Zuletzt musste im Dezember 2007 eine Einigung im Europäischen Rat über die Arbeitszeit-Richtlinie und über Zeitarbeitsfirmen (Richtlinie über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern) aufgeschoben werden, nachdem Großbritannien damit gedroht hatte, den EUReform- Vertrag von Lissabon nicht zu unterzeichnen, sofern beim Thema Zeitarbeit eine Einigung erzielt werden sollte. Inzwischen gibt es aber auch von Seiten Großbritanniens „positive Signale“ und der EU-Sozialministerrat hat soeben einen Kompromissvorschlag für eine EUZeitarbeitsrichtlinie verabschiedet, in dem der Gleichbehandlungsgrundsatz bekräftigt wird und demnach Zeitarbeitskräfte und Stammmitarbeiter in ihren Rechten gleichgestellt werden. Für Deutschland werden sich daraus allerdings keine wesentlichen Änderungen ergeben. Nach wie vor kann vom Grundsatz des „Equal Pay“ durch tarifvertragliche Vereinbarungen abgewichen werden. Diese Tarifverträge liegen in Deutschland vor.

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Foto von William Iven

Aber auch in Deutschland ist der Bereich der Leiharbeit im Zusammenhang mit den Forderungen nach einem branchenbezogenen Mindestlohn in Bewegung. Bis zum 31. März 2008 konnten die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen aller Branchen die Aufnahme in den Schutzbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes – und damit einen branchenbezogenen Mindestlohn – beantragen. Von diesem „Angebot“ machte auch die Zeitarbeitsbranche im Februar 2008 Gebrauch. Der heftig umstrittene Entwurf zur Neufassung des Arbeitnehmerentsendegesetzes, auf dessen Grundlage die Einbeziehung neuer Branchen erfolgen soll, liegt dem Bundestag zur Beratung vor. Die zukünftigen Entwicklungen in diesem Bereich bleiben mit Spannung abzuwarten.

Trotzdem erfreute sich die Leiharbeit zuletzt einer verstärkten Nachfrage vieler Unternehmen. Dies zeigen nicht zuletzt auch aktuelle Entscheidungen deutscher Arbeitsgerichte, die sich mit Sachverhalten befassen mussten, die in der Unternehmenspraxis spürbare Relevanz – insbesondere für Entleiher – haben.

Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung

Das LAG Hannover hatte zu beurteilen, ob die Arbeitnehmerüberlassung durch eine konzerneigene Personaldienstleistungsgesellschaft zu einer Umgehung der Vorschriften des AÜG führt und dem Betriebsrat bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern daher ein Zustimmungsverweigerungsrecht zusteht (Az.: 9 TaBV 107/05). Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen einer Unternehmensgruppe des Verlagswesens, hatte erfolglos eine Stelle ausgeschrieben. Zur Besetzung dieser Stelle wandte sie sich letztlich an die ebenfalls zur Unternehmensgruppe gehörende Personaldienstleistungsgesellschaft N, um die anfallenden Arbeiten von einer Leiharbeitskraft ausführen zu lassen. Die Arbeitgeberin beantragte die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der Leiharbeitskraft, die der Betriebsrat jedoch verweigerte, da die beabsichtigte Einstellung zu den genannten Bedingungen gesetzeswidrig sei.

Der Betriebsrat argumentierte, die Personalplanung der Arbeitgeberin laufe darauf hinaus, Dauerarbeitsverhältnisse, die dem Branchentarifvertrag unterfallen, durch Leiharbeitsverhältnisse zu ersetzen, auf die die Regelungen des Branchentarifvertrags keine Anwendung fänden. Der Betriebsrat berief sich auf die in der Literatur vertretene Einschätzung, bei der konzerneigenen Arbeitnehmerüberlassung handele es sich um eine unzulässige „Strohmann-Konstruktion“. Der konzerneigene Verleiher sei lediglich Scheinverleiher, da er das typische Verleiherrisiko nicht trage (vgl. § 1 Abs. 2 AÜG). Das LAG setzte dem entgegen, auch der konzerninterne Verleiher habe für eine Anschlussbeschäftigung zu sorgen und müsse notfalls das Vergütungsrisiko übernehmen oder Kündigungen aussprechen. Auch wenn es in der konkreten Konstellation aufgrund der Dauerüberlassung zu einer erheblichen Reduktion der Risiken käme, so sei dies lediglich das Resultat einer zulässigen Nutzung des durch das AÜG in der Fassung vom 1. Januar 2004 eröffneten Gestaltungsspielraums.

Diese Entscheidung stützt bis auf weiteres die Zulässigkeit konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sich erstmalig ein LAG mit der Strohmann-Problematik auseinander gesetzt hat. Es ist zu erwarten, dass sich das BAG in der Rechtsbeschwerdeeinstanz ebenfalls mit dieser Thematik auseinander setzen wird. Die Bestätigung der Entscheidung des LAG würde die Möglichkeit absichern, im Wege konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung erhebliche Personalkosten einzusparen.

Die Zulässigkeit solcher Personalüberlassungskonstellationen würde jedoch nicht alle Entleiherrisiken ausräumen. Der Austausch der Stammbelegschaft stellt weder einen betriebsbedingten Kündigungsgrund, noch einen Sachgrund für eine Befristungsabrede dar. Der Austausch bleibt daher weiterhin nur im Rahmen der Fluktuation möglich. Bei Neueinstellungen ist der Arbeitgeber jedoch in der Entscheidung frei, ob er den Arbeitsanfall mit eigenen oder entliehenen Arbeitnehmern bewältigen möchte. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber der Ausweitung dieser Personalüberlassungskonstellation nicht durch für das Jahr 2008 angekündigte Gesetzesänderungen entgegentreten wird. Konkrete Änderungsvorhaben sind jedoch nicht bekannt. Dennoch ist es ratsam, Gestaltungsvorhaben im Bereich der Leiharbeit auf Basis der aktuellen Gesetzeslage schnellstens anzugehen und umzusetzen.

Betriebsbedingte Kündigungen und Leiharbeit

Das LAG Hamm hat entschieden, bei der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung seien auch die Arbeitsplätze einzubeziehen, auf denen der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist Leiharbeitnehmer einsetzt (11 Sa 1338/06). Die Beklagte hatte gegenüber der Klägerin eine betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen. Die Klägerin war bei der Beklagten in einer Abteilung beschäftigt, in der seit 2004 zu unterschiedlichen Zeiten sieben verschiedene Leiharbeitnehmer tätig geworden waren. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung waren in der Abteilung drei Leiharbeitnehmer tätig, zum Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist waren es zwei.

Die Beklagte trug vor, es habe im Unternehmen keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin gegeben. Ein freier Arbeitsplatz habe nicht bestanden. Die Klägerin stellte sich auf den Standpunkt, wenn in der Abteilung, in der sie beschäftigt worden sei, weiterhin Leiharbeitnehmer eingesetzt würden, dann könne der Beschäftigungsbedarf (für sie) nicht weggefallen sein. Das LAG sah in der Nichtberücksichtigung der Arbeitsplätze der Leiharbeitnehmer als „freie Arbeitsplätze“ einen Verstoß gegen das kündigungsrechtliche Ultima- Ratio-Prinzip (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG). Es nahm Bezug auf eine Entscheidung des BAG vom 17. März 2005 (2 AZR 4/04), in der das Gericht festgestellt hatte, eine betriebsbedingte Kündigung ohne Berücksichtigung der Arbeitsplätze von Leiharbeitnehmern als „freie Arbeitsplätze“ verstoße nicht gegen das Ultima-Ratio- Prinzip. Das BAG hatte dies für den Fall entschieden, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine ausreichende Grundlage für die Einschätzung gegeben ist, bei Ablauf der Kündigungsfrist werde ein zusätzlicher Beschäftigungsbedarf bestehen.

Diese BAG-Entscheidung müsse zu dem Umkehrschluss führen, bei ausreichender Grundlage für die Einschätzung des weiteren Beschäftigungsbedarfs müssten auch die Arbeitsplätze, auf denen Leiharbeitnehmer beschäftigt würden, als „freie Arbeitsplätze“ berücksichtigt werden. Eine gegenteilige Beurteilung führe zu einem nicht zu rechtfertigenden Widerspruch zum Grundsatz der Unzulässigkeit von Austauschkündigungen. Auch würde das Erfordernis der Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) ausgehebelt, wenn Leiharbeitnehmer auf ihren Arbeitsplätzen gehalten werden könnten, Arbeitnehmer mit lang andauernder Betriebszugehörigkeit jedoch nicht.

Die Relevanz dieser Entscheidung liegt darin, dass erstmalig ein Sachverhalt zu beurteilen war, in dem bei Ausspruch der Kündigung bereits Planungssicherheit bezüglich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern zum Zeitpunkt des Auslaufens der Kündigungsfrist bestand. Mit einer abschließenden Klärung des Sachverhalts durch das BAG ist vorerst nicht zu rechen. Die Entscheidung ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden. Vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidung des BAG ist jedoch Arbeitgebern im Vorfeld betriebsbedingter Kündigungen zu raten, die Arbeitsplätze von Leiharbeitnehmern bei der Prüfung des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs und des Bestehens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten einzubeziehen und diese vorrangig abzubauen.

Betriebsbedingte Änderungskündigung

Widerspricht ein Arbeitnehmer einem Betriebsübergang und fällt infolge des Betriebsübergangs sein Arbeitsplatz beim Veräußerer weg, so kann der Veräußerer eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Angebot aussprechen, den Arbeitnehmer in einer anderen Abteilung zu beschäftigen und von dort an den Betriebsübernehmer zu verleihen. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist wirksam, wenn der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen anzubieten, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Von einer solchen Änderung ist auch dann auszugehen, wenn der Veräußerer dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur zu der (geringeren) Vergütung anbietet, die der Erwerber vergleichbaren Arbeitnehmern in seinem Betrieb gewährt. Dies liegt darin begründet, dass der Marktwert der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer unter demjenigen eines angestellten Arbeitnehmers liegt. Bei dieser Entscheidung ist zu beachten, dass die geringere Vergütung der Arbeitnehmer erst dadurch möglich wurde, dass eine Sonderregelung zu den bei der Beklagten geltenden Tarifverträgen explizit für die Arbeitnehmer getroffen wurde, die dem Betriebsübergang widersprochen hatten (BAG, Az.: 2 AZR 31/06).

Mitbestimmung des Betriebsrats

Ein Entleiher muss das Mitbestimmungsverfahren nach §§ 99, 100 BetrVG auch dann durchführen, wenn der Verleiher einen bereits eingestellten Leiharbeitnehmer austauscht. Dies gilt auch, wenn der Verleiher lediglich die Überlassung von Arbeitnehmern nach Qualifikation und Anzahl, nicht aber die Überlassung eines bestimmten Arbeitnehmers schuldet. Der Austausch von Leiharbeitnehmern ist als Einstellung zu sehen, da diese nach ständiger Rechtsprechung des BAG lediglich die Eingliederung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers voraussetzt. Eine derartige Eingliederung erfolgt bezüglich des ausgetauschten Leiharbeitnehmers (LAG Frankfurt, Az.: 4 TaBV 203/06).

Quelle: Personalwirtschaft – 07/2008