Kommunikationskomplexität reduzieren

person holding pencil and stick note beside table
Foto von Marten Bjork

Ein maßgeblicher Faktor für erfolgreiche Projekte ist die Qualität der Team-Kommunikation. Die Komplexität der Kommunikation im Team steigt mit der Anzahl der Teammitglieder.

Wo wir bei einem Dreierteam noch bei drei Interaktionsschritten stehen, befinden wir uns in einem siebenköpfigen Team schon bei einer Kommunikationskomplexität von 21 Interaktionsschritten. Da der Anstieg der Kommunikationskomplexität nicht linear ist, erhöhen beispielsweise drei weitere Teammitglieder in einem Siebener-Team die Kommunikationskomplexität auf mehr als das Doppelte. Meiner Erfahrung nach, liegt eine gute Teamgröße zwischen drei und sieben Personen. Beobachtungen meinerseits zeigen, dass Teams mit mehr als 12 Personen wieder in Subteams zerfallen und dadurch kein gemeinsamer Teamspirit zustande kommen kann.

Gute Vernetzung und Interaktionen 

Um eine gute Grundlage für agiles Arbeiten zu schaffen ist es wichtig, die Interaktion zwischen den Individuen zu fördern (Siehe agiles Manifest „Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge“). Dazu sind gute soziale Beziehungen zwischen den Mitarbeitern notwendig.

Dem britischen Psychologen Robin Dunbar zufolge, sind wir Menschen im Durchschnitt fähig maximal 150 soziale Kontakte zu verarbeiten, die wir noch als „Bekannte“ einstufen können. Allgemein bekannt als die „Dunbar Number“. Wird eine Organisationseinheit größer als 150, fällt es den Mitarbeitern schwerer die Kollegen zuzuordnen. Man weiß immer weniger über die Kollegen und trifft auf neue Gesichter zu denen man keinen persönlichen Draht hat. Aus den Erkenntnissen von Robin Dunbar kann man eine Organisationsstruktur ableiten, die auf gute Interaktionen ausgelegt ist.

 

Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme ermöglichen

Eine agile Organisation setzt auf Vertrauen und intrinsische Motivation. Über Mitbestimmung und Gestaltungsfreiraum wird Mitarbeitern selbstorganisiertes Arbeiten ermöglicht und die Grundlage für eine nachaltige Verantwortungsübernahme geschaffen. 

Nach Daniel Pink, dem Autor von „Drive“, gibt es drei wichtige Voraussetzungen für die Entstehung von intrinsischer Motivation:

  • Purpose (Sinnverständnis)
  • Mastery (Entwicklungsmöglichkeiten)
  • Autonomy (Selbstbestimmung)

Über das agile Manifest und deren 12 Prinzipien werden die Rahmenbedingungen für das Entstehen von intrinsicher Motivation geschaffen. Viele Unternehmen setzen schon sehr erfolgreich agile Methoden in komplexen Projekten ein. Agile Vorgehensweisen können wir als wirksames Werkzeug für komplexe Sachverhalte nutzen. Verschiedene Modelle, unter anderem das Cynefin-Modell oder die Stacy-Matrix, zeigen auf, dass bei komplexen Sachverhalten agilere Vorgehensweisen eher zum Erfolg führen als klassische Planungsmethoden (siehe agiles Manifest „Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans“).

Je mehr Unklarheit über das gewünschte Ergebnis und die Art und Weise der Umsetzung besteht, umso mehr bewegen wir uns in die Richtung von Komplexität. Nach dem Cynefin-Modell ist die richtige Vorgehensweise bei Komplexität „Ausprobieren-Erkennen-Reagieren“. Agile Vorgehensweisen orientieren sich an dem PDCA-Cycle, der in etwa dem von Dave Snowden empfohlenen Vorgehen aus dem Cynefin-Modell entspricht. Der PDCA-Cycle entspricht einem vierstufigen iterativen Verbesserungsprozess.

Das Zusammenstellen von guten Teams ist von so vielen unterschiedlichen Parametern abhängig, dass wir uns bei diesem Vorhaben schnell in einem sehr komplexen Umfeld bewegen. Daher bietet es sich auch hier an, agile Vorgehensweisen einzusetzen. Aus diesen Erkenntnissen heraus ist die „Self Selection“-Team-Building-Methode entstanden. Bei dieser Methode wird die Teamaufstellung nicht nur von einer Person (beispielsweise dem Abteilungsleiter), sondern von allen betroffenen Mitarbeitern zusammen festgelegt. Wichtig ist, dass im Vorfeld geklärt wird, welche Herausforderung (Challenge) gemeistert werden muss und wie die Strategie dafür aussieht. Dazu gehört beispielsweise ein Konzept, wie die Produkte oder Themenbereiche aufgeteilt werden (Produktschnitt).

Dabei ist es wichtig, dass der Schnitt möglichst „Vertikal“, mit langer End-To-End-Verantwortung, vollzogen wurde, um cross-funktionales/interdisziplinäres Arbeiten zu ermöglichen. Weiterhin sollte man die Themen so schneiden, dass möglichst wenig Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Themenbereichen existieren.

1. Potentiale entdecken (Vorbereitung)

Im ersten Schritt wird an einem Vorbereitungstag ein Potentialworkshop durchgeführt, der den Mitarbeitern helfen soll, ihre Stärken zu entdecken. Dabei wird von jedem Mitarbeiter eine sogenannte „SED-Card“ ausgefüllt. Auf dieser Karte notiert jeder Mitarbeiter selbst die Erkenntnisse aus dem Workshop über seine eigenen Stärken.

2. Potentiale ermöglichen (Team-Building)

Mit Hilfe der Erkenntnisse aus dem ersten Workshop wird ein zweiter Workshoptag zur Definition der finalen Teamstruktur durchgeführt. Die Challenge (Vision, Mission, Strategie) wird vorgestellt, um eine zweckoptimierte Aufstellung der Mitarbeiter in Teams zu ermöglichen. Optional können Product Owner die unterschiedlichen Themenbereiche, an denen die Teams arbeiten werden, vorstellen (Pitchen). Der Hauptteil dieses Tages besteht aus dem Team-Building-Prozess, der nach dem PDCA-Cycle-Prinzip durchgeführt wird. In drei Iterationen bestimmen die Teilnehmer für sich selbst, in welchem Team, in welcher Rolle und an welchem Thema sie in Zukunft arbeiten möchten.

3. Potentiale entfalten (Roll-out)

Der letzte Teil des Vorgehens besteht darin, die neuen Teams an den Start zu bekommen. Dazu gehört das Beziehen der gemeinsamen Teamräume genauso wie das Festlegen von wichtigen Umgangsregeln im Team.

Fazit

Eine Teambildung auf diese Art und Weise setzt einen guten Grundstein für agiles Arbeiten. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, mitzugestalten, wie sie selbst den besten Beitrag zur Vision des Unternehmens erbringen können. Sie haben eine leistungsfähige Teamstruktur für gute Zusammenarbeit erschaffen, die auf Praxiswissen und Erfahrung basiert. Die Beteiligten können sich durch die eigene aktive Teilnahme mit dem Ergebnis identifizieren und Verantwortung dafür übernehmen. Zusätzlich zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass sich die Mitarbeiterzufriedenheit danach deutlich verbessert hat.

Vor dieser Fragestellung stand ich Anfang 2016 im Kontext meines damaligen Arbeitgebers. Die Herausforderung bestand darin, neue Strukturen als gute Grundlage für agiles Arbeiten zu schaffen. Nach einer Klärung der Erwartungshaltung standen folgende wichtige Aspekte fest.

Welche Aspekte sind für ein gutes agiles Team wichtig? 

  • Sinnvolle Teamgröße und echte Teamarbeit
  • Optimaler Einsatz nach Interessen und Stärken
  • Cross-funktionale Zusammenarbeit
  • Alle notwendigen Fähigkeiten
  • Selbstverpflichtung und Verantwortungsübernahme
  • Selbstorganisation und unternehmerisches Handeln
  • Identifikation und Spaß an der Arbeit

Mit dem Fokus auf Maximierung von Kundenwert war es uns wichtig, die vorhandenen Potentiale in der Organisation zu entdecken und optimal zu nutzen. Dazu gehören nicht nur die Betrachtung der fachlichen Fähigkeiten, sondern auch die sozialen Fähigkeiten (Soft Skills).

Die richtige Mischung der Charaktereigenschaften

Eine gute Kombination aus unterschiedlichen Soft Skills ist eine wichtige Grundlage für ein gut funktionierendes Team. Bei der Betrachtung dieser beiden Aspekte findet man in existierenden Teams oft schon größeres Optimierungspotential.

Meiner Erfahrung nach, ist eine gesunde Mischung der Soft Skills mindestens genauso wichtig, wie das Vorhandensein der notwendigen Fachkompetenzen. Stellen Sie sich mal ein Team vor, das nur aus Perfektionisten besteht. Das könnte in einem speziellen Umfeld, in dem sehr hohe Qualitätsansprüche gelten, zwar sinnvoll sein, aber in den meisten Anwendungsfällen würde diese Konstellation dem ersten agilen Prinzip „Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software(-Produkte) zufrieden zu stellen.“ im Wege stehen.

Dass eine gute Mischung der sozialen Fähigkeiten in Teams wichtig ist, erkannte der britische Forscher Dr. Meredith Belbin schon im Jahre 1981. Mit dem Modell der neun Teamrollen beschreibt er die verschiedenen Charaktereigenschaften, die seiner Beobachtung nach zu einem ausgeprägten Teamspirit führen.