Bei der Vollstreckung in Lohnforderungen obliegt es in der Praxis dem Arbeitgeber, zu ermitteln, welche Entgeltbestandteile in welcher Höhe er an den Arbeitnehmer und welche er an den Gläubiger auszahlen muss. Jetzt ist klar: Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszulagen sind im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Wechselschicht-, Samstags- und Vorfeiertagszulagen dagegen pfändbar.

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Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 12/17, Seite 726ff.

 

Das BAG gab der Klägerin teilweise Recht und sah die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als unpfändbar an. Nach § 850a ZPO sind bestimmte Entgeltbestandteile absolut unpfändbar, darunter Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen (§ 850a Nr. 3 ZPO). Eine gesetzliche Definition der Begriffe Gefahrenzulage, Schmutz- und Erschwerniszulage gibt es nicht. Die Zulagen werden als Ausgleich für eine besondere, über das Normale hinausgehende Arbeitsleistung gezahlt, um eine Abgrenzung zum sonstigen Lohn zu ermöglichen. Nach dem Sinn und Zweck der Pfändungsschutzvorschriften geht es um eine Abwägung der Interessen des Gläubigers, seine titulierte Forderung auch tatsächlich durchsetzen zu können, mit dem Interesse des Schuldners an einer Sicherung seiner Existenzgrundlage. Das BAG stellt daher für die Frage, ob Zuschläge unter § 850a Nr. 3 ZPO fallen, auf die gesetzliche Wertung ab. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist Nachtarbeit ausgleichspflichtig. Der Gesetzgeber hat die Nachtarbeit also als besonders erschwerend bewertet. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen ihrerseits kraft Verfassung (Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV) unter besonderem Schutz. Nach § 9 Abs. 1 ArbZG besteht an diesen Tagen zudem ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot.

 

Umgekehrt fehlt es an einer entsprechenden gesetzgeberischen Wertung für Schicht-, Samstags und Vorfeiertagsarbeit. Der Gesetzgeber hat diese Fälle nicht als besonders erschwerend bewertet. Arbeitsrechtlich ist der Samstag ein normaler Werktag (vgl. § 3 Abs. 2 BUrlG), ebenso wie – was Vorfeiertagszuschläge betrifft – der 24. und 31.12. Im Hinblick auf Schicht- und Wechselschichtzulagen stellt sich die zusätzliche Problematik, dass kein zuverlässiges Abgrenzungskriterium besteht, in welchen Konstellationen es sich um zuschlagspflichtige Schichtarbeit handele. Nach Auffassung des BAG fallen diese Zulagen daher nicht unter § 850a Nr. 3 ZPO und bleiben pfändbar. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sind die dort genannten Bezüge unpfändbar, „soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen“. Für die Frage, in welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit als unpfändbar i. S. d. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, knüpft das BAG an die Regelung in § 3b EStG an. Diese legt konkret fest, inwieweit Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden, steuerfrei sind. Danach können für Nachtarbeit neben dem Grundlohn Zuschläge i. H. v. 25 % steuerfrei gewährt werden, für Sonntagsarbeit sind Zuschläge i. H. v. 50 % steuerfrei und für Feiertagsarbeit Zuschläge i. H. v. 125 %.

 

Die Entscheidung des BAG bringt Klarheit und knüpft für die Unterscheidung, inwieweit Zulagenunpfändbar sind, nachvollziehbar an die Wertungen des Gesetzgebers an. Danach ist es gerechtfertigt, Zuschläge für die zu diesen Zeiten geleistete Arbeit von der Pfändung auszunehmen und sie wie sonstige Erschwerniszulagen zu behandeln. Die Entscheidung steht auch im Einklang mit der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Zulagen. In gewissen Grenzen werden nämlich Zulagen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit weder der Steuer unterworfen (§ 3b EStG) noch in der Sozialversicherung verbeitragt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung). Konsequent knüpft daher das BAG auch für die Frage, in welcher Höhe die genannten Zuschläge unpfändbar sind, an die steuerrechtliche Regelung des § 3b EStG an. Die §§ 850 ff. ZPO schränken die Vollstreckung wegen Geldforderungen in Lohnforderungen ein. Im Falle der Lohnpfändung muss der Arbeitgeber den pfändbaren Teil des Entgeltes des Arbeitnehmers als Drittschuldner an den Gläubiger zahlen. Es obliegt dabei dem Arbeitgeber zu ermitteln, an wen (Arbeitnehmer oder Gläubigen) er welche Entgeltbestandteile in welcher Höhe auszahlen muss. § 850c ZPO sieht bestimmte Pfändungsfreigrenzen vor, also einen pfändungsfreien Grundbetrag, der dem Betroffenen abhängig von dessen Unterhaltspflichten, Einkommen und der Art der gegen ihn erhobenen Forderung verbleiben muss. Bei einem Einkommen von bspw. 2.700 Euro netto pro Monat ohne Unterhaltspflichten beträgt der pfändbare Betrag 1.096,34 Euro, dem Arbeitnehmer verbleiben also 1.603,66 Euro als pfändungsfreier Grundbetrag.

 

Nach § 850a ZPO sind bestimmte Bezüge des Mitarbeiters absolut unpfändbar. Zu diesen unpfändbaren Bezügen gehören die Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen (§ 850a Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind als Form der Erschwerniszuschläge unpfändbar. Dies liegt auch auf der Linie der Zivilgerichte. Bereits der BGH hatte in einem Beschluss vom 29.6.2016 (VII ZB 4/15) Nachtarbeitszuschläge als unpfändbar nach § 850a Nr. 3 ZPO bewertet. Anders ist die Lage bei Schichtzuschlägen: Das OVG Niedersachsen hatte mit Beschluss vom 17.9.2009 (5 ME 186/09) Wechselschichtzuschläge noch als unpfändbar angesehen. Nach der Entscheidung des BAG sind Wechselschichtzuschläge wie auch andere Schichtzuschläge dagegen pfändbar. Eine gesetzliche Wertung, die Wechselschicht als besondere Erschwernis ausweist, besteht nämlich nicht.

 

Die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens regelt § 850e ZPO. Danach sind die unpfändbaren Bezüge und die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge nicht mit zu rechnen. Der Arbeitgeber soll also vom Bruttolohn zunächst die Beträge abziehen, die nach § 850a ZPO nicht pfändbar sind. Anschließend sind Steuern und Sozialversicherungsabgaben in Abzug zu bringen. Das BAG hatte im Jahr 2013 bereits entschieden, dass für die Berechnung die sog. Nettomethode anzuwenden ist (BAG, Urt. v. 17.4.2013 – 10 AZR 59/12). Dadurch werden die unpfändbaren Beträge nicht zweimal steuer- und sozialversicherungsrechtlich berücksichtigt. Erhält ein Arbeitnehmer also z.B. 3.800 Euro brutto und darin enthalten 300 Euro brutto in Form von Nachtarbeits-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen, können die Abzüge auf zweierlei Weise berücksichtigt werden: Der Arbeitgeber berechnet die Sozialversicherungsbeiträge auf die vollen 3.800 Euro und zieht danach die unpfändbaren Beträge (300 Euro brutto) sowie die Steuern und sozialversicherungsrechtlichen Abgaben (hier: 1.476,07 Euro) ab (sog. Bruttolohnmethode). Es würde sich ein Nettolohn i. H. v. 2.023,93 Euro ergeben. Bei zwei Unterhaltspflichten wären 88,70 Euro pfändbar. Die Nettolohnmethode besteht demgegenüber darin, zunächst die unpfändbaren 300 Euro brutto abzuziehen und die Sozialversicherungsbeiträge nur hinsichtlich der Differenz von 3.500 Euro zu berechnen. Abziehbare Steuern und Sozialversicherungsbeiträge fallen hier geringer aus (1.323,81 Euro). Der Nettolohn betrüge dann 2.176,19 Euro; bei zwei Unterhaltspflichten wären in diesem Fall immerhin 148,70 Euro pfändbar. Da bei der Bruttolohnmethode die Steuern und Sozialabgaben, die auf die nicht pfändbaren Bezüge entfallen, zweimal in Abzug gebracht würden, hat das BAG sich zutreffend für die Nettolohnmethode entschieden.

 

Die Klägerin arbeitet bei der Beklagten als Hauspflegerin. Im Anschluss an eine Privatinsolvenz befand sie sich in der sog. Wohlverhaltensphase und war verpflichtet, ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abzutreten. Die zur Berechnung des pfändbaren Teils der Vergütung verpflichtete beklagte Arbeitgeberin führte in der Zeit zwischen Mai 2015 und März 2016 den aus ihrer Sicht pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei betrachtete sie auch sämtliche gezahlten tarifverträglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfeiertagsarbeit als pfändbar und führte diese ebenfalls ab. Die Klägerin sah die Zuschläge demgegenüber als unpfändbar an und verlangte von der Beklagten die Zahlung der aus ihrer Sicht zu Unrecht an den Treuhänder ausgekehrten Zuschläge.