Geregelte Nachfolge?

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Mehr als 20% der Familienunternehmen werden an Dritte verkauft. Bei vielen ist die Nachfolge gar nicht geregelt. Findet sich niemand, wird der Betrieb stillgelegt, was in etwa 8% der Fälle zutrifft. Hört man dies, verwundert es kaum, dass der legendäre US-Investor Warren Buffet derzeit deutsche Familienunternehmen und den Mittelstand umwirbt, weil er an Zukäufen in Deutschland interessiert ist. Erst im Mai dieses Jahrs besuchte der 77-Jährige deshalb die Bundesrepublik.

Für die Belegschaft stellt sich die Frage nach den Folgen eines solchen Unternehmenskaufs durch Dritte, insbesondere ob der Wechsel auf einen neuen Inhaber zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen führt. Für die Auswirkungen ist maßgeblich, ob der Käufer die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter des Unternehmens (Asset Deal) oder die Anteile der das Unternehmen tragenden Gesellschaft (Share Deal, vgl. Definition) erwirbt. Unberücksichtigt bleiben Fälle, in denen lediglich die Geschäftsführung wechselt.

Share Deal

Bleibt das Unternehmen „in der Familie“, geht dies häufig mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile einher.

Beispiel

Der Alleingesellschafter überträgt seine GmbH-Gesellschaftsanteile auf sein Kind, das das Unternehmen des Vaters nunmehr leiten soll.

Gleiches kann stattfinden, wenn ein Dritter das Unternehmen als Ganzes im Wege einer Anteilsübertragung übernimmt.

Definition

Erwirbt jemand das Unternehmen durch Veräußerung und Übertragung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Unternehmensträger – regelmäßig einer GmbH oder AG –, spricht man von einem Share Deal.

Arbeitsrechtliche Relevanz

Beim Share Deal bleiben Betriebsinhaber und Arbeitgeber derselbe, nur der Anteilsinhaber wechselt. Der Arbeitgeber ist weiterhin die Mustermann GmbH oder die Mustermann AG. Es findet somit auch kein Betriebsübergang i.S.d. § 613a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) statt. Für den einzelnen Beschäftigten bedeutet dies, dass sich sein Arbeitsverhältnis ohne jegliche inhaltliche Änderung fortsetzt. Ist das Unternehmen Mitglied eines Arbeitgeberverbands oder hat es einen Firmentarifvertrag abgeschlossen, ändert der Gesellschafterwechsel hieran nichts.

Der Betriebsrat hat bei der Gestaltung des Anteilskaufvertrags kein Mitbestimmungsrecht, weil der Share Deal rein kauf- und gesellschaftsrechtliche Aspekte tangiert. Besteht im Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss gemäß § 106 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der für alle Unternehmen mit i.d.R. mehr als 100 Beschäftigten obligatorisch ist, hat dieser die Aufgabe, „wirtschaftliche Angelegenheiten“ mit dem Arbeitgeber zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten. Da wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 106 Abs. 3 BetrVG auch die rechtlichen Grundlagen des Unternehmensträgers umfassen, muss der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss unterrichten, wenn ein Gesellschafterwechsel stattfindet. Dies hat rechtzeitig und umfassend zu geschehen.

Das sog. „Risikobegrenzungsgesetz“ (vgl. dazu Löw, AuA 7/08, S. 398 ff., in diesem Heft), das noch im Sommer (spätestens aber im Herbst 2008) in Kraft tritt, enthält einen neuen Tatbestand zur Beratungspflicht mit diesem Ausschuss. § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG neue Fassung (n.F.) sieht vor, dass die Übernahme des Unternehmens, die mit dem Erwerb der Kontrolle einhergeht, beratungspflichtig ist. Der Wirtschaftsausschuss kann in diesem Zusammenhang unter Vorlage der entsprechenden Unterlagen insbesondere verlangen, über den potenziellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die zukünftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen für die Arbeitnehmer informiert zu werden (§ 106 Abs. 2 BetrVG n.F.).

Praxistipp

Die Geschäftsleitung muss dem Wirtschaftsausschuss allerdings nicht den Anteilskaufvertrag vorlegen, da es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) um keine Unterlage „des Unternehmens“ nach § 106 Abs. 2 BetrVG handelt, sondern um eine Unterlage, die das Verhältnis zwischen dem bisherigen und dem neuen Gesellschafter betrifft (vgl. BAG, Beschl. v. 22.1.1991 – 1 ABR 38/89, DB 1991, S. 1176).

Asset Deal

Beim Asset Deal ist das Unternehmen – bestehend aus einer Vielzahl einzelner Vermögensgegenstände (Maschinen, Büromöbel, Vertrags- und Kundenbeziehungen, Mitarbeiter, Knowhow und sonstige Gegenstände) – Kaufgegenstand. Die materiellen und immateriellen Betriebsmittel gehen nicht automatisch auf den neuen Rechtsinhaber über, sondern der Veräußerer muss sie einzeln übertragen (Einzelrechtsnachfolge). Der Erwerber übernimmt lediglich diese Mittel. Die „Unternehmenshülle“ des Veräußerers bleibt jedoch bestehen.

Der Asset Deal eröffnet den sachlichen Anwendungsbereich des § 613a BGB. Es kann folglich zu einem Betriebsübergang kommen. Davon ist auszugehen, wenn eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität von einem Inhaber durch Rechtsgeschäft auf den Erwerber übergeht. Ein Betrieb i.S. einer wirtschaftlichen Einheit ist gegeben, wenn innerhalb eines Unternehmens ein abtrennbarer Bereich besteht, der eine auf Dauer angelegte organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von sächlichen oder immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.

Beispiel

Der Produktionsbetrieb des Veräußerers ist ein solcher abtrennbarer Bereich, in dem die Mitarbeiter der Mustermann GmbH bestimmte Produkte herstellen.

Betriebsteil

Auch der Übergang nur eines Betriebsteils löst die Rechtsfolgen des § 613a BGB aus, allerdings beschränkt auf die im jeweiligen Betriebsteil unmittelbar zugeordneten Arbeitsverhältnisse. Die übrigen Arbeitnehmer verbleiben dagegen beim bisherigen Inhaber. Das gilt selbst dann, wenn der nach der Herauslösung des Betriebsteils verbleibende „Restbetrieb“ nicht mehr lebensfähig ist und deshalb möglicherweise stillgelegt werden muss (Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 2. Auflage 2006, § 613a BGB Rdnr. 31).

Im Gegensatz zum Betrieb ist der Betriebsteil eine organisatorische Untergliederung, mit der das Unternehmen einen Teilzweck verfolgt, selbst wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt. Die Konstellation, dass ein Erwerber einen alteingesessenen Betrieb nicht als Ganzes übernehmen will, sondern z.B. lediglich die mit fabrikneuen Maschinen ausgestatteten Teile der Produktion, ist in der Praxis nicht selten anzutreffen. Die Unternehmensnachfolge beschränkt sich hierbei also auf eine „Teilnachfolge“.

Wichtig

Die übernommenen Betriebsteile müssen immer bereits beim Veräußerer als solche vorhanden gewesen sein, da nur eine existente, selbstständig abtrennbare organisatorische Einheit übergehen kann. Für das Vorliegen eines Betriebsteils genügt es nicht, dass der Erwerber mit einzelnen, bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln einen Betrieb oder Betriebsteil gründet (BAG, Urt. v. 22.7.2004 – 8 AZR 350/03, vgl. AuA 7/06, S. 434).

Übergang des Betriebs/Betriebsteils auf einen anderen Inhaber

Die Anforderungen, die die Praxis an den rechtsgeschäftlichen Übergang stellt, sind nicht hoch. Ausreichend für die Anwendbarkeit von § 613a BGB ist, dass der Erwerber rechtstatsächlich im Einvernehmen mit dem „Veräußerer“ in die Arbeitsorganisation des Betriebs oder Betriebsteils eintritt und damit deren Leitung nach außen übernimmt. In der Praxis werden bei einem Asset Deal – regelmäßig nach Durchführung einer Due Diligence – umfangreiche Verträge zwischen den Parteien abgeschlossen.

Im Wege des Rechtsgeschäfts muss ein Wechsel des Betriebsinhabers stattgefunden haben:

  • Der bisherige Inhaber muss die wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil zugunsten des Erwerbers einstellen.
  • Der Erwerber muss die Organisations- und Leitungsmacht über die übernommene organisatorische Einheit erhalten und fortführen.

Zu einem Betriebsübergang kommt es somit nicht, wenn der Erwerber den Betrieb gar nicht fortführt.

Checkliste 1

Um festzustellen, ob ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt, sind die den Vorgang kennzeichnenden Tatsachen im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Von Bedeutung sind dabei:

  • die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs
  • der Übergang oder Nichtübergang der materiellen Aktiva, z.B. Gebäude und bewegliche Güter
  • der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs
  • die etwaige Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals
  • der etwaige Übergang der Kundschaft
  • der Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit
  • die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit

Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen nicht isoliert betrachtet werden.

Übergang der Arbeitsverhältnisse

So gering die arbeitsrechtlichen Auswirkungen im Fall eines Share Deals sind, so umfangreich können die Folgen eines Betriebsübergangs auf die Belegschaft, den Betrieb und das Unternehmen sein. Der Unternehmensnachfolger tritt in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Es findet ein Vertragspartnerwechsel auf Arbeitgeberseite statt, der das zwischen dem Mitarbeiter und dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis unverändert lässt. Erfasst werden sämtliche dem übertragenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse aktiver Arbeitnehmer. Eine gesetzliche Regelung über die Frage, wie die Zuordnung von Beschäftigten vorzunehmen ist, besteht dagegen nicht. Erforderlich ist, dass der Arbeitnehmer dem übertragenden Betrieb bzw. Betriebsteil angehört, damit sein Arbeitsverhältnis übergeht. Dies ist nur der Fall, wenn er in dem übertragenden Betrieb bzw. Betriebsteil beschäftigt ist.

Beispiel

Übernimmt der Erwerber die Druckerei eines Verlags, gehen damit die Arbeitsverhältnisses der dort Beschäftigten über. Die bloße Tätigkeit für einen Betrieb(steil) genügt hingegen grundsätzlich nicht (BAG, Urt. v. 11.9.1997 – 8 AZR 555/95, NZA 1998, S. 31). Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der Mitarbeiter in die Arbeitsorganisation des Betriebs oder Betriebsteils eingebunden ist.

Können Arbeitsplätze mehreren Betrieben oder Betriebsteilen zugeordnet werden, ist entscheidend, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt. Im Normalfall lässt sich daher gut bestimmen, welche Arbeitnehmer der Nachfolger eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils im Wege des § 613a BGB übernimmt.

Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist gemäß § 613a Abs. 5 BGB verpflichtet, die von einem Übergang betroffenen Beschäftigten zu informieren, um ihnen eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung des Widerspruchsrechts zu verschaffen (vgl. dazu auch Zöll, AuA 1/06, S. 18 ff.). Die Unterrichtungspflicht trifft den bisherigen und den neuen Betriebsinhaber. Wer informiert, sollten Unternehmer und Nachfolger abstimmen. In der Praxis unterrichtet i.d.R. der Betriebsveräußerer, der „seine“ Mitarbeiter auf den Wechsel einstimmt.

Praxistipp

Die Unterrichtung bedarf der Textform i.S.d. § 126b BGB. Erforderlich ist die dauerhafte Wiedergabe in Schriftzeichen, am besten in Briefform, aber keine eigenhändige Unterschrift. Der Arbeitgeber ist also nicht gezwungen, ggf. hunderte von Arbeitnehmerinformationen zu unterzeichnen.

Zum Zeitpunkt der Unterrichtung enthält das Gesetz keine Regelung. Sie sollte aber zweckmäßigerweise spätestens einen Monat vor dem geplanten Betriebsübergang erfolgen, um Klarheit über den Kreis der widersprechenden Arbeitnehmer zu haben. Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass jeder von dem Betriebsübergang betroffene Beschäftigte von der Information Kenntnis erlangt. Gerade im Fall einer Unternehmensnachfolge spielt die Kommunikation mit der Belegschaft eine wichtige Rolle. Dies gilt erst recht, wenn ein Familienunternehmen übergeht. Was hat der „fremde“ Erwerber mit dem „eigenen“ Unternehmen vor? Die Unterrichtung sollte daher schon aus psychologischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig vorbereitet werden. Sie muss nach der gesetzlichen Regelung folgende Informationen beinhalten:

Checkliste 2

Unterrichtungspflicht des neuen und alten Arbeitgebers nach § 613a Abs. 5 BGB

  • (geplanter) Zeitpunkt, zu dem der neue Inhaber die Organisations- und Leitungsmacht übernimmt
  • rechtsgeschäftliche Grundlage für den Betriebsübergang (Verkauf, Umwandlung o.Ä.)
  • rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für den Arbeitnehmer (diese ergeben sich vor allem aus § 613a Abs. 1 bis 4 BGB)
  • Rechtslage, insb. Fragen hinsichtlich etwaiger Änderungen der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
  • die hinsichtlich der Mitarbeiter in Aussicht genommenen Maßnahmen (z.B. Versetzungen, Entlassungen, Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG)

Rechtsprechung

Die Angaben über die wirtschaftliche Lage des Erwerbers müssen zutreffen (LAG Köln, Urt. v. 4.6.2007 – 14 Sa 1225/06). Nach einer aktuellen Entscheidung des BAG ist dabei auch anzugeben, dass der Erwerber nur die beweglichen Anlageteile des Betriebs, nicht aber das Betriebsgrundstück übernimmt, sofern dadurch die wirtschaftliche Absicherung der Arbeitnehmer in Gefahr geraten könnte (BAG, Urt. v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, BB 2008, S. 219). Dies ist vor allem der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit betroffen ist.

Wichtig

Eine unrichtige oder unvollständige Unterrichtung hat neben der Entstehung etwaiger Schadensersatzansprüche zur Folge, dass die Monatsfrist, innerhalb derer die Mitarbeiter widersprechen können (s.u.), nicht zu laufen beginnt. Eine Höchstfrist für das Widerspruchsrecht besteht nicht. Schlimmstenfalls sieht sich der Veräußerer, der sich Jahre später möglicherweise schon im Ruhestand wähnt, zahlreichen Widersprüchen gegen den Übergang der Arbeitsverhältnisse ausgesetzt – er hat also trotz der Unternehmensübernahme wieder „seine Arbeitnehmer“ und kann sich lediglich auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts berufen.

Beispiel

Eine solche „Rückkehr“ der ehemaligen Beschäftigten erlebte auch die Agfa Gaevert AG. Ihre Mitarbeiter widersprachen wegen einer fehlerhaften Unterrichtung noch Monate nach dem Betriebsübergang im Herbst 2004 auf die sechs Monate später insolvente Agfa Photo GmbH, um zu ihrem alten Arbeitgeber zurückzukehren (vgl. BAG, Urt. v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, 8 AZR 1022/06, 8 AZR 1030/06, 8 AZR 109/07, 8 AZR 205/07, noch nicht veröffentlicht).

Widerspruch des Arbeitnehmers

Der Mitarbeiter kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Möglicher Adressat ist sowohl der bisherige als auch der neue Arbeitgeber.

Der Widerspruch hat zur Folge, dass das Arbeitverhältnis des Arbeitnehmers nicht auf den Betriebserwerber übergeht, sondern weiterhin beim Veräußerer verbleibt. Damit geht der Beschäftigte allerdings das Ri siko ein, dass ihm der bisherige Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt, wenn er keine Möglichkeit hat, ihn anderweitig zu beschäftigen.

Aber auch für den Nachfolger eines Unternehmens besteht die Gefahr, nicht alle – jedenfalls nicht die wichtigen – Mitarbeiter übernehmen zu können, sofern diese dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen. Selbst wenn die Arbeitnehmer hierdurch einen Betriebsübergang verhindern, ist es nicht von vornherein unzulässig, das Widerspruchsrecht kollektiv auszuüben (BAG, Urt. v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, S. 43).

Praxistipp

Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Beschäftigten gemäß § 613a BGB bergen auch im Fall der Unternehmensnachfolge ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Die Arbeitgeber sollten hierauf ein besonderes Augenmerk richten: Die Unterrichtung soll zwar nicht abschrecken, aber sie muss richtig sein.

Unterrichtung und Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter

Das Unterrichtungsrecht des Wirtschaftsausschusses erfasst Vorgänge, die die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren können. Dies ist bei einem Betriebsübergang der Fall.

Ein vergleichbares Recht des Betriebsrats besteht nicht, auch nicht im Hinblick auf seine Aufgaben gemäß § 80 BetrVG (vgl. LAG Nürnberg, Beschl. v. 31.8.2005 – 6 TaBV 41/05).

Im Übrigen stellt ein Betriebsübergang für sich allein keine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG dar. Der Betriebsrat kann also hieraus keine Mitbestimmungsrechte herleiten. Er darf weder Verhandlungen über einen Interessenausgleich noch über einen Sozialplan verlangen.

Etwas Anderes gilt dagegen, wenn mit dem Betriebsübergang auch eine Betriebsänderung verbunden ist, der Nachfolger z.B. nur einen Betriebsteil (Druckerei) übernimmt und diesen aus dem bestehenden Betrieb abspaltet. Dabei richtet sich das Mitbestimmungsrecht gegen den Unternehmer, der die Betriebsänderung plant, also den Altarbeitgeber oder ggf. den Nachfolger.

Ablösen von Arbeitsbedingungen

Der Nachfolger will nicht selten vergangene Pfade verlassen, das Unternehmen anders ausrichten und die betriebliche Organisation oder die Arbeitsbedingungen neu ordnen. Möchte er arbeitsvertragliche Vereinbarungen ändern, kann er dies aufgrund des Günstigkeitsprinzips, das im Verhältnis zu kollektiven Regelungen gilt, nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer oder durch eine Änderungskündigung tun – allerdings stellt sein Interesse an einer Vereinheitlichung keinen betriebsbedingten Grund dar, der eine Änderungskündigung rechtfertigen könnte.

Rechtsprechung

Im Hinblick auf eine einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen nach einem Betriebsübergang hat das BAG kürzlich entschieden, dass zumindest für eine Anpassung der geschuldeten Vergütung grundsätzlich kein sachlicher Grund mehr erforderlich ist (BAG, Urt. v. 7.11.2007 – 5 AZR 1007/06, NZA 2008, S. 530). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die einjährige Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dem nicht entgegensteht.

Will der Erwerber Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, die auch nach dem Betriebsübergang kollektivrechtlich weiterbestehen, ablösen und ändern, gilt das Ordnungsprinzip. Für den Fall, dass die kollektivrechtlichen Regelungen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in den Arbeitsvertrag transformiert wurden, diskutiert man die sog. Überkreuzablösung, also die Ablösung tariflicher Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung oder umgekehrt.

Rechtsprechung

Eine solche Überkreuzablösung ist jedenfalls für tariflich geregelte Ansprüche auf eine Altersversorgung nicht möglich. Dies hat das BAG jüngst entschieden (BAG, Urt. v. 13.11.2007 – 3 AZR 191/06, AuA 2/08, S. 114 f.; siehe zur Unzulässigkeit der Ablösung einer Überstundenvergütung: LAG Düsseldorf, Urt. v. 16.8.2007 – 15 Sa 630/07, NZA-RR 2007, S. 23 f.). Die Tatsache, dass der Betriebsrat bei der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 bzw. 10 BetrVG nur in Teilen mitbestimmen kann, steht dem entgegen. Insoweit ist bislang noch nicht abschließend geklärt, ob und in welchen Fällen eine Überkreuzlösung möglich ist, um Arbeitsbedingungen zu ändern.

Umstrukturierung nach Erwerberkonzept

Bekanntermaßen verbietet es § 613a Abs. 4 BGB, den Mitarbeitern wegen eines Betriebsübergangs zu kündigen. Der Erwerber muss sich daher überlegen, wie er das Unternehmen reorganisieren kann – ggf. schon im Vorfeld gemeinsam mit dem Veräußerer. Denn Unternehmensnachfolge bedeutet keineswegs Stillstand, wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart haben.

Finden in einem notleidenden Unternehmen aber Sanierungsmaßnahmen in zeitlichem Zusammenhang mit einem Betriebsübergang statt, stellt sich die Frage, ab wann das Kündigungsverbot greift. Solange keine konkrete Übernahmemöglichkeit besteht und das Unternehmen keine Verhandlungen mit einem Nachfolger aufgenommen hat, ist der Betriebsübergang für die Kündigung nicht ursächlich.

Praxistipp

Kündigungen sind auch im Rahmen eines Betriebsübergangs zulässig, wenn sie jeder Arbeitgeber – unabhängig von der Veräußerung – aus notwendigen betriebsbedingten Gründen hätte aussprechen müssen (BAG, Urt. v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, S. 387). Der Betriebsinhaber kann vor der Veräußerung seinen Sanierungsplan verwirklichen. Das gilt auch, wenn er Mitarbeitern aufgrund eines Konzepts des Erwerbers kündigt (BAG, Urt. v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, AuA 5/04, S. 45), er also Kündigungen ausspricht, deren Rechtfertigung sich aus erst beim Nachfolger bestehenden dringenden betrieblichen Erfordernissen ergibt. Die Unternehmensnachfolge im Rahmen eines Asset Deals schließt Reorganisationen nicht aus.

Fazit

Die arbeitsrechtlichen Aspekte einer Unternehmensnachfolge – sei es im Wege eines Share Deals oder eines Asset Deals – verdienen besondere Beachtung. Auch im Fall der Unternehmensnachfolge bestehen Möglichkeiten für Betrieb und Unternehmen, zu „neuen Horizonten“ aufzubrechen. Wichtig ist dabei jedoch, die Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern nicht zu vernachlässigen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – Personal-Profi – 7/08