Nicht jeder Mangel eines Fahrtenbuchs führt zu dessen Verwerfung

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Foto von John Schnobrich

Der Bundesfinanzhof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung das Finanzamt grundsätzlich davon ausgehen darf, dass der Arbeitnehmer seinen Dienstwagen zumindest zum Teil privat nutzt. Diesen sogenannten “Anscheinsbeweis” für eine Privatnutzung kann der Arbeitnehmer dadurch entkräften oder erschüttern, dass er die ernsthafte Möglichkeit einer ausschließlich betrieblichen Nutzung des Dienstwagens darlegt (BFH, Beschluss vom 21.12.2006, VI B 20/06). Zwar vertritt der BFH die Auffassung, dass der Arbeitnehmer nicht nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen kann, dass er seinen Dienstwagen nicht für private Zwecke eingesetzt hat. Tatsächlich aber dürfte das Fahrtenbuch der einzige, praktisch zu erbringende Beleg für eine ausschließlich betriebliche Nutzung des Dienstwagens beziehungsweise für das tatsächliche Verhältnis zwischen betrieblicher und privater Nutzung sein.

Ordnungsgemäß ist ein Fahrtenbuch nach der Rechtsprechung des BFH nur, wenn …

  1. der Arbeitnehmer es zeitnah und in geschlossener Form führt.
  2. der Arbeitnehmer alle Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang einträgt. Besteht eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so kann er diese Abschnitte miteinander zu einem zusammenfassenden Eintrag verbinden. In diesem Fall genügt es, wenn der Arbeitnehmer den am Ende der gesamten Reise erreichten Kfz-Gesamtkilometerstand aufzeichnet. Er muss aber die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner in der zeitlichen Reihenfolge im Fahrtenbuch aufführen, in der er sie aufgesucht hat. Unterbricht der Arbeitnehmer den beruflichen Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung, so stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, den er durch den bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstand dokumentieren muss.
  3. die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sind.

Wird ein Fahrtenbuch wegen Mängel nicht als ordnungsgemäß anerkannt, gilt dies für das gesamte Jahr oder bis zu einem Fahrzeugwechsel.

In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH nun klarstellt, dass kleinere Mängel des Fahrtenbuchs unschädlich sind, wenn noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben ist und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich bleibt(BFH, Urteil vom 10.4.2008, VI R 38/06).

Der BFH kommt damit der Praxis entgegen. Denn es dürfte wohl kaum ein Fahrtenbuch geben, das gänzlich fehlerfrei ist. In Zukunft können Arbeitgeber und Lohnsteueraußenprüfer aber trefflich über die Frage streiten, was noch als “kleiner” Mangel durchgeht.

Mit seinem Urteil bestätigte der BFH das Urteil des Finanzgerichts Köln FG Köln vom 27.04.2006, 10 K 4600/04), wonach …

  1. ein Fahrtenbuch nur dann nicht ordnungsgemäß sei, wenn es mehrere ins Gewicht fallende Mängel aufweist.
  2. Abweichungen zwischen den Kilometerständen bei Inspektionen und den Kilometerständen laut Fahrtenbuch grundsätzlich unerheblich seien, da ungenaue Angaben über den Kilometerstand in Werkstattrechnungen keine Seltenheit seien. Ferner sei es nicht auszuschließen, dass Werkstätten als Tag der Annahme einfach den Tag der Rechnung eintragen. Das Fahrtenbuch sei daher nicht schon deshalb fehlerhaft, wenn die dortigen Einträge mit den Angaben in Werkstattrechnungen nicht übereinstimmen. Die fehlende Übereinstimmung habe lediglich indizielle Bedeutung. Um das Fahrtenbuch zu verwerfen, müssen weitere Mängel hinzukommen; das Hinzutreten der Nichtaufzeichnung einer einzigen Tankfahrt reiche dafür nicht aus.
  3. Abweichungen zwischen den eingetragenen Kilometern zur kürzesten Strecke laut Routenplaner nicht in jedem Fall eine sogenannte “Umwegfahrt” darstellen, die genauere Aufzeichnungen erforderlich machen. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, vor Antritt einer längeren Dienstreise die kürzestmögliche Strecke laut Routenplaner zu ermitteln und dann, wenn er eine andere Strecke fährt, jede Abweichung aufzuzeichnen. Sind die Strecken nahezu gleich lang, könne der Steuerpflichtige die seiner Meinung nach (zum Beispiel verkehrsmäßig) günstigste Strecke wählen. Erst bei erheblichen Abweichungen sei von einer Umwegfahrt auszugehen. Eine solche liege nicht bereits dann vor, wenn die gefahrene Strecke etwa 5 Prozent von der kürzestmöglichen Strecke abweicht.
  4. die Nichtaufzeichnung von fünf Fahrten für eine Verwerfung des Fahrtenbuchs ausreichend sei.

Arbeitskleidung für Arbeitnehmer und die steuerlichen Folgen

Bereits mit Urteil vom 22. Juni 2006, VI R 21/05 hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Arbeitnehmer Berufskleidung, die ihm der Arbeitgeber „zur Herstellung eines einheitlichen Erscheinungsbildes“ unentgeltlich oder vergünstigt zur Verfügung stellt, selbst dann nicht als geldwerten Vorteil versteuern muss, wenn die Arbeitskleidung aus „bürgerlichen Kleidungsstücken“ besteht. Es muss sich dabei also nicht um typische Berufskleidung wie zum Beispiel Arbeitsschutzkleidung oder Kleidung mit Werbeaufdruck des Arbeitgebers handeln. Voraussetzung für die lohnsteuerfreie Zuwendung von Arbeitskleidung ist, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers im Vordergrund steht. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn es sich um Gemeinschaftsausstattung zur Verbesserung des Erscheinungsbildes des Unternehmens handelt. Lohnsteuerpflichtig ist dagegen Individualbekleidung, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nach ihren speziellen Wünschen zur Verfügung stellt.

Jetzt hat der BFH mit Urteil vom 29. Mai 2008, V R 12/07 klargestellt, dass der Arbeitgeber, wenn er dem Arbeitnehmer verbilligt Arbeitskleidung überlässt, nur auf das von dem Arbeitnehmer erhobene Entgelt Umsatzsteuer abzuführen hat. Auch hier überließ der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zur Herstellung eines gleichmäßigen Erscheinungsbildes Berufskleidung. Um die Arbeitnehmer zum sorgsamen Umgang mit der Arbeitskleidung anzuhalten, beteiligte der Arbeitgeber seine Beschäftigten aber mit monatlich 40 Euro an den Gesamtkosten für das Leasing und die Reinigung. Die tatsächlichen Kosten waren wesentlich höher. Der Lohnsteueraußenprüfer vertrat die Auffassung, dass die Überlassung der Arbeitskleidung mit den tatsächlichen Gesamtkosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Der BFH entschied jedoch auch hier zugunsten des Steuerpflichtigen.


Die „Phantomlohnfalle“ bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen

Ob eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, gibt ausschließlich das Sozialversicherungsrecht vor. Dabei gilt grundsätzlich das Entstehungsprinzip: Alle Lohnansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, die auf einem Beschäftigungsverhältnis beruhen, gelten als Arbeitsentgelt. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitgeber den geschuldeten Lohn tatsächlich leistet, ob der Arbeitnehmer seinen Anspruch geltend macht oder auf den Lohn verzichtet (§ 14 SGB IV). Außerdem gelten alle tatsächlichen Lohnleistungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt. Es kommt nicht darauf an, ob insoweit ein Anspruch des Arbeitnehmers besteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 07.02.2002, B 12 KR 13/01 R).

Bis zum 31. Dezember 2002 galt auch der Anspruch auf einmalige Sonderleistungen als Arbeitsentgelt. Einmalige Arbeitsentgelte sind Bezüge, die dem Arbeitnehmer nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum zustehen (§ 23a SGB IV). Dazu zählen beispielsweise das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld. Einmalige Arbeitsentgelte sind nicht in dem Monat hinzuzurechnen, in dem der Arbeitnehmer die Auszahlung erhält oder in dem er die Zahlung beansprucht, sondern dieses Gehalt verteilt sich gleichmäßig auf die Zeiträume, in denen der Beschäftigte sie erarbeitet („verdient“) hat (Bundessozialgericht, Urteil vom 26.10.1982, 12 RK 8/81) – also grundsätzlich auf jeden Beschäftigungsmonat des Kalenderjahres.

Voraussetzung für die Annahme eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ist, dass das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung „regelmäßig“ 400 Euro im Monat nicht übersteigt (§ 8 SGB IV). Ein „regelmäßiges“ Überschreiten liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt über einen Zeitraum von zwei Monaten die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 29. Mai 2008, VI R 57/05 entschieden, dass selbst dann keine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn nur der geltende Manteltarifvertrag ein Urlaubsgeld vorsieht und bei dessen Hinzurechnung das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet. In dem vom BFH zu entscheidenden Fall zahlte der Arbeitgeber seinen Aushilfskräften nur das im Arbeitsvertrag vereinbarte monatliche Entgelt aus. Die Aushilfskräfte erhielten kein Urlaubsgeld und forderten es auch nicht ein. Erst der Lohnsteueraußenprüfer brachte den Tarifvertrag zu Tage. Die Folge: Das Unternehmen bekam eine Nachforderung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen in erheblicher Höhe für den gesamten Prüfungszeitraum.

Für Prüfungszeiträume ab dem 1. Januar 2003 hat der Gesetzgeber die sogenannte „Phantomlohnfalle“ entschärft. Von da an sind Sonderentgelte nur im Falle ihrer Auszahlung zum regelmäßigen Arbeitsentgelt hinzuzurechnen (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB IV). Zumindest insoweit hat das Sozialrecht also das „Zuflussprinzip“ aus dem Einkommensteuerrecht übernommen.

 


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