Schwierige Formulierungen im Gesetz

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Foto von Kelly Sikkema

Für das Wetter kann der Arbeitnehmer als Person nichts. Dennoch gibt es einen „in seiner Person liegenden Grund“ (§ 616 Absatz 1 BGB), bei dem der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden kurzfristig davon abgehalten wird, seiner Arbeit nachzugehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber zahlen. Ein solcher Grund kann sein: Ein Krankheitsfall, ein Arztbesuch, ein Krankheitsfall Schutzbefohlener in der Familie, ein Todesfall in der Familie oder ein Verkehrsunfall.
Schlechtes Wetter gilt jedoch nicht als ein „in seiner Person liegender Grund“ – Schneefall, Glatteis, ein Autounfall oder Stau liegen außerhalb seiner Person – und betreffen ohnehin alle Pendler, die auf dieser Strecke unterwegs sind. Die Lohnfortzahlung kann hier bei Fortbleiben oder Zuspätkommen ausgesetzt werden. Diese Regelung gilt schon seit 1982 (Bundesarbeitsgericht Az. 5 AZR 283/80).

Rechtzeitig Plan B bereithalten

Wenn Bilder von Schneechaos und Sturmwarnung über den Bildschirm flimmern, sind Arbeitnehmer also vor allem eines: vorgewarnt. Liegen die Berichte mindestens 24 Stunden vor dem Arbeitsbeginn, gilt die Beeinträchtigung als „vorhersehbar“, und Arbeitnehmer müssen alles „Zumutbare“ in die Wege leiten, um pünktlich Ihre Arbeit antreten zu können. Das liegt nun in ihrer Verantwortung. Die Grenzen der Zumutbarkeit sind dabei im Einzelfall Auslegungssache, was immer wieder die Gerichte beschäftigt. Generell gilt als zumutbar:

  1. Sich zu informieren, welche alternativen Verkehrsmittel, Umsteige- und Zusteige-Möglichkeiten und Verkehrsrouten es gibt, wann Sie alternativ losfahren könnten, Fahrgemeinschaften zu bilden, Sorge zu tragen für ausreichend Schutz, Pflege, Wartung und Ausstattung des Autos (Abdeckung, Batterie, Freiräumen, Schneeketten) etc.
  2. Früher aufzustehen und früher loszufahren (wobei das auch Grenzen hat, eine angemessene Zeit der Nachtruhe sollte eingehalten werden dürfen.)
  3. Evtl. kurzfristiges Übernachten bei Familie/Freunden, etc.

Unter dem Schreibtisch campieren? Bitte nicht.

Als nicht zumutbar sollte gelten, dass man sich in der Stadt/der Nähe der Arbeitsstätte mit entsprechenden Mehrkosten einmieten muss (Hotelzimmer), dass man regelmäßig/mehrmals teure Taxifahrten trägt etc. Was aber tun, wenn man alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat – gerade in manchen ländlichen Regionen und Vororten werden immer mehr Nahverkehrs-Linien abgesetzt, Schienenersatzverkehr wird nicht immer eingesetzt und dann häufig auch nur nach Verzögerung. Seitenstraßen werden nicht oder nur nachrangig geräumt. Nicht jeder hat ein wintertüchtiges Auto. Viele müssen sich um Kinder, Eltern kümmern, und Arbeits-/Einsatzpläne richten sich nicht nach örtlichen Gegebenheiten und Wetterverhältnissen. Eine schwierige Situation für den Arbeitnehmer.

Alles richtig gemacht: trotzdem zu spät

Grundsätzlich gilt: Kommunikation hilft. Rechtzeitig miteinander reden hilft immer. Soviel Verständnis und Kulanz sollte möglich sein, auf beiden Seiten. Das beginnt mit dem frühzeitigen Anruf bei der Arbeit, dass man heute später kommt – oder im Extremfalle gar nicht kommen kann. Das geht weiter mit dem Angebot, die Zeit nachzuarbeiten. Arbeitnehmer sind verpflichtet, verlorene Arbeitszeit nachzuarbeiten oder Urlaub zu nehmen. Ist Arbeitnehmern das nicht möglich, sind Lohnkürzungen, je nach vertraglicher Basis, möglich. Das Nacharbeiten muss der Arbeitgeber jedoch gestatten und auch flexibel erlauben: Die Nacharbeitung muss beispielsweise nicht zwangsläufig noch am selben Tag erfolgen (dann fährt wohlmöglich gar kein Zug mehr, der den Arbeitnehmer nach Hause bringt). Außerdem ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seine gesamte Tagesorganisation daraufhin zu ändern, u.U. müssen ja Kinder von Tageseinrichtungen abgeholt werden, oder es gibt andere unaufschiebbare Termine.

Wann sind Sanktionen erlaubt oder sinnvoll?

Was der Arbeitgeber nicht darf: Automatisch abmahnen. Bisher ist es nach derzeitiger Rechtslage nicht zu vertreten, bei Unwetterlagen, schweren Wetterlagen oder nicht planbaren oder vorhersehbaren plötzlichen Wetterereignissen, eine Abmahnung auszusprechen.
Eine solche Maßnahme kann nur in besonderen Einzelfällen erfolgen, beispielsweise, wenn der Mitarbeiter generell immer wieder nachweislich – und dann ohne Mitteilung oder ohne Entschuldigung –  fehlt, wenn die Verspätung immer mehrere Stunden beträgt, auch über mehrere Tage anhält, das schlechte Wetter sich jedoch bessert, etc.

Fazit: „Unvorhersehbaren“ Ereignissen mit guter Kommunikation und Planung begegnen

Der Arbeitgeber kann entsprechenden Konflikten vorbeugen, indem er schon im Vorfeld bspw. durch Aushänge, in Betriebsvereinbarungen oder -versammlungen ganz klar regelt, wie in solchen Fällen vorzugehen ist. Hier kann man festlegen, wer wen wann und wie informiert. Wann wie und innerhalb welcher Fristen nachgearbeitet werden kann. Ob evtl. auch Überstundenabbau und Zeitkontenregelungen, Homeoffice-Zeiten oder Jobsharing-Regelungen, Schicht-Wechsel oder Schicht-Tausch möglich sind. Hier gibt es viel Raum für kreative, Arbeitnehmer- und Firmen-freundliche Regelungen, ohne dass darunter die Produktivität zu leiden hat.

Der Arbeitnehmer sollte über diese Regelungen immer rechtzeitig informiert sein. Umgekehrt sollte auch der Arbeitgeber über alle Alltagshürden rechtzeitig informiert sein. Häufig sind je nach Arbeitsplatzlage ohnehin mehrere Arbeitnehmer betroffen. Rechtzeitige Benachrichtigungen und Absprachen sollten für alle Beteiligten selbstverständlich sein und sind außerdem ein Gebot der Höflichkeit und der Unternehmenskultur. A propos Unternehmenskultur: Hier liegen vorausschauendes Handeln, gegenseitiges Mitdenken und Verständnis ganz vorne. Generalverdacht und Abmahnungen sind der Arbeitsleistung nicht wirklich förderlich. Eine konstruktive, freundliche, unterstützende Unternehmenskultur fördert Loyalität und Produktivität – und kann so jedem Sturmtief trotzen.