcers“ als Indizien für eine Eingliederung in den „digitalen Betrieb“ herangezogen werden, womit eine Arbeitnehmereigenschaft von externen Crowdworkern nicht generell zu verneinen wäre.

In diesem Zusammenhang ist dann auch darauf zu achten, dass das deutsche Arbeitsrecht – im Gegensatz zum anglo-amerikanischen – keine „zero-hour contracts“ (Abrufkontingent: 100 % der vereinbarten Arbeitszeit) zulässt, so dass eine vollständige Flexibilisierung der Arbeitszeit zumindest derzeit nicht möglich ist. Nach Ansicht des BAG (Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AuA 6/06, S. 366) liegt eine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, wenn der vom Unternehmen abrufbare flexible Anteil mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit beträgt.

7 | Betriebliche Mitbestimmung

Bei beiden Formen des Crowdsourcings spielen auch Beteiligungsrechte des Betriebsrats eine eminente Rolle. Während bei internem Crowdsourcing vordringlich die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG eingreifen – insbesondere Nr. 2 (Lage/Verteilung der täglichen Arbeitszeit und Pausen), Nr. 6 (Einstellung von Beschäftigtenprofilen in Skilldatenbanken, Kontrolle und Beurteilung der Leistungen durch technische Einrichtungen), Nr. 10/11 (Vergütungsfragen) sowie Nr. 13 (Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit), ist bei externem Crowdsourcing § 95 Abs. 1, 2 BetrVG hinsichtlich der Festlegung des Anteils externer Crowdworker einschlägig. 

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht |
Ausgabe 9 – 2015 | www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

Fotos (1 + 2):
Tim Reckmann | www.pixelio.de

1 | „Arbeiten 4.0“

Insbesondere die Themen Industrie 4.0 und als deren Ausfluss Arbeiten 4.0 werden aktuell von der Bundesregierung beworben und gefördert (www.arbeitenviernull.de) – bieten sie doch immense Chancen für Wirtschaft und Industrie. Jedoch geht dies einher mit besonderen Herausforderungen für die bisherige Arbeitswelt und ihren rechtlichen Rahmen.

Zwar gibt es IT und Computer bereits heute in der maschinellen Produktion, jedoch hat hierbei jede computergesteuerte Maschine ihr eigenes Programm, d.h. bei einem Umstellen der Produktion muss diese Maschine zunächst umprogrammiert und oft auch umgerüstet werden. In der Smart Factory mit ihren cyberphysischen Systemen gehören solche Brüche der Vergangenheit an, da alle Faktoren und Komponenten in ein gemeinsames Netzwerk integriert sind.