Ergebnisse der Bildungsbedarfserhebung bei Esterház

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Foto von William Iven

1. Trends und Entwicklungen

Häufigste Aussagen:

● „In Zukunft ist unternehmerische Dynamik gefordert.“ (89 %)

● „Kunden fordern professionelle Dienstleistung in partnerschaftlichem Verhältnis.“ (89 %)

● „Stärkung der Selbständigkeit der Mitarbeiter erforderlich.“ (84 %)

● „Veränderungsdruck – Veränderungen werden zum Normalfall.“ (78 %)

● „Zunehmend schnelles Reagieren auf externe Anforderungen.“ (78 %)

 

2. Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter

Persönliche Kompetenzen:

1.) Eigenverantwortung (61 %) und Selbstmanagement (36 %)

2.) Flexibilität und Veränderungsbereitschaft (58 %)

3.) Kundenorientierung (44 %)

 

Soziale Kompetenzen:

4.) Kommunikationsfähigkeit (50 %) und Kooperationsfähigkeit (42 %)

5.) Konfliktfähigkeit (50 %)

6.) Mitarbeiter motivieren können (42 %)

 

Managementkompetenzen:

7.) Problemlösungsfähigkeit (64 %)

8.) Planen (50 %) und vernetztes Denken (47 %)

9.) Entscheidungsfähigkeit (47 %)

 

3. Leitsätze für Weiterbildung und Qualifizierungsprogramm

Häufigste Aussagen:

● „Haupt-Zielrichtung sollte die Weiterentwicklung der Managementkompetenz sein“ (85 %)

● „Sicherstellung, dass die direkten Führungskräfte das Weiterbildungsprogramm
für sinnvoll halten“ (84 %)

● „Einheitliche Definition, Kommunikation und Umsetzung von Führungsverständnis
seitens der Direktion“ (84 %)

● „Weiterentwicklung der Sozialkompetenz“ (83 %)

● „Förderung des kooperativen Führungsstils“ (79 %)

● „Weiterentwicklung der persönlichen Kompetenz“ (77 %)

 

4. Themen/Inhalte des Aus- und Weiterbildungsprogramms

Häufigste Aussagen:

● „Führung/Management“ (58 %)

● „Problemlösung und Entscheidungsfindung“ (50 %)

● „Kommunikation“ (50 %)

● „Betriebswirtschaft (Controlling, Rechnungswesen etc.)“ (39 %)

● „Konfliktbearbeitung“ (36 %)

 

5. Hinderungsgründe an einer bisherigen Inanspruchnahme von

Aus- und Weiterbildungsangeboten

Häufigste Aussagen:

● „Die Arbeit lässt zu wenig Zeit für Weiterbildung.“ (72 %)

● „Private Situation (Familie, Kinder)“ (39 %)

● „Der Nutzen für die tägliche Arbeit ist nicht ersichtlich.“ (33 %)

● „Die Stellvertretung während der Abwesenheit ist nicht geregelt“ (28 %)

Keine einzige befragte Person hat den folgenden Hinderungsgrund genannt:

● „Vorgesetzte machen eine Teilnahme schwierig oder unmöglich.“ (0 %)


Abbildung 2: Bildungsbedarfserhebung bei Esterházy

Webtipp

Weitere Praxisbeispiele zum Thema Kompetenzmanagement finden Sie hier auf dem Netzwerkportal HRM.at.

www.HRM.at

Bildungsbedarfserhebung

Esterházy erhob den Bildungsbedarf mithilfe einer Befragung, an der alle Vertreter der ersten drei Managementebenen inklusive Geschäftsführung und Revierleiter teilnahmen.

Die Befragung behandelte fünf Fragestellungen:

1. Welche Trends und Entwicklungen haben Einfluss auf das Unternehmen?

2. Welche Anforderungen ergeben sich daraus für Führungskräfte und Mitarbeiter?

3. Welche Leitsätze und Ziele sollte Weiterbildung verfolgen?

4. Welche Themen und Inhalte sollte Weiterbildung haben?

5. Welche Gründe verhindern die Teilnahme an Weiterbildungen?

Die wichtigsten Ergebnisse: Aus Sicht des Managements erfordert das Geschäft der Zukunft vor allem Kompetenzen wie eigenverantwortliches und selbstständiges Handeln, Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Problemlösungskompetenz. Weiterbildungen sollten daher vor allem die Themenbereiche Führung und Management, Problemlösung und Entscheidungsfindung, Kommunikation, Betriebswirtschaft und Konfliktbearbeitung behandeln (Abbildung 2).

Das Kompetenzmodell

Die Führungskräfte analysierten die Ergebnisse der Befragung in einem zweitägigen Workshop. Sie befassten sich im Detail mit den Kompetenzen, die laut der Bildungsbedarfserhebung für die Unternehmensgruppe besonders wichtig sind. Diese definierten sie individuell für Esterházy. Aus Gründen der Praktikabilität reduzierten sie das Modell jedoch auf neun Kernkompetenzen (Abbildung 3).


1. Persönliche Kompetenzen

Eigenverantwortung und Selbstmanagement bedeutet bei Esterházy:

 Initiativen ergreifen, Chancen erkennen und die eigene Führungskraft, Kollegen und Mitarbeiter darauf aufmerksam machen aktives Mitdenken und kritisches Hinterfragen sowie ein entsprechendes Selbstbewusstsein und der Mut, Verantwortung für das eigene Handeln und auch für etwaige Risiken zu übernehmen

 Ausdauer bei der Umsetzung

 gute Planung und Vorbereitung sowie hohe Flexibilität, um dem sehr dynamischen Umfeld gerecht zu werden

 Konsequenz, Disziplin und Prioritätensetzung in der Selbstorganisation

 Selbstmotivation, Stressmanagement sowie hohe Belastbarkeit und Frustrationstoleranz

 Zeit- und Terminmanagement Flexibilität und Veränderungsbereitschaft bedeutet bei Esterházy:

 Fähigkeit, Änderungen von Vorgaben und Zielen sehr kurzfristig umzusetzen

 gute persönliche Anpassung an ein dynamisches Umfeld (Änderungen in der Firmenstruktur, Personenzuwachs, Führungswechsel)

 hohe Terminflexibilität und gegebenenfalls auch Reisebereitschaft Kundenorientierung bedeutet bei Esterházy:

 professionelles Auftreten durch persönlich zuvorkommendes und fachlich versiertes Verhalten sowie überzeugenden Kundenservice/Beratung für interne und externe Kunden und Gesprächspartner

 Ziel ist die Zufriedenheit der Kunden (durch gutes Image, optimale Erreichbarkeit, Flexibilität bei Kundenwünschen, gutes Preis-Leistungsverhältnis, transparente /nachvollziehbare Leistungsübersicht, Reklamations- und Mängelmanagement)


2. Soziale Kompetenzen

Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit bedeutet bei Esterházy:

 überdurchschnittliche verbale und schriftliche Ausdrucksfähigkeit

 wertschätzender und ehrlicher Umgang miteinander und dabei „mit gutem Beispiel vorangehen“

 Dialog statt Monolog, eine bewusst lockere, freudvolle und fließende Kommunikation (nicht alles „auf die Waagschale legen“ müssen)

 Führungskräfte haben die Verantwortung, die Kommunikation durch entsprechende Strukturen zu fördern (Jour fixe, E-Mail, Mitarbeitergespräche, Bürosituation/ Anwesenheit …)

 Respekt und Wertschätzung gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen in sämtlichen Unternehmensbereichen

 Sichtweise, Perspektive und Herausforderungen anderer Unternehmensbereiche nachvollziehen und akzeptieren

► bereichsübergreifende/projektbezogene Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen und Unternehmensbereiche im Interesse der gesamten Esterházy-Gruppe

 ehrliches und direktes Aufeinanderzugehen bei unterschiedlichen Interessen und Standpunkten (Konfliktfähigkeit)

 Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Abteilungen und Unternehmensbereichen pflegen und offen kommunizieren

Konfliktfähigkeit bedeutet bei Esterházy:

 persönlich wertschätzende Gesprächskultur intern (innerhalb der Abteilung und auch mit anderen Abteilungen und Unternehmensbereichen) sowie extern (Kunden und Dienstleister).

 Deeskalation im Konfliktgespräch

 Kompromissfähigkeit

„Eleganz“ in der Kommunikation, ohne aber damit Spannungsfelder zuzudecken

Mitarbeitermotivation bedeutet bei Esterházy:

 klare Strukturen schaffen

 Unternehmens- und Bereichsziele bewusst machen (Ziele müssen erreichbar/ Aufgaben lösbar sein)

 Feedback geben

 umfassende Information eigener Mitarbeiter und Kollegen

 sich dem Maß der eigenen Zufriedenheit bewusst sein bzw. dieses bei Mitarbeitern/ Kollegen hinterfragen und fördern (Aufgabengebiet, Arbeitsklima, Kollegen, Rahmenbedingungen …)


3. Managementkompetenzen

Problemlösungsfähigkeit bedeutet bei Esterházy:

 Probleme erkennen, „mutig hinsehen“ und analysieren

 Probleme und Schwierigkeiten proaktiv ansprechen. Nicht warten, bis es richtig brennt!

 Netzwerk für Problemlösung nutzen

 Kreativität in der Problemlösung (Wir suchen nach Lösungen und nicht nach Schuldigen!)

 Fehlerkultur etablieren, welche obige Punkte möglich macht – jeder fängt bei sich an!

Planen und vernetztes Denken bedeutet bei Esterházy:

 mit Visionen steuern und führen können

 laufende Strategieplanung aus der Strategieplanung abgeleitete klare Ziel- und Prioritätensetzungen

 Meilenstein- und Erfolgskontrolle der definierten Ziele und Prioritäten (mehrmals unterjährig und im Mitarbeitergespräch)

 Auswirkungen des eigenen Handelns bedenken

 Marke Esterházy (z. B.: Kultur, Weinbau etc.) nutzen

 für mögliche Synergien in Esterházy offen sein

 eventuell Personalpool über die einzelnen Unternehmensbereiche schaffen/projektbezogene Zusammenarbeit

Entscheidungsfähigkeit bedeutet bei Esterházy:

 strukturierter Zugang, Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen abwägen und dabei eigene oder auch interne/externe Fachkenntnis einsetzen

 Einsichtigkeit und Lernfähigkeit im Entscheidungsprozess

 Selbstbewusstsein und Mut zu Entscheidungen Ausgleich von Kompromissbereitschaft und Durchsetzungsvermögen

 Freiheit im Handlungsrahmen und beim Budget einfordern


4. Fach- und Methodenkompetenzen

werden je nach Unternehmensbereich und Abteilung definiert.

Entwicklung des Kompetenzmodells

Vor dem Einstieg in die Konzeptionsphase analysierte die Personalabteilung aktuelle Trends und Forschungsergebnisse zum Thema Kompetenzmanagement. Außerdem formulierte sie auf Basis einer zuvor elektronisch durchgeführten Bildungsbedarfserhebung die Anforderungen an das Aus- und Weiterbildungssystem: Dieses sollte dazu beitragen, die Unternehmens-, Bereichs- und Abteilungsziele sowie die persönlichen Ziele der Mitarbeiter zu erreichen. Außerdem sollte es dabei helfen, Mitarbeiter individuell zu fördern, wobei die bereits bestehenden PE-Instrumente (Mitarbeitergespräch, Zielvereinbarungen, Strategieprozess) zu integrieren waren. Insgesamt musste das Programm den Anforderungen einer hochwertigen Nachfolgeplanung und eines funktionierenden Talentmanagements entsprechen.

Esterházy entwickelte das Programm – in enger Zusammenarbeit mit Trude Kalcher vom Strategieberater Trigon – zunächst für die ersten drei Führungsebenen, was einer Pilotgruppe von rund 40 Personen entsprach. Im ersten Schritt definierte die Pilotgruppe die Begriffe „Kompetenzmanagement“, „Nachfolgeplanung“, „Talentmanagement“, „High Potential“ und „Integriertes Personalmanagement“, um ein gemeinsames Verständnis und eine möglichst einheitliche Erwartungshaltung sicherzustellen. Die Führungskräfte definierten die Ausrichtung des Kompetenzmanagements wie folgt:

„Ziel des Kompetenzmanagements ist es, die Potenziale der Mitarbeiter zu erkennen und deren Fertigkeiten und Fähigkeiten unter Berücksichtigung der Unternehmensziele, Bereichsziele, Abteilungsziele, aber auch persönlichen Ziele der Mitarbeiter weiterzuentwickeln und diese dann entsprechend effizient und effektiv einzusetzen. Die Kompetenzen sollen transparent, bekannt und eindeutig definiert sein. Im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergespräches erfolgt eine regelmäßige Eigen- und Fremdeinschätzung durch die Mitarbeiter und deren jeweilige Führungskraft und daraufhin eine entsprechende Förderung ausgewählter Kompetenzen. Somit ist Kompetenzmanagement auch Aufgabe jeder Führungskraft mit Unterstützung durch HR.“

Außerdem entschied sich das Unternehmen für ein Vorgehen in folgenden Schritten:

1. Eine Bildungsbedarfserhebung ermittelt die für Esterházy relevanten zukünftigen Trends und Entwicklungen.

2. HR leitet anschließend aus den Ergebnissen die Anforderungen an die Führungskräfte ab.

3. In einem Workshop, den HR gemeinsam mit Trigon moderiert, erarbeiten die Abteilungsleiter die relevanten Kompetenzprofile und definieren sie speziell für Esterházy.

4. Die Selbst- und Fremdbewertung im Rahmen der jährlichen Mitarbeitergespräche macht transparent, inwieweit die Führungskräfte dieses Profil erfüllen.

5. HR leitet davon relevante Themen für die Aus- und Weiterbildung ab.

6. Anschließend entwickelt HR gemeinsam mit Trigon entsprechende Lernformen und –angebote.

7. Führungskräfte und Personalabteilung bereiten die Bildungsvorhaben vor, führen sie durch und bereiten sie nach.

8. HR evaluiert die Aus- und Weiterbildung.

 

Grundlage für die Mitarbeitergespräche

Die Führungskräfte bewerteten sich zunächst im Hinblick auf diese Kernkompetenzen selbst. Außerdem wurden sie von jeweils zwei zufällig ausgewählten Kollegen (auf gleicher Ebene) fremdbewertet. Zudem flossen die neun Kompetenzen mit Kurzbeschreibungen in das Mitarbeitergespräch ein – mit dem Ziel, dass alle Führungskräfte im Zuge der Vorbereitung auf die Mitarbeitergespräche mit ihren direkten Mitarbeitern eine weitere Fremdbewertung hinsichtlich der neun Kompetenzen vornehmen. Abbildung 4 zeigt einen Auszug aus dem Mitarbeitergespräch.

In den Mitarbeitergesprächen besprechen Führungskräfte und Mitarbeiter etwaige Abweichungen der Selbst- und Fremdbewertungen. Außerdem legen sie maximal drei „Fokuskompetenzen“ fest, auf die sich sowohl das Mitarbeitergespräch als auch die folgende Personalentwicklung besonders konzentriert.

In Abstimmung mit dem Personalbereich besprechen Führungskräfte und Mitarbeiter den künftigen „Entwicklungsfahrplan“. Dabei können verschiedene Lernformen zur Anwendung kommen, zum Beispiel:

 Fachschulungen

 Funktions-/Verhaltenstrainings

 Führungstrainings/Management-Development

 Berufsbegleitende Weiterbildung

 „Off-the-Job-Lernen“: Workshops, Trainings, Lernprogramme oder Literaturstudium

 „On-the-Job-Lernen“: Jobrotation, Jobenlargement, Jobenrichement, Qualitätszirkel, Projektlernen, Ausbildung von Führungskräftenachwuchs, Potenzialerkennung, Mentoring

Das Kompetenzmodell der Esterházy-Gruppe ist nun seit zwei Jahren im Einsatz. In dieser Erprobungszeit hat sich die Kompetenzeinschätzung in den Mitarbeitergesprächen gut bewährt. Die Konzentration auf zwei bis drei Fokuskompetenzen hat zusätzlich dazu beigetragen, die Mitarbeiter möglichst gezielt individuell zu fördern. Allerdings fand bis dato noch keine jobgruppenspezifische Anpassung der Grundraster statt. Es ist daher jedoch geplant, die derzeitigen Kompetenzen durch eine neuerliche elektronische Bildungsbedarfserhebung noch einmal zu hinterfragen und gegebenenfalls abzuändern oder zu ergänzen. Aufgrund dieser Erkenntnisse soll dann eine aufgabenspezifische Anpassung der Grundraster erfolgen.

300 Mitarbeiter arbeiten für die Esterházy Betriebe GmbH. Bis in das 13. Jahrhundert lassen sich die Ursprünge der ehemaligen Fürstenfamilie Esterházy zurückverfolgen. Heute ist die gleichnamige Gruppe ein Zusammenschluss sehr heterogener Unternehmen aus Bereichen wie Forst- und Landwirtschaft, Immobilienverwaltung, Kunst- und Kulturmanagement sowie Weinproduktion und -handel. Zum Verbund gehören die drittgrößte Familienprivatsammlung Europas ebenso wie die Schlösser Esterházy und Lackenbach sowie die Burg Forchtenstein.

Die Unternehmensbereiche agieren sehr selbstständig, doch sie greifen auf gemeinsame interne Dienstleister zurück, darunter auch die Personalabteilung, die derzeit aus zwei Mitarbeitern besteht. Ein Schwerpunkt der HR-Arbeit lag in der jüngeren Vergangenheit auf dem Recruiting und der Eingliederung neuer Mitarbeiter. Denn die Belegschaft hat sich in den vergangenen sechs Jahren von 150 auf knapp 300 (242 Vollzeitäquivalente) nahezu verdoppelt. Vor diesem Hintergrund gewannen im Sinne eines integrierten Personalmanagements unter anderem die Themen Potenzialerkennung- und -förderung, Laufbahn- und Nachfolgeplanung, Persönlichkeitsentwicklung sowie gezielte Aus- und Weiterbildung an Bedeutung. Vor zwei Jahren führte die Unternehmensgruppe daher ein kompetenzbasiertes Aus- und Weiterbildungssystem in allen Unternehmensbereichen und Hierarchieebenen ein.