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Foto von Green Chameleon

PROBLEMPUNKT

In der Praxis ist es gang und gäbe, dass bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit die Zahl der Urlaubstage, die ein Arbeitnehmer aus dem Vorjahr nicht nehmen konnte, gekürzt wird. Diese Kürzung richtet sich nach dem Verhältnis der Arbeitstage vor und nach dem Wechsel. Arbeitet bspw. eine Mitarbeiterin in Vollzeit und geht in Elternzeit, ohne vor dem Mutterschutz ihren Resturlaub nehmen zu können, wird bei einem Wechsel in die Teilzeittätigkeit im Umfang von zwei Tagen pro Woche der Resturlaub auf 2/5-tel verkürzt. Eine Benachteiligung ist dies nicht, da die Beschäftigte, die während ihrer Vollzeittätigkeit noch fünf Wochen Urlaub gehabt hätte, diese fünf Wochen auch nach ihrem Wechsel in die Teilzeittätigkeit noch nehmen kann. Mit dieser Konsequenz ist es nicht verwunderlich, dass diese einleuchtende Praxis über Jahrzehnte hinweg von Arbeitnehmerseite akzeptiert und auch vom BAG (Urt. v. 28.4.1998 – 9 AZR 314/97) abgesegnet wurde.

Eine Arbeitnehmerin des Landes Niedersachsen wollte diese Praxis jedoch nicht länger hinnehmen und forderte vor dem ArbG Nienburg die volle und ungekürzte Anerkennung ihrer restlichen Urlaubstage aus dem Vollzeitarbeitsverhältnis Entscheidung Nach Vorlage entschied der EuGH, dass diese bisherige deutsche Praxis dem Unionsrecht widerspricht.

Die Kürzung des Urlaubsanspruchs mit der Argumentation, dass die Teilzeitkraft nicht schlechter gestellt werde, weil die in Wochen ausgedrückte Urlaubszeit (in Vollzeit fünf Wochen und nach der Kürzung auch in Teilzeit fünf Wochen) gleich bleibe, verwechselt danach die Ruhephase, durch den tatsächlich genommenen Urlaub, und die normale berufliche Inaktivität, während der der Arbeitnehmer nicht zu  arbeiten braucht.

Praxistipp

Trotz dieser Erwägungen sind Unternehmen gut beraten, den Wechsel von Beschäftigten in eine Teilzeittätigkeit zukünftig sorgfältig zu planen und auf Folgendes hinzuwirken:

› Der Resturlaub der in Teilzeit wechselnden Mitarbeiter ist möglichst
  vor der Reduzierung der Arbeitszeit zu verbrauchen.

› Urlaub sollte möglichst vor einer anstehenden Elternzeit bzw. – sofern dies
  nicht möglich ist – nach Ende der Elternzeit aber vor einer Rückkehr mit
  reduzierter Arbeitszeit gewährt werden.

› Bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit bzw. einer Änderung der Arbeitstage pro Woche ohne Unterbrechung durch Elternzeit sollte der Wechsel in die Teilzeittätigkeit möglichst zum Jahreswechsel stattfinden (sofern der Jahresurlaub zum 31.12. verfällt und kein Übertrag bis zum 31.3. stattfindet). Auf diesem Weg muss der Resturlaub bis zum Jahresende, also während der Vollzeittätigkeit, genommen werden oder er verfällt mit Ablauf des 31.12. Mit Beginn der reduzierten Arbeitszeit im neuen Jahr entsteht dann ganz normal der reduzierte, neue Urlaub.

› Ist eine Umstellung zum Jahreswechsel nicht möglich, sollte der Wechsel
  möglichst in der ersten Jahreshälfte stattfinden.

› Unproblematisch (zumindest im Hinblick auf die Urlaubsreduzierung) ist
  ebenfalls eine Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichbleibenden Arbeitstagen
  pro Woche (z. B. fünf Tage die Woche halbtags).

Quelle: Arbeit & Arbeitsrecht 12/2013
Fotocredit: Jörg Sabel / www.pixelio.de

 

KONSEQUENZEN

Es bleibt abzuwarten, wie sich das BAG zu dieser Rechtsprechung des EuGH positionieren wird. Komplett ignorieren kann es sie freilich nicht. Ein Anspruch auf ungekürzten Resturlaub wird also zukünftig grundsätzlich auch nach einem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit bestehen. Zu hoffen ist, dass das BAG der Rechtsprechung des EuGH in Anlehnung an die „Schulte“-Entscheidung (Urt. v. 22.11.2011 – C-214/10, AuA 3/12, S. 178) zumindest in zeitlicher Hinsicht Grenzen setzt. Konsequent wäre, auch im Fall der anteiligen Kürzung des Urlaubs zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und einzelvertraglichem oder tariflichem Mehrurlaub zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung wird bereits in der deutschen Rechtsprechung nach der „Tirol“-Entscheidung des EuGH (Urt.v. 22.4.2010 – C-486/08) angedeutet (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 30.10.2012 – 13 Sa 590/12).

Mit einer Berufung auf Unbilligkeit (§ 242 BGB) ließen sich sicherlich Extremfälle aussieben, bei denen bspw. der Resturlaub so umfangreich und die Arbeitstage pro Woche so wenige sind, dass über ein ganzes Jahr keine Arbeitstätigkeit stattfindet. Denn dann würde das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Arbeitgebers nur noch eine leere Hülle darstellen.