00:00:03


Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM-Hacks, präsentiert von der TALENTpro, dem Expo-Festival für Recruiting, Talent Management und Employer Branding. Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Instituts, Euer Gastgeber. In unserer heutigen HRM-Hacks-Folge spreche ich mit Jan Hawliczek zum Thema Social und Active Sourcing. Jan Hawliczek ist Gründer der Die Grüne 3 GmbH, bildet selbst Sourcer und Recruiter aus und ist mit Die Grüne 3 so etwas wie eine ausgegliederte Active Sourcing-Abteilung. Ansonsten beschreibt sich Jan als Blogger und Kopfballungeheuer, was wahrscheinlich daran liegt, dass er nicht ganz der Kleinste ist. Ich würde noch hinzufügen, Papa und Bayer. Ich freue mich, dass Du heute bei uns bist, Jan!

00:01:11


Jan Hawliczek: Dann sage ich statt Glückauf Servus!

00:01:16


Alexander Petsch: Jan, ich habe von Dir über die letzten Jahre öfter Dinge gesehen, gehören, gelesen, und das hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich von Technik und Recruiting-Technik selbst null Ahnung habe. Du warst da immer so viel tiefer drin. Wie kann ich das linksdrehende Elementarteilchen beschleunigen und dann automatisiert irgendwo hinschießen, damit am Schluss etwas ganz Tolles passiert? Von daher freue ich mich sehr, dass Du heute bei uns bist. Was verstehst Du denn unter Active Sourcing?

00:01:52


Jan Hawliczek: Um das noch mal ganz kurz zusammenzufassen, das rührt daher, dass es pure Neugier ist, weil es mich einfach interessiert. Ich bin einfach ein grundneugieriger Mensch. Ich sage das, was meine Frau immer zu mir sagt: Es kann doch nicht sein, weil Du gerade gesagt hast, dass ich auch Papa bin, das Schöne ist jetzt, bei meiner einjährigen Tochter zu sehen, dass sie ganz genau so tickt. Die will alles ganz genau verstehen und ist einfach superneugierig. Das musste ich einfach kurz zusammenfassen, das passt so gut.

00:02:19

Alexander Petsch: Das merkt man aber auch, das ist einfach so ein begeisterter Spieltrieb (lacht).

00:02:30

Jan Hawliczek: Den muss ich mir klauen (lacht). Was verstehe ich unter Active Sourcing beziehungsweise was bedeutet es eigentlich für mich? Ich finde es gut, dass wir das mal kurz definieren, weil ich glaube, wenn ich in so einen Saal gehe, und egal ob da 10 oder 500 Leute vor mir sitzen, und ich frage, was Active Sourcing für sie bedeutet, bekommst du ja manchmal Antworten wie „wir stellen auch schon Stellenanzeigen auf Facebook“ bis hin zu „ja, bei uns läuft automatisiert, weil wir es jetzt im Vorgespräch hatten, über irgendwie eine Datei im Hintergrund und wir scrapen Daten und lassen die dann über GitHub oder keine Ahnung was drüber laufen“, bekommst du ja manchmal jede Antwort. Und das ist dann so, wo ich immer sage, okay. Und ich bin kein Freund von ausgeschriebenen Definitionen, sondern ich mag es immer ganz gern, wenn komplexe Themen so ein bisschen vereinfacht werden. Von daher sage ich immer, für mich hat jede gute Active Sourcing-Definition drei wichtige Bausteine. Der erste Baustein ist das ganze Thema „Finden und Identifizieren“ der passenden Kandidaten. Der zweite Baustein ist das Thema „Gewinnen und begeistern“, wo ich häufig auf den Konferenzen höre, ja, Active Sourcing ist doch Direktansprache. Das ist es genau nicht für mich. Wenn ich schon das Wort Ansprache höre, schlafen mir die Füße ein. Und der letzte und eigentlich wichtigste Punkt im Active Sourcing ist das ganze Thema Netzwerken. Weil schlussendlich sind wir als Recruiter auf Netzwerken und Plattformen unterwegs, egal ob offline oder online. Und unser Job ist es dann, uns ein eigenes Netzwerk aufzubauen, um vielleicht später schnell schießen zu können. Was Active Sourcing nicht ist, ist der Feuerlöscher im Unternehmen, der mal schnell 20 Leute anspricht und dann fallen auf einmal 18 Leute um und schreien juchhu, weil sie bei uns anfangen wollen. Da bin ich der festen Meinung, dass Active Sourcing nicht das ist. Viel wichtiger ist, dass wir dieses Mindset haben und an diese Kiste so rangehen, dass wir sagen, ja, stimmt eigentlich, unser Recruiter wird zu einem sehr wertvollen Teil des HR, indem er sich da ein Netzwerk aufbaut, in unserer Zielgruppe, auf den Plattformen, wo die Zielgruppe unterwegs ist. Und alle drei Punkte vereint dann, dass wir mit dieser Maßnahme tatsächlich eine neue Zielgruppe ins Unternehmen reinholen. Und zwar jemanden, der sich nie bei uns beworben hat. Das muss allen ganz, ganz, ganz, ganz bewusst sein, dass wir da einen Kandidaten ins System reinbringen. Und das macht es dann für mich rund, wenn man die drei Bausteine hat – finden, identifizieren, gewinnen, begeistern, langfristiges Aufbauen eines Netzwerks unter dem Mantel Zielgruppe. Der Sourcer macht aus eurer Zielgruppe einen Kandidaten, keinen Bewerber. Das muss meiner Meinung nach allen bewusst sein.

00:05:33


Alexander Petsch: Bei mir hat das ganz viele Kopfkino-Assoziationen erzeugt, als Du das beschrieben hast. Es gibt mehrere Punkte, auf die ich gerne später noch mal eingehen möchte. Aber dieses Finden von Kandidaten, die sich nie bei uns beworben haben, dass Du das so betonst, ist spannend.

00:06:01


Jan Hawliczek: Ich sage das immer ganz bewusst, weil das immer so der lustigste Punkt ist, auch wenn ich mit Kunden zusammensitze oder einfach nur mit anderen Recruiter darüber spreche. Spätestens da merkst du, ob sich ein Unternehmen Gedanken gemacht hat, dass es wirklich ein Kandidat ist und kein Bewerber. Wenn du ihn ins System bekommst und der Kandidat bekommt eine automatisierte Antwort aus dem System. Weil in 99,9 Prozent der Fälle steht in der automatisierten Antwort was drin?

00:06:27


Alexander Petsch: Danke für Ihre Bewerbung!

00:06:29


Jan Hawliczek: Richtig, ab dem Punkt ist es vorbei! Meiner Meinung nach. Da muss ich echt lachen, weil genau das passiert immer. Da fängt es halt auf der einen Seite an, auf der anderen Seite hört es natürlich auf, wenn ein anderer Stakeholder mit in den Prozess kommt, und das ist meist unser schöner Fachbereich. Die setzen sich im Gespräch virtuell oder physisch dazu und fragen den Kandidaten nach dem Wetter oder sonst etwas. „Warum haben Sie sich bei uns beworben?“ Ja, das geht in dem Moment halt einfach nicht mehr. Wenn das allen bewusst ist, dann funktioniert’s.

00:07:04

Alexander Petsch: Also, der erste Hack ist, wenn man im Active Sourcing unterwegs ist, begreifen, dass der Kandidat sich nicht bei einem beworben hat und diesen Umstand in den Prozessen entsprechend zu berücksichtigen.

00:07:21


Jan Hawliczek: Das ist nicht nur der erste, sondern der allerwichtigste Hack. Ich mache das Ganze schon viel zu lange, seit fast elf Jahren, davon seit sechs Jahren so ein Stück weit beratend, und ich sehe immer wieder, dass man dieses Thema den Leuten fachlich ganz gut beizubringen kann, ich sage mal, in der Identifikation mal eine Datenbank strukturiert zu durchsuchen. Das ist jetzt kein Riesenthema. Woran Active Sourcing tatsächlich in den Unternehmen scheitert, ist, dass nicht verstanden wird, was für einen Kanal man damit aufmacht und was im Prozess dann tatsächlich für Anpassungen notwendig sind, damit es erfolgreich ist. Ich sage zu den Leuten immer, schaut euch die Wand hinter mir an. Das Thema Active Sourcing läuft mit 200 dagegen, wenn nicht jeder, der am Prozess beteiligt ist, verstanden hat, dass da ein Kandidat kommt. Das kann man wirklich so sagen. Und dann finde ich es immer lustig, die Unternehmen geben sehr, sehr viel Geld für die Plattform aus oder für die Datenbank, dass sie darauf zugreifen können – Xing, LinkedIn und wie die alle noch heißen. Da mal hochrechnen, da geben die Unternehmen gut und gerne pro Recruiter oder Sourcer 15 000 bis 20 000 Euro für Zugänge aus, machen sich aber keine Gedanken darüber, was dann da eigentlich im Hintergrund passiert. Und daran scheitert es dann tatsächlich. Deswegen erster und wichtigster Hack: Da kommt ein Kandidat, kein Bewerber.

00:08:41


Alexander Petsch: Ja, und noch wichtiger, ein Kandidat, der sich nicht bei uns beworben hat.

00:08:48


Jan Hawliczek: Richtig, das ist auch ganz wichtig, weil dann die Leute mich fragen, müssen wir dann auf den Knien daherrutschen? Nein, das ist es überhaupt nicht! Dieses Verhältnis verschiebt sich ja nicht. Was passiert, ist, dass wir auf Augenhöhe mit den Kandidaten, mit unserer Zielgruppe kommunizieren. Und wenn wir das verstanden haben, kann es funktionieren. Es sollte kein Ungleichgewicht entstehen. Also, wir müssen nicht auf den Knien daherrutschen und auf einmal etwas tun, was wir noch nie davor getan haben. Ich glaube, das wäre auch verkehrt.

00:09:22


Alexander Petsch: Du hast ja drei Punkte genannt. Fangen wir doch mal bei Finden an. Was wären denn da so Deine Tipps und Tricks?

00:09:32


Jan Hawliczek: Das ist der Punkt, den die meisten immer so ein Stück weit vernachlässigen oder ganz vergessen, beziehungsweise denken, den kann man auch irgendwie automatisieren oder auslagern oder irgendwie von einem Tool machen lassen. Dieser Meinung bin ich noch nicht. Vor drei Jahren hätte ich gesagt, nee, das wird nie automatisiert oder durch irgendwelche Tools ersetzt werden können. Mal schauen. Der wichtigste Hack ist immer, dass man sich mal bewusst wird, was wir dort eigentlich tun, in diesem Punkt identifizieren. Und am einfachsten ist, dass man sich vorstellt, dass man da eine Datenbank durchsucht. Das ist mal das Allerwichtigste, das einem bewusst wird, wir fragen Datenbanken ab. Und das ist nun mal sehr technisch geprägt, und mit technisch geprägt meine ich, jede Datenbank hat eine andere Datengrundlage, da sind einfach andere Datensätze drin. Jede Datenbank hat eine andere Abfrage, die vielleicht auch zu Teilen unterschiedlich funktioniert. Und dafür muss ich dann meinen Leuten Raum und Luft geben und ihnen die Möglichkeiten geben, das auch sauber zu tun. Weil in den meisten Fällen, wenn ich die Recruiter oder Sourcer begleite, sehe ich halt einfach dieses Phänomen, shit in, shit out. Die sitzen dann vor dem Xing Talent Manager oder vor dem LinkedIn Recruiter, machen drei Minuten irgendwie irgendwas und sagen dann zu mir, ja, schau’ her, da gibt es gar niemanden mehr. Da muss ich dann tatsächlich lachen. Das ist wie beim Autofahren, wenn ich nicht weiß, dass es auch einen zweiten Gang gibt, dann kann ich lange im ersten Gang fahren. Alle fahren an mir auf der Autobahn vorbei und ich sage, schau’ mal her, das Auto funktioniert ja überhaupt nicht. Deswegen da mein erster Tipp, befasst euch mal mit Datenbanken, mit Datenbankabfrage, mit der Technik dahinter. Ein großes Stichwort ist Boolieren, weil damit findet man im Web so ein bisschen mehr – Boolesche Suche. Also das Steuern der Datenbankabfrage mittels Befehle, so würde ich es jetzt mal vereinfachen. Um dann so eine Datenbankabfrage wirklich zu 100 Prozent im Griff zu haben und sich nicht nur darauf zu verlassen, dass die Datenbank mir schon die richtigen Profile liefert.

00:11:51


Alexander Petsch: Ich habe auch mehrfach schmunzeln müssen, als Du das beschrieben hast. Ich kann mich an einen Kunden erinnern, der ganz viele Zugänge zu einer großen deutschen Datenbank hat und händeringend nach Wissen und Weiterbildung gesucht haben, um die PS auf die Straße zu bringen.

00:12:26


Jan Hawliczek: Ja, das sehe ich sehr häufig, dass dann die Zugänge da sind, es aber keiner beherrscht. Das ist auch schade.

00:12:35


Alexander Petsch: Gibt es zum Punkt Finden außer Datenbanken noch etwas, worauf Du besonderen Wert legen würdest?

00:12:40


Jan Hawliczek: Ein ganz wichtiger Punkt ist natürlich, dass wir uns dann anschauen, was die Datengrundlage ist. Klar, wenn wir jetzt über Xing oder LinkedIn sprechen, dann ist der Datensatz, der im Hintergrund liegt, meistens sehr nahe einem Recruiter. Wie er normal arbeitet, das heißt, da liegt meistens wohl ein Lebenslauf-Datensatz drin, so würde ich das jetzt einfach mal beschreiben. Wenn wir uns so ein Xing- oder LinkedIn-Profil anschauen, dann ist es sehr ähnlich einem Lebenslauf. Nichtsdestotrotz sind diese Profile natürlich auch sehr technisch geprägt, im Sinne von die Inhalte spiegeln natürlich auch den Job und die Person wider. Und das bedeutet für mich als Sourcer, identifizieren und gewinnen, identifizieren und erfinden. Dazu muss ich natürlich die Plattform verstehen, was kann jemand wo wie angegeben? Was sind Pflichtfelder, was sind Felder, die ich optional hinzufügen kann? Was gibt er dort an? Wie gibt er das an? Weil danach kann ich dann schlussendlich suchen. Das bedeutet, ich muss mich auf der einen Seite in der Identifikation mit der Plattform, mit dem Profil selbst beschäftigen, als auch mit der Zielgruppe direkt. Wenn ich einen Softwareentwickler suche, dann muss ich auch verstehen, in welchem Bereich er Software entwickelt. Ansonsten werde ich da nie jemanden finden. Denn wenn ich nach Softwareentwickler suche, finde ich da relativ viel. Das heißt, man muss sich schon fachlich sehr mit den Profilen und den Anforderungen des Profils auseinandersetzen. Und das ist immer so der Punkt, daher fasse ich das vielleicht als Tipp zusammen. Der Recruiter macht aus einer Stellenanforderung eine Stellenanzeige, ein Sourcer macht aus einer Stellenanforderung Suchprofile. So würde ich es beschreiben. Ich brauche im Sourcing keine Stellenanzeige, die hilft mir genau null weiter. Ich brauche Suchprofile, wo ich mir vorher sauber Gedanken drüber gemacht habe: Auf welcher Plattform bin ich jetzt eigentlich unterwegs? Was geben die Leute dort wo in welchem Bereich an? Was lässt sich davon durchsuchen? Und wie sieht denn dann so ein Profil aus, das ich dort identifizieren möchte? Das sind für mich dann eben solche Suchprofile, neudeutsch sagt man dann Candidate Personas oder Search Personas. Für mich ist es ein Suchprofil. Ich mache mir Gedanken, wen möchte ich da jetzt eigentlich finden?

00:15:11


Alexander Petsch: Wie viel Zeit nimmt das in Anspruch?

00:15:14


Jan Hawliczek: Es kann superviel Zeit in Anspruch nehmen, wenn ich mich in der Zielgruppe nicht wirklich gut auskenne und die Plattform noch nicht kenne, die ich da gerade durchsuche. Dann kann so etwas gut und gerne ein, zwei Tage dauern. Deswegen bin ich auch ein großer Freund und Verfechter dessen, dass sich ein Sourcer, vielleicht zum Beginn seiner Karriere oder im Laufe der Jahre, auf eine Zielgruppe ein Stück weit einschießt. Damit er sie wirklich zu 100 Prozent versteht, fachlich versteht, was da passiert, dann auch versteht, auf welchen Plattformen sie über was sie sprechen. Das nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch und kann nicht mal so nebenbei gemacht werden. Wenn ich manchmal mit Kunden oder Recruitern spreche, die dann sagen, da kommt der Fachbereich und sagt, such’ mal schnell drei Java-Entwickler, da lache ich mir einfach ins Fäustchen. Das funktioniert so halt nicht. Das ist, als wenn ich sagte, mach’ mir mal schnell drei Apps. Was für Apps? Wo, wie, in welchem Store? Was sollen die können? Das ist de facto der Fall.

00:16:19


Alexander Petsch: Du hast eingangs gesagt, was Active Sourcing nicht ist, nämlich Direktansprache. Aber wie geht’s denn dann weiter?

00:16:28


Jan Hawliczek: Ich habe bewusst gesagt, es ist nicht so, dieses Mal-schnell-über-den-Zaun-werfen und wir sind dann die Feuerlöscher und sprechen 20 Leute an und dann melden sich 15. Das ist es nicht für mich. Ich versuche das immer so ein bisschen zu überziehen und den Finger ein Stück weit in die Wunde zu legen. Ich muss immer aufpassen, was ich sage. Ich formuliere es mal so: Zwei meiner besten Freunde sind selbst Software-Entwickler, und ich bin mit denen in einer größeren Whatsapp-Gruppe, die heißt „At Recruiting Hell“. Und die schmeißen mir da immer das rein, was sie von den Recruitern bekommen. Ja, und das ist Direktansprache. Für mich hört sich das tatsächlich nach Massenansprache an, das hat für mich nichts mit Individualisierung und eben Gewinnen und Begeistern zu tun. Wenn ich jemand gewinnen und begeistern möchte, dann muss ich ihn schon irgendwo packen, wo ich ihn sehr persönlich und sehr individuell habe. Und deswegen ist es für mich nicht Direktansprache. Es geht nicht darum, zwei Schlagwörter einzugeben, auf Enter, Ergebnis: 198, und dann vordefinierten Text in Word schreiben, kopieren, einfügen „Hallo Jan“, „Hallo Alexander“, „Hallo Christoph“, „Hallo Sabine“, „Hallo Kathrin“. Das ist es auf jeden Fall nicht. Ich habe schon selber viel zu viele Texte bekommen mit „Sehr geehrte Frau Hawliczek“. Ich find es immer lustig, ich schreibe denen dann zurück „Ich kann es ja gern weiterleiten oder Ihr schickt es direkt an meinen Frau“. Das ist es eben nicht. Das Schlimme ist, das musste ich auch erst im Laufe Jahre verstehen und erkennen. In den meisten Fällen ist es ja nicht mal das Verschulden des Recruiters, sondern es sind einfach die Rahmenbedingungen, in die er reingedrückt wird, dass er irgendwie 200 Leute in der Woche ansprechen muss oder nur zehn Minuten Zeit für Sourcing hat, weil er 30 andere Stellen noch zu betreuen hat. Und dann funktioniert es meiner Meinung nach nicht. War das eine zufriedenstellende Antwort?

00:18:43


Alexander Petsch: Ja, ich komme noch tiefer unter die Oberfläche. Gewinnen und Begeistern – was sind da Deine konkreten Tipps?

00:18:58


Jan Hawliczek: Ein Tipp ist erst mal, es ist Mensch-zu-Mensch-Kommunikation. Das muss jedem Recruiter immer bewusst sein. Wenn ich solche Nachrichten lese, denke ich mir immer, krass, kannst du nachts ruhig schlafen bei dem, was du da in die Welt rausbläst? Was dem Recruiter und dem Unternehmen natürlich jederzeit bewusst sein müssen, da schreibt der Jan Hawliczek dem XY eine persönliche Nachricht. Das ist das, was passiert auf diesen Plattformen, wenn wir jetzt mal bei Xing und LinkedIn bleiben. Da schreibt ja nicht Die Grüne 3 GmbH dem Christoph oder dem Alexander oder dem Jan, sondern da schreibt der Jan Hawliczek einer anderen Person. So, das muss erst mal runtergeschluckt werden. Und das ist für mich immer auch ein Verkaufsargument dem Fachbereich gegenüber, wenn der sagt, schreib’ mal schnell drei Leute an. Dann lehne ich mich zurück und sage, hey, ich schreibe da gar niemanden ganz schnell an, weil das ist mein Name, der dort auf diesen Netzwerken umgeht. Und wenn man es zu Ende denkt, ist es ja nicht nur der Name Jan Hawliczek, sondern dann kommt auch noch Die Grüne 3 mit ins Spiel. Und wir wissen, was in Zeiten von Web 2.0, Kununu, Xing, Blogs und Co. passiert – das ist schnell nicht mehr nur bei der Person, sondern schnell auch im Netzwerk verteilt. Und deswegen muss man sich darüber bewusst sein, es ist Mensch-zu-Mensch-Kommunikation und Kommunikation auf Augenhöhe. Und die kann nur passieren, wenn ich demjenigen Wertschätzung entgegenbringe. Ich versuche immer, das als Grundmaßstab zu setzen. Wenn ich da jemanden eine Nachricht schicke und von ihm erwarte, dass er die von oben bis unten durchliest, dann ist es nicht die Kür, sondern die Pflicht eines jeden Recruiters, sich einmal das Profil von oben bis unten durchzulesen, um ihm dann eine Nachricht zu schicken. Das ist wirklich das, was ich immer versuche mitzugeben. Und wenn man es dann nicht versteht, dann sage ich immer, lies dir bitte einmal deine Nachricht durch, die du mir schicken möchtest, und stopp die Uhr mit. Und genauso viel Zeit verbringst du jetzt damit, dich mit ihm zu beschäftigen. Weil er wird sich, wenn er es ganz durchliest, auch mit dir diese Zeit beschäftigen. Das ist so die absolute Grundlage. Und alles, was da hinzukommt, ist dann ja Empathie, Emotion, auch so ein Stück weit Kommunikationspsychologie. Das ist alles das, was man noch on top setzen kann, wenn man an eine Nachricht denkt, die gewinnen und begeistern soll.

00:21:16


Alexander Petsch: Im Prinzip ist ja der Mindset, den ich im Active Sourcing mitbringen muss, einer der wichtigsten Bestandteile. Wenn ich dich so höre, dann weiß ich, dass ganz viele das von ihrer Einstellung her ganz anders betrachten oder machen.

00:21:47


Jan Hawliczek: Das kann gut sein. Ich bin schon mit einer Powerpoint-Slide herumgelaufen, wo draufstand „Der Recruiter ist der falsche Sourcer“. So hart würde ich es nicht mehr sagen. Zum Teil ist es schon so, der Sourcer ist auf jeden Fall kein Recruiter, das ist für mich Fakt. Und häufig wird der Sourcer leider als Junior Recruiter gesehen, und das ist er für mich auch nicht. Das ist einfach noch mal ein ganz eigenständiger Job. Das hat noch mal etwas ganz anderes im Doing hinter sich, auch vielleicht die Person, die das dann machen sollte. Du hast es ja eingangs schon gesagt, diese technische Affinität bei mir, die kommt nicht von ungefähr. Und in diesem Bereich hat die sich komplett ausleben dürfen, und deswegen habe ich es vielleicht auch noch nicht rausgeschafft aus dem Sourcing, weil das eine geile Spielwiese für mich ist, die jede Woche sich verändert und dreht. Und da bin ich halt dann auch gerne drin. Wenn ich ein klassisches Recruiterprofil sehe, da habe ich vielleicht keine Lust, mich jetzt nächtelang noch irgendwo auf Twitter herumzuschlagen, in irgendwelchen Facebook-Gruppen oder noch irgendwelche Discord-Server zu durchstöbern und zu schauen, ist da noch irgendjemand unterwegs oder kann ich da noch irgendwelche Informationen abgreifen?

00:23:03


Alexander Petsch: Was ist denn ein Discord-Server?

00:23:07


Jan Hawliczek: Sagt Dir die Plattform Discord etwas? Slack sagt Dir etwas, Kommunikation. Discord hat sich quasi in der Gaming-Szene so ein Stück weit etabliert, kommt aber mittlerweile schon in der breiten Masse vor, gerade in der Software-Entwicklung. Das ist ein Kommunikationskanal, den Gamer aufgemacht haben, wo sie quasi während des Spielens sich noch untereinander vernetzen und schreiben können. Man kann sich das mittlerweile vorstellen wie Slack, du hast einen Server, kannst dort deine Kommunikationskanäle aufmachen, mit geschlossenen und offenen Gruppen kommunizieren. Das ist Discord.

00:23:44


Alexander Petsch: Gibt es da auch zu verschiedenen Themen Gruppen?

00:23:55


Jan Hawliczek: Genau. Auf der einen Seite kannst du es natürlich im Sourcing nutzen, um zu schauen, komme ich auf irgendwelche Discord-Server, die fachlich meiner Zielgruppe gleichstehen? Zum anderen läuft da natürlich auch sehr viel fachlicher Austausch innerhalb von Sourcern und Recruitern. Also sowohl als auch, selber Netzwerken, um weiterzukommen, als auch mit der Zielgruppe Netzwerken, um weiterzukommen. In diesen Geschichten sind die Recruiter nicht die allerbesten, das muss man ganz ehrlich sagen.

00:24:26


Alexander Petsch: Ich habe mich gerade gefragt, wie groß Deine Gruppe außerhalb Deiner fünf Freunde ist.

00:24:32


Jan Hawliczek: Leider nicht wirklich groß. Ich habe selber schon mal versucht, eine Recruiter-Community auf Slack zu machen. Da diskutierst du halt immer mit den gleichen Dreien. So ein bisschen schade. Das Schlimme ist, dass es international gesehen komplett anders ist. Wenn man sich gegenüber der englischsprachigen Community öffnet, dann schaut die Welt schon wieder ganz anders aus. Zum Glück.

00:25:07


Alexander Petsch: Okay, also würdest Du sagen, wir hinken mit Active Sourcing im DACH-Raum Jahre hinterher.

00:25:15


Jan Hawliczek: Zum Teil ja, aber das ist meiner Meinung nach teilweise auch gut so. Ich bin keiner derjenigen, die dann zu irgendwelchen internationalen Konferenzen und Veranstaltungen fahren und dann jubelnd zurückkommen. Viele Sachen, das muss ich ganz ehrlich sagen, finde ich auch nicht schlecht, dass sie bei uns nicht gehen. Einfach aufgrund der Rahmenbedingungen, wegen Datenschutz oder IT-Richtlinien oder sonst irgendwas. Bei manchen Dingen, die ganz weit im Westen Europas oder ganz weit im Osten Europas passieren, da denke ich, ja cool, so muss ich jetzt mit Daten und schlussendlich den Kandidaten oder Menschen, die da dahinter stehen, auch nicht umgehen. Das Mittelmaß macht es. Aber ja, wir sind rein technisch gesehen noch weit hinterher.

00:26:06

Alexander Petsch: Was braucht es denn technisch, wenn ich als Unternehmen Active Sourcing betreiben möchte mit eigenen Sourcerinnen und Sourcern?

00:26:24


Jan Hawliczek: Wenn man die Person betrachtet, dann brauchst du mal jemanden, der auf jeden Fall keine Angst hat, den Browser zu öffnen und irgendwo hinzuklicken. Das ist schon mal das Allerwichtigste. Du brauchst jemanden, der diese Neugier hat, einfach mal alles auszuprobieren. Und das kann ein 19-Jähriger sein, eine 19-Jährige. Ich muss hier immer an eine Dame denken, die drei Jahre vor dem Ruhestand war. Sitzt bei mir im Training und sagt, ich habe doch noch drei Jahre, die nächsten drei Jahre werden dadurch geprägt. Deswegen muss ich mich darüber informieren. Und die hat die 18-, 19-, 20-Jährigen in die Tasche gesteckt, weil sie gesagt hat, einfach mal machen. Ich sage den Leuten, ihr könnt das Internet nicht löschen, drückt einfach drauf, ihr macht eigentlich nichts kaputt. So, das ist schon mal das Allererste. Ich versuche es immer so ein bisschen zusammenzufassen unter Technikaffinität für dieses Internet, dass man sich das ein bisschen vorstellen kann, dass man auch versteht, ah ja, so funktionieren dann vielleicht auch Netzwerke und so funktioniert es dann auf dem Netzwerk. Da muss man sich nicht bis ins kleinste Detail auskennen, aber wenn man sich grob damit auskennt, ist es nicht blöd. Das andere ist dann die Technikaffinität für die Zielgruppe. Wenn ich überhaupt nichts mit Softwareentwicklung anfangen kann, mir auch nichts darunter vorstellen kann, was ein Backend oder Frontend ist, dann wird es einfach schwierig. Dann habe ich nämlich auch keine Lust, mich da hineinzudenken und werde dann auf Plattformen, wo Code steht, mich überhaupt nicht zurechtfinden wollen. Und das fehlt dann auch. Und als Unternehmen musst du zumindest so weit sein, deinem Sourcer auch die Rahmenbedingungen zu geben, damit er es überhaupt umsetzen kann. Jetzt ganz plump gesprochen, es fängt meistens schon beim Browser an, dem ich meinem Sourcer zur Verfügung stelle. Weil Du gerade von Handwerkern gesprochen hast. Wenn ich jetzt an einen Schreiner denke und dem Playmobil-Werkzeug in die Hand gebe, dann wird der sich auch zu Tode lachen. Wenn der mir einen Schrank zusammenbauen soll, wird der ein gescheites Handwerkszeug nehmen. Und so ist es bei uns auch. Das fängt dann bei so etwas Lapidarem an wie dem Browser …

00:28:37


Alexander Petsch: Was ist denn kein Playmobil-Browser, sondern für Dich ordentliches Handwerkszeug?

00:28:42


Jan Hawliczek: Ordentliches Handwerkszeug ist entweder Google Chrome, im schönsten Falle, oder Edge Chromium, also der Microsoft-Browser, der auf Chrome-Basis läuft. Im Endeffekt ist es einfach nur eine Edge- oder Microsoft-Hülle, dahinter steckt Chrome. Oder zur Not noch Firefox. Und dann ist es wichtig, dass ich von der IT die Möglichkeit habe, dass ich Apps installieren kann, die Drittanbieter in einem Webstore zur Verfügung stellen, dass ich mir die installieren kann. Da verstehe ich die IT zum Teil, die sagt, wir wollen noch ein Stück weit mitreden, was du dir da installierst, weil nicht alles, was da zum Download angeboten wird, ist in unserem Raum rechtlich erlaubt. Von daher, so ein bisschen das eigene Hirn und das Bauchgefühl mitspielen lassen, wenn man dort eine App runterlädt. Das gehört dann auch noch dazu. Das muss ich vielleicht meinem Kollegen einmal beibringen, wenn er es nicht weiß.

00:29:41


Alexander Petsch: Was würde auf Deiner Wunsch-App-Liste für das Active Sourcing stehen?

00:29:49


Jan Hawliczek: Es gibt zwei Apps, die ich jeden Tag brauche. Das eine ist eine App, die Auto-Text vervollständigt. Ich gebe nur Kürzel ein, und die presst dann einen ganzen Text rein. Die nennt sich Text Blaze, die rettet mir jeden Tag sehr viel Zeit. Und die zweite ist ein Multi Highlighter, der auf einer Website mehrere Textzeichen in unterschiedlichen Farben highlighten und auch noch gruppieren kann. Das ist tatsächlich im Ident Sourcing ein sehr wichtiger Punkt für mich. Das sind zwei so ganz alltägliche Tools, die ich wirklich jeden Tag brauche. Und noch ein Passwort-Verwaltungstool. Ich habe gelernt, die Maslowsche Bedürfnispyramide ist widerlegt worden, oder? Es gibt doch diese lustigen Memes darunter. Das ist so für mich der allergrößte Block Passwort-Management-Tool. Wenn ich das nicht hätte, dann wäre mein Leben schon verloren.

00:30:58

Alexander Petsch: Und was ist da Dein Favorit?

00:31:01


Jan Hawliczek: Dashlane, ich nutze tatsächlich Dashlane. Also, ich werde nicht von denen bezahlt (lacht).

00:31:14


Alexander Petsch: Wir waren beim Gewinnen und Begeistern so ein bisschen steckengeblieben. Wie begeisterst Du denn Kandidatinnen und Kandidaten?

00:31:26


Jan Hawliczek: Ich lasse immer mehrere Aspekte in so eine Nachricht miteinfließen, einerseits mich persönlich, ich gebe auch sehr viel von mir preis, einfach um auch etwas vom Gegenüber preiszubekommen. Das habe ich mal in so einer schönen Führungskräfteschulung beigebracht bekommen. Wenn ich etwas von meiner Insel preisgebe, gibt der andere auch etwas von seiner Insel preis. Das kann man lernen oder es steckt in einem. Das ist so der erste Baustein Eigenmarke. Dann, wenn ich für einen Arbeitgeber rekrutiere, gebe ich auch etwas über meinen Arbeitgeber preis. Der dritte Punkt, der ganz wichtig ist, ist der Raum, in dem ich gerade kommuniziere, also die Plattform. Schreibe ich jemanden auf Xing, LinkedIn oder Twitter, auf Instagram oder per E-Mail oder über irgendeinen anderen Kanal, dann lasse ich auch das mit einfließen, wo ich ihm gerade schreibe. Und der letzte Punkt, wer hätte es gedacht, das Profil, das mir gegenübersteht. Ich habe ganz am Anfang meiner Karriere, zum Glück, muss ich ganz ehrlich sagen, mal einen supergeilen Fehler gemacht: Ich habe einem Softwareentwickler auf Xing geschrieben, der außerhalb von Xing ein Riesennetzwerk gepflegt hat. Und der hat einmal auf Twitter, das war dann der Einstieg bei Twitter für mich, meinen Namen in der Luft zerrissen, weil ich einfach einen Standardtext geschrieben habe. Und Gott sei Dank hat der das gemacht, denn aus Fehlern lernt man. Und das werde ich nie wieder machen. Das Minimum, das ich bei jedem Kandidaten tue, den ich anschreibe: Den Namen nehmen und einmal googlen, das sind zwei Mausklicks. Markieren, rechte Maustaste, in Google nachsuchen. Das dauert genau fünf Sekunden und bewahrt mich vor sehr vielen Schmerzen, die ich dann nachts mit mir ausringe, wenn ich nicht ruhig schlafen kann. Und dann ist es tatsächlich eine superindividuelle Kiste, wie ich da jemanden anschreibe. Beim einen sehe ich im Profil, der treibt vielleicht den gleichen Sport wie ich. Oder ich habe auf seinem Instagram-Kanal gesehen, dass er auch gern Fahrrad fährt oder letztes Mal in Italien im Urlaub war. Oder der Dritte hat mal wie ich eine dreimonatige Pause zwischen zwei Jobs gemacht. Oder der andere hat schon mal gewechselt oder ist gerade erst zwei Monate im Job. Dann schreibe ich ihn halt genau darauf an und sage, hey, du, schau’ mal bei mir ins Profil, ich war auch mal zwei Monate bei einem Arbeitgeber, hätte mich damals jemand angesprochen, ich hätte mich nicht selbstständig gemacht. Wenn ich dich jetzt da rausholen kann, damit du nicht die gleichen Fehler machst wie ich, in die Selbstständigkeit zu rumpeln, dann lass mich das wissen. Also, dann wird es super individuell. Und zusammengefasst kann ich nur sagen, das kann ich jetzt machen, weil ich der Jan Hawliczek bin. Ihr müsst es nicht so machen, wie ich es mache, sondern ihr seid ihr, in euren Rahmenbedingungen, in eurem Umfeld. Und ich glaube, wenn man das beachtet, wird es Kommunikation auf Augenhöhe und Mensch-zu-Mensch-Kommunikation. Das steht für mich dann über allem. An Deiner Reaktion habe ich gemerkt, Dich würde ich mit so einem Text packen.

00:34:31


Alexander Petsch: Du hättest mich jetzt an dem Punkt gepackt, dass es mich interessieren würde, wieso Du in Deiner Selbstständigkeit unglücklich bist (lacht).

00:34:45


Jan Hawliczek: (lacht) Ich mache das immer so ein bisschen als Spaß. Aber das ist ein guter Punkt, dass man das raushören kann. Ich nehme mich selber nicht zu ernst, deswegen mache ich das ganz gerne so.

00:34:56


Alexander Petsch: An alle Sourcer, die Dich jetzt sourcen wollen – vergebene Liebesmühe.

00:35:03


Jan Hawliczek: Sag’ niemals nie. Wenn mir jemand sagt, Jan, du musst nur noch fünf Stunden in der Woche arbeiten und bekommst 3,5 Millionen Euro von mir, bin ich der Letzte, der nein sagt (lacht).

00:35:12


Alexander Petsch: Ein Punkt aus unserem Vorgespräch war, kenne deine Plattform oder deine Portale! Im Sinne von wie bediene ich sie, oder meinst Du damit eher die Metaebene, wofür nutze ich was?

00:35:40


Jan Hawliczek: Sowohl als auch. Es gibt ja auch technische Lösungen, bei denen du zwei Schlagworte eingibst, und dann durchsucht diese technische Lösung sowohl Xing als auch LinkedIn, sowohl Instagram als auch Twitter, Stack Overflow und wie die Portale alle heißen. Und dann denke ich mir immer, so, und jetzt findest du da so ein Stack Overflow-Profil vom Alexander. Du hast überhaupt keine Ahnung, was Stack Overflow ist, klickst dann auf Nachricht schreiben und schreibst ihm dann, oder wie? Das ist schlussendlich das, was operativ dabei rumkommt. Da ist diese Meta-Ebene, die du gerade aufgemacht hast, noch gar nicht mit dabei. Wo ich mir dann immer denke, ja geil, dann schreibst du den Kandidaten dort auf einer Plattform an, auf der du selber gar nicht bist. Was schreibst du ihm dann da? So einen blöden Standardtext von einem Businessportal auf einem Netzwerk, das überhaupt nicht fürs Business da ist. So ungefähr. Das ist so ganz operativ, wo ich mir dann denke, beschäftigt euch doch auch mit der Plattform, wo ihr denjenigen auch finden wollt! Ich hoffe, dass wir jetzt nicht zu tief in die Materie einsteigen, aber wenn mich darauf Leute ansprechen, dann ist es das, was meinen Hals immer so ein bisschen anschwellen lässt. Aber schlussendlich ja, setzt euch mit den Plattformen auseinander. Wo treibt sich derjenige denn eigentlich rum, den wir da suchen? Und wenn er dort ist, warum treibt er sich dort denn eigentlich rum? Und in der Ansprache lasse ich das natürlich mit einfließen. Jetzt bin ich einer von den Bösen, hoffentlich hört keiner zu, der auch mal jemanden verbotenerweise auf einem sozialen Netzwerk anschreibt. Ja, aber glaubt ihr denn, dass ich dem schreibe „Hallo Herr XY, ich bin der Jan, ich bin Recruiter und ich habe gesehen, sie sind …“. Nie. Dann schreibe ich „Hey, Alexander, jetzt habe ich hier Deinen Instagram-Kanal gefunden. Und ja, Du nutzt den anscheinend, so wie ich es herauslese, weil ich den und den Post gesehen habe, nicht nur privat, sondern auch beruflich. Deswegen probiere ich es jetzt hier einfach mal. Ich will Dir einfach nur sagen, Du bist mir deswegen ins Auge gefallen, weil … Ich würde ganz gerne mit Dir in Kontakt treten. Wenn es hier über Instagram für Dich cool ist, dann lass uns gerne hier weiter sprechen. Wenn es für Dich nicht cool ist, dann hier meine E-Mail-Adresse und mein LinkedIn-Profil. Du kannst mir auch gerne da schreiben. Das wird die erste und letzte Nachricht sein, die Du von mir hier bekommst, weil ich Dich einfach nicht in dem sozialen Netzwerk vollspammen will“. Keine Ahnung, wie ich das dann mache, je nachdem wie dein Profil auch rüberkommt. „Grüße, Jan“. Er hat dann den Link zu meinem Profil, er kann auch mich besuchen. Ich habe ein öffentliches Profil, ganz wichtig. Ich kann niemanden anschreiben mit meinem Profil privat, das finde ich eine Katastrophe. Das passiert jeden Tag. Das ist das, was da für mich hängenbleibt, schlussendlich operativ, ganz operativ für den Sourcer.

00:38:42


Alexander Petsch: Noch ein Tipp zum Thema Plattform? Noch etwas Operatives?

00:38:48


Jan Hawliczek: Bevor du irgendjemand überhaupt irgendwann schreibst, erstmal selber ein Profil anlegen. Zuhören, mitmachen und dann vielleicht anschreiben und versuchen, dort Leute zu ärgern. Das ist ein ganz operativer Tipp. Bevor ich über Netzwerke urteile oder da jemand anspreche, erst mal zuhören, mitmachen, vielleicht erste Gehversuche machen. Ich muss da immer an ein lustiges Beispiel denken: Ich habe relativ früh einen Instagram-Kanal gehabt, und früher war Instagram werbefrei, das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen. Die erste Werbeanzeige, die ich auf Instagram gesehen habe, war von Porsche. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, was da für ein Shitstorm abgegangen ist. Als Instagram angedeutet hat, dass jetzt Werbung kommt, sind die Leute in der Community durchgedreht. Ich als Unternehmensvertreter hätte zu dem Zeitpunkt gesagt, so, wir lassen den ersten Shitstorm, die ersten drei Wochen über alle anderen ergehen, und dann stellen wir Werbung rein. Hier hat Porsche meiner Meinung nach einen Fehler gemacht. Weil heutzutage Werbung auf Instagram zu sehen, das ist das Normalste auf der Welt. Wenn man da der Community, der Plattform, dem Netzwerk und den Leuten zugehört hätte, wäre das nicht passiert.

00:40:02


Alexander Petsch: Dann wäre es heute noch werbefrei (lacht).

00:40:06


Jan Hawliczek: (lacht) Das ist richtig, manchmal muss man der Erste sein, der in das Fettnäpfchen tritt. Und von Porsche werde ich mittlerweile gesponsert.

00:40:23

Alexander Petsch: Ach, das ist Dein weißer Porsche vor der Tür. Als Du anfangs über Netzwerke gesprochen hast, habe ich mir so einen Knoten ins Taschentuch gemacht. Du hast angedeutet, dass man einerseits für sich selbst kommuniziert und dann für das Unternehmen, für das man tätig ist. Das ist jetzt nicht besonders überraschend. Aber wir hatten in ein, zwei Podcast-Folgen die Diskussion, kann ich als Unternehmen überhaupt sinnvoll einen Recruiter oder Active Sourcer aufbauen und beschäftigen, wenn dann das ganze Netzwerk an dieser Person hängt?

00:41:22


Jan Hawliczek: Das ist 100 Prozent richtig. Das ist auch das, was meiner Meinung nach da passiert. Ich sehe das ganz entspannt, weil ich irgendwann sage, der Recruiter im Unternehmen wird so viel wert, wenn er ein großes Netzwerk hat. Aber was willst du tun als Unternehmen? Willst du deinen Recruiter dazu verpflichten, dass er alle Kontakte noch irgendwie freigibt? Das widerspricht meiner Meinung nach dieser Netzwerk-Logik. Das wäre für mich das falsche Mindset, da ranzugehen, muss ich ganz ehrlich sagen.

00:41:53


Alexander Petsch: Das war in der Diskussion auch meine Antwort. Ich habe gesagt, wo ist die Alternative? Zeig’ mir eine bessere. Jetzt einfach nicht mitspielen, weil es Gefahren gibt? Das ist einfach so.

00:42:08

Jan Hawliczek: Ich muss mal aufpassen, was ich sage, weil ich arbeite im Hintergrund gerade an einer Softwarelösung, die das vielleicht so ein bisschen aufweichen könnte. Wenn es ein einfaches System gäbe, wo du sagst, du kannst deine Kontakte auch ein Stück weit woanders verwalten, ist meiner Meinung nach das Kandidaten-Management überall besser aufgehoben als auf den Plattformen selbst.

00:42:32


Alexander Petsch: Klar, da bin ich voll bei Dir.

00:42:36


Jan Hawliczek: Wenn man da eine smarte Lösung hat, sehe ich das auch so. Aber trotzdem wirst du da nicht alles rein bekommen, das geht einfach nicht und wäre wider die Natur. Der Recruiter ist dein Netzwerker, dein Lautsprecher da draußen und deswegen wird das nicht funktionieren. Die Probleme, die dann damit gemacht werden, sind immer hausgemacht. Wenn der Recruiter wechselt, dann wahrscheinlich, weil er nicht wertgeschätzt wird im Unternehmen oder weil die Gehaltsführung nicht so gut gelaufen ist oder warum auch immer. Ich würde mir dann eher diese Fragen stellen.

00:43:09


Alexander Petsch: Wir kennen wahrscheinlich beide ein paar sehr gute Recruiter, die auch mehrere Jahre für ein Unternehmen hervorragende Jobs gemacht haben. Und das hat umgekehrt ja auch auf die Unternehmen abgefärbt. Es gibt durchaus Unternehmen, da haben die Leute eine hervorragende Personalarbeit und eine hervorragende Recruitingarbeit geleistet, und das bleibt ja am Unternehmen genauso hängen.

00:43:48


Jan Hawliczek: Absolut. Ich glaube, dann die Stelle wieder zu besetzen, nachdem man sich so einen Namen gemacht hat im Recruiting, ist das dann auch kein großes Problem. Das färbt dann auch positiv auf das Recruiting in dem Unternehmen ab.

00:44:04


Alexander Petsch: Schöner Aspekt, genau. Du hast im Prinzip eine bessere Chance, auch wieder jemanden Talentiertes und Engagiertes auf einer anderen Stufe zu finden und einzustellen.

00:44:13

Jan Hawliczek: Und am besten mache ich das mit demjenigen, der mein Unternehmen verlässt. Dass ich sage, hey, du, wer könnte denn diesen Schuh zu Teil füllen, den du da angehabt hast? Am schönsten wäre es doch so.

00:44:28

Alexander Petsch: Genau. Jan, gibt es zum Schluss noch etwas, was Du gerne loswerden würdest? Der Kopfball-Monster-Jan-Tipp.

00:44:39


Jan Hawliczek: Diesen einen Tipp, den gibt’s eigentlich nicht. Das ist schwierig, aber ich sage halt immer, vernetzt euch, tauscht euch untereinander aus. Ihr könnt nichts verlieren. Wissen ist wie Liebe, wenn man es teilt, wird es mehr. Das ist da immer so mein Spruch. Das ist tatsächlich so. Warum mit eurem Wissen hinterm Berg halten? Viele glauben, jetzt habe ich diesen Hack gefunden, den muss ich aber hüten wie meinen Augapfel. Dann habt ihr lange dafür gebraucht, um den zu bekommen, dann wird das der einzige Schatz sein, den ihr bei euch vergrabt. Dann bekommt ihr nie wieder irgendetwas. Euer Wissen werdet ihr in Zukunft über Netzwerke bekommen, weil das liegt auf der Straße herum, ihr müsst es nur aufsammeln können. Und aufsammeln kann man es, indem man sich ein großes Netzwerk aufbaut. Deswegen tauscht euch aus, seid offen, teilt euer Wissen und eure Erfahrungen, vielleicht auch öffentlich. Das ist meiner Meinung nach der größte Tipp, den der Jan Hawliczek mitgeben kann. Denn wenn ich in so Veranstaltungen reinrenne und die Leute frage, wer von euch hat Twitter, dann heben genau minus drei Leute die Hand an. Dann denke ich mir (seufzt), weißt Du, was ich meine? Das tut mir immer so ein bisschen weh.

00:46:01


Alexander Petsch: Es ist ja ein Teil meines Business, Leute zusammenzubringen.

00:46:06


Jan Hawliczek: Ich tue mir mittlerweile schwer zu sagen, hey, geht auf Twitter, weil auf Twitter, gerade wenn man sich jetzt in Richtung Corona-Pandemie umschaut, da zweifelt man manchmal an der Intelligenz der Menschheit. Aber gut, man muss sich ja nicht diesen Aspekt von Twitter anschauen. Aber wenn man sich da ein starkes Netzwerk aufbaut, dann gibt das einem sehr viel zurück, meiner Meinung nach. Aber es muss ja nicht Twitter sein, es kann auch offline sein. Was ich Dir vorhin gesagt habe, dann muss ich halt mal drei, vier Leute in meinem Umfeld fragen, die aus der Zielgruppe kommen, und muss mich halt dann damit beschäftigen. Das muss man mögen. Aber das Lustige ist ja, wenn man die Leute fragt, warum sie ins HR oder Recruiting wollen – weil sie gern mit Menschen machen. Deswegen besinnt euch auf das zurück, was ihr in eurem ersten Vorstellungsgespräch gesagt habt – und tut das auch.

00:46:57


Alexander Petsch: Das war eine schöne Kurve zum Schluss. Vielen Dank, dass Du heute bei uns warst. Hat mir Spaß gemacht. Und wenn Ihr die Hacks und Tipps oder den ganzen Podcast als Interview noch mal nachlesen wollt, dann einfach bei Hrm.de Jan Hawliczek und Sourcing oder den Titel des Podcasts eingeben, und dann werdet Ihr das finden, was Ihr sucht. Noch einmal herzlichen Dank.

00:47:22


Jan Hawliczek: Ich haue noch zum Schluss noch einen raus, das ist mir immer wichtig: Vernetzt euch mit mir, egal ob auf Xing oder LinkedIn. Und schreibt mir doch bitte als Text irgendwo Hashtag Porsche.

00:47:39


Alexander Petsch: Alles klar. Glückauf, bleibt gesund und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.