Kündigung wegen mangelnder Deutschkenntnisse auch bei langjährig Beschäftigten möglich

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Ist ein Arbeitnehmer mangels hinreichender deutscher Sprachkenntnisse nicht in der Lage, schriftliche Arbeitsanweisungen zu verstehen, kann selbst nach einer langjährigen Tätigkeit (hier: 29 Jahre) eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Eine solche Kündigung stellt grundsätzlich keine nach dem AGG unzulässige mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kenntnis der deutschen Schriftsprache für die Tätigkeit erforderlich ist.

BAG Urt. v. 28.01.2010 – 2 AZR 764/08

Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr sind für die Bestimmung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen

Die in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB enthaltende Regelung, wonach vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht zu berücksichtigen sind, verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht. Hierin liegt laut Europäischem Gerichtshof eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Deutsche Gerichte dürfen die Vorschrift zukünftig auch in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen nicht mehr anwenden.

EuGH Urt. v. 19.01.2010 – C-555/07

Zulässigkeit von beruflichen Altersgrenzen

Ein Höchstalter von 30 Jahren für die Einstellung von Feuerwehrleuten, die in der Brandbekämpfung eingesetzt werden sollen, stellt keine Altersdiskriminierung dar. Die Festlegung des Alters für das Ende der Tätigkeit eines Vertragszahnarztes auf 68 Jahre ist hingegen unzulässig, wenn diese Altersgrenze nicht in widerspruchsfreier Weise einem Ziel des Gesundheitsschutzes oder der Beschäftigungspolitik dient.

EuGH Urt. v. 12.01.2010 – C-229/08 und C-341/08

Kein AGG-Verstoß bei Aufforderung eines ausländischen Arbeitnehmers zum Besuch eines Deutschkurses

Arbeitgeber dürfen ausländische Arbeitnehmer mit mangelnden Sprachkenntnissen zum Besuch eines Deutschkurses auffordern. Eine entschädigungspflichtige Belästigung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Sinne des § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 1 AGGbesteht dabei nicht. Auslöser einer solchen Aufforderung ist nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein grundsätzlich nicht die Herkunft, sondern die mangelnde Sprachkompetenz des Arbeitnehmers. Zudem wird durch eine solche Aufforderung noch kein feindliches Umfeld im Sinne des § 3 Abs. 3 AGG geschaffen.

LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 23.12.2009 – 6 Sa 158/09

Schicksal von in der Insolvenz erdienten Betriebsrenten-Anwartschaften

Insolvenzverwalter können die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erdienten Betriebsrenten-Anwartschaften unter den Voraussetzungen von § 3 Abs. 4 BetrAVG (Betriebsrentengesetz) grundsätzlich unabhängig von ihrer Höhe abfinden. Eine Abfindung scheidet allerdings aus, wenn es zu einem Betriebsübergang gekommen und das Arbeitsverhältnis dabei auf den Erwerber übergegangen ist. In diesem Fall tritt der Erwerber in die Anwartschaften ein.

BAG Urt. v. 22.12.2009 – 3 AZR 814/07

Fragen zu Krankheiten im Vorstellungsgespräch können diskriminierend sein

Fragt der Arbeitgeber einen Bewerber im Vorstellungsgespräch nach Krankheiten, die häufig zu einer Behinderung führen, kann eine Diskriminierung wegen vermuteter Behinderung vorliegen, wenn das Unternehmen den Bewerber ablehnt. Nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 AGG liegt eine unzulässige Diskriminierung auch vor, wenn der Arbeitgeber nur annimmt, dass der Kandidat ein Diskriminierungsmerkmal (zum Beispiel eine Behinderung) hat.

BAG Urt. v. 17.12.2009 – 8 AZR 670/08

Keine Pflicht zur automatischen Arbeitsaufnahme nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess

Hat sich ein Arbeitnehmer erfolgreich gegen eine Kündigung zur Wehr gesetzt, muss er seine Arbeit erst dann wieder aufnehmen, wenn der Arbeitgeber ihn dazu auffordert. Hierzu reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen von (erfolglosen) Vergleichsverhandlungen darauf hingewiesen wurde, dass er dann, wenn seine Klage erfolgreich ist, wieder bei der Arbeit erscheinen müsse. Der Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz anzubieten und zugleich zu erklären, dass die Arbeitsleistung eine Grundvoraussetzung für die Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrages ist.

LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 05.11.2009 – 26 Sa 1840/09

Fristlose Kündigung bei Bedrohung und Beleidigung von Kollegen

Bedroht und beleidigt ein Arbeitnehmer seine Kollegen wiederholt, kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein. Dies gilt umso mehr, wenn er ein entsprechendes Verhalten trotz einer einschlägigen Abmahnung fortsetzt. Arbeitgeber sind aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern dazu angehalten, derartige Störungen des Betriebsfriedens zu unterbinden.

LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 21.10.2009 – 3 Sa 224/09

Anspruch auf Mindestlohn für Leiharbeitnehmer besteht nicht immer

Nach § 8 Abs. 3 AEntG haben Leiharbeitnehmer zwar grundsätzlich einen Anspruch auf den jeweiligen Branchen-Mindestlohn. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Entleiherbetrieb in den betrieblichen Geltungsbereich des AEntG beziehungsweise des Mindestlohn-Tarifvertrages fällt. Es reicht demnach für einen Mindestlohn-Anspruch nicht aus, wenn der Leiharbeitnehmer Tätigkeiten aus dem Bereich eines Gewerbes (zum Beispiel Maler- und Lackiererhandwerk) ausübt, für den eine Mindestlohn-Regelung gilt.

BAG Urt. v. 21.10.2009 – 5 AZR 951/08

Lenkzeitunterbrechungen als Arbeitszeit?

Lenkzeitunterbrechungen bei Straßenbahnfahrern, während denen der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung zu erbringen hat, ihm keine Arbeitsbereitschaft abverlangt wird und die mindestens acht Minuten betragen, sind keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Vielmehr handelt es sich um Ruhepausen im Sinne von §§ 4, 7 Abs. 1 Nr. 2 ArbZG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TV-N Berlin.

BAG Urt. v. 13.10.2009 – 9 AZR 139/08

Vehementes Einfordern einer Betriebsratswahl kein Kündigungsgrund

Auch einem Arbeitnehmer, der die Wahl eines Betriebsrates zu forcieren versucht und dabei die gesetzlichen Grenzen – bewusst oder unbewusst – verkennt, darf nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Eine solche Maßnahme wäre nur dann gerechtfertigt, wenn für die Zukunft eine „schwere Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses“ zu befürchten ist.

BAG, Urt. v. 08.10.2009 – 2 AZR 682/08

Neue „Urlaubsrechtsprechung“ beeinflusst Zusatzurlaub Schwerbehinderter nicht

Die neue Rechtsprechung des EuGH, wonach Arbeitnehmer auch dann einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, wenn sie im gesamten Urlaubsjahr und über den Übergangszeitraum hinaus krank waren, gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub im Sinne des § 3 BUrlG und nicht für den Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen. Davon ist zumindest auszugehen, da sich die zur Entscheidung des EuGH führende Vorlage auf den gesetzlichen Mindesturlaub beschränkt hatte.

LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 02.10.2009 – 6 Sa 1215 und 1536/09

Sozialplanabfindung bei Teilzeitbeschäftigung

Nach dem Zweck eines Sozialplans ist es nicht zu beanstanden, wenn ein die Abfindungshöhe bestimmender Faktor das zuletzt bezogene individuelle Bruttomonatsgehalt ist. Dies gilt auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Sozialpläne können bei Arbeitnehmern, bei denen sich die individuelle Arbeitszeit während des Verlaufs des Arbeitsverhältnisses geändert hat, auch auf eine Durchschnittsberechnung abstellen. Eine solche Durchschnittsberechnung ist ebenfalls denkbar, wenn in Sozialplänen danach differenziert wird, ob eine Änderung der individuellen Arbeitszeit in zeitlich näherem Zusammenhang mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist oder längere Zeit zurückliegt.

BAG Urt. v. 22.09.2009 – 1 AZR 316/08

Außerordentliche Kündigung bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit

Hat der Arbeitnehmer die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht, kann dies auch dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen ist. Eine nur vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit ist anzunehmen, wenn der vermeintlich kranke Arbeitnehmer auf ein Angebot zur Schwarzarbeit eingeht. In diesem Fall ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert.

LAG Hessen Urt. v. 01.04.2009 – 6 Sa 1593/08

Weitere Informationen: www.naegele.eu