Neues Urlaubsrecht auch für Schwerbehinderte

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Die neue Rechtsprechung, wonach Arbeitnehmer auch dann einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, wenn sie im ganzen Urlaubsjahr und über den Übertragungszeitraum hinaus krank waren, gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen. Für einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden tariflichen Urlaubsanspruch können die Tarifvertragsparteien allerdings bestimmen, dass eine Abgeltung ausscheidet.

BAG Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09

Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei frauenspezifischer Aufgabenstellung

Eine Gemeinde darf bei der Besetzung der Stelle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken, wenn ein Schwerpunkt der Tätigkeiten in Projekt- und Beratungsangeboten liegt, deren Erfolg bei Besetzung der Stelle mit einem Mann gefährdet wäre. Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich die Angebote an Frauen in Problemlagen richten, in denen die Betroffene typischerweise zu einer weiblichen Gleichstellungsbeauftragten leichter Kontakt aufnehmen und sich ihr besser offenbaren kann oder ausreichende Lösungskompetenzen nur einer Frau zutraut.

Die von dem männlichen Bewerber eingereichte Klage auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Das Gericht entschied, dass es aber einer objektiven Eignung des männlichen Bewerbers nicht entgegenstehe, dass dieser als Diplomvolkswirt unter Umständen nicht über eine geisteswissenschaftliche Ausbildung verfüge. Das weibliche Geschlecht der Stelleninhaberin stelle aber wegen der konkreten Ausgestaltung der Stelle eine wesentliche und entscheidende Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung dar.

BAG Urt. v. 18.03.2010 – 8 AZR 77/09

Tarifliche Regelungen dürfen eingetragene Lebenspartner nicht gegenüber Ehepartnern benachteiligen

Die Regelung im Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), wonach nur verheiratete Beschäftigte im öffentlichen Dienst einen Anspruch auf einen Ortszuschlag für Stiefkinder haben, war eine gleichheitswidrige Benachteiligung von eingetragenen Lebenspartnern und ist deshalb gemäß Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam. Gleiches gilt für eine tarifliche Regelung, wonach nur verheirateten Arbeitnehmern bei Entsendung ins Ausland ein Auslandszuschlag zu bezahlen ist.

BAG Urt. v. 18.03.2010 – 6 AZR 156/09 und 6 AZR 434/07

Wirksamkeit einer Haushaltsbefristung nur bei klarer Bestimmung

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind Hierzu müssen im Haushaltsplan Mittel mit einer nachvollziehbaren Zwecksetzung für seine Aufgabe von vorübergehender Dauer ausgewiesen sein. Der Zweck muss schon aus Gründen des europäischen Gemeinschaftsrechts so bestimmt sein, dass er eine Kontrolle dahingehend ermöglicht, ob die befristete Beschäftigung der Deckung eines vorübergehenden Bedarfs dient.

Diesen Anforderungen genügt eine Bestimmung im Haushaltsplan der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2005 nicht, nach der „für Aufgaben nach dem SGB II“ bundesweit 5000 Kräfte mit befristetem Arbeitsvertrag für die Dauer von drei Jahren vorgesehen sind. Denn diese Bestimmung macht nicht deutlich, ob die Beschäftigung der befristet eingestellten Arbeitnehmer mit Aufgaben von vorübergehender Dauer erfolgt oder ob damit ein ständiger Bedarf abgedeckt wird.

Dies gilt auch im Hinblick auf die in dem Haushaltsplan pauschal formulierte Erwartung, dass der Bedarf für Aufgaben nach dem SGB II infolge der Arbeitsmarktentwicklung zurückgehen werde. Auch der nicht näher begründete Hinweis, dass die Bundesagentur personelle Entlastungsmöglichkeiten im SGB-II-Bereich dazu nutzen werde, vorhandenes Dauerpersonal zusätzlich für die Aufgabenerledigung nach dem SGB II einzusetzen, ändert nichts an dieser Tatsache.

BAG Urt. v. 17.03.2010 – 7 AZR 943/08

Auslegungsregeln bei zeitdynamischer Verweisung auf Tarifverträge

Nach der früheren Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge Bezugnahmeklauseln – wie die im Arbeitsvertrag der Parteien – in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Deren vertraglicher Zweck war es allein, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen gleich zu stellen. Den tariflich gebundenen Beschäftigten gegenüber waren die betreffenden Tarifverträge ohnehin kraft Gesetzes anzuwenden. Dies führte bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite dazu, dass die in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt des Endes der Tarifgebundenheit anzuwenden waren.

Diese Auslegungsregel legt der Vierte Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes auch weiterhin bei Bezugnahmeklauseln zugrunde, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (so genannte „Altverträge“). Bei Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden (so genannte „Neuverträge“), wendet der Vierte Senat die genannte Auslegungsregel nicht mehr an. Er versteht die Klausel nun, wenn keine Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden Vertragswillen bestehen, ihrem Wortlaut entsprechend als zeitdynamische Verweisung – also als über das Ende der Tarifgebundenheit hinausgehende Regelung.

BAG Urt. v. 24.02.2010 – 4 AZR 691/08

Ordnungsgeld bei Nichteinhaltung der Arbeitszeitgrenzen

Sind in einer Betriebsvereinbarung bestimmte Arbeitszeitgrenzen festgelegt, muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass sich die Arbeitnehmer hieran halten. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass Telefon und Computer bei Erreichen des maximalen Arbeitszeitendes ausgestellt oder die Arbeitsräume verschlossen werden. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Pflicht zur Durchführung der Betriebsvereinbarung kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden.

LAG Köln Beschluss v. 08.02.2010 – 5 TaBV 28/09

Anrufe bei 0900-Hotlines auf Kosten des Arbeitgebers rechtfertigen fristlose Kündigung

Ruft ein Arbeitnehmer von verschiedenen Diensttelefonen aus 0900-Telefonnummern an, um die Dienste von Astro-Hotlines, Kartenlegern oder Ähnlichem in Anspruch zu nehmen, und veranlasst er die teilweise Begleichung der Telefonkosten zu Lasten seines Arbeitgebers, rechtfertigt dies grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer unter psychischen Problemen gelitten und deshalb bei den Service-Hotlines Zuspruch gesucht hat.

VG Mainz Urt. v. 02.02.2010 – 5 K 1390/09.MZ

Fristlose Kündigung eines Rauchers bei „Kombinationspause“

Maßt sich ein Mitarbeiter arbeitstägliche Raucherpausen von exzessiver Länge (gesamte Pausenlänge von insgesamt etwa 100 Minuten bei einer Arbeitszeit von regulär 7,5 Stunden) an, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Es stellt eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, wenn Pausenzeiten gravierend überzogen werden. Exzessive Raucherpausen muss der Arbeitgeber auch dann nicht dulden, wenn hierfür keine ausdrückliche Stempelpflicht besteht. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus den erfolgten Abmahnungen kein generelles Raucherpausenverbot ergibt.

LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 21.01.2010 – 10 Sa 562/09

Kündigung aufgrund verspäteter Krankmeldung

Eine Kündigung wegen eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG, der die Anzeige- und Nachweispflicht im Falle einer Arbeitsunfähigkeit regelt, setzt grundsätzlich eine vorherige Abmahnung voraus. Eine vorherige Abmahnung wegen falscher Angaben über die Dauer der Krankschreibung reicht dafür nicht aus, auch wenn bei dem die Abmahnung bedingenden Sachverhalt ebenfalls ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorlag, dieser aber nicht gerügt wurde.

LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 18.12.2009 – 6 Sa 1239/09

Anrechnung von Wegezeiten auf Arbeitszeit

Bei Außendienstmitarbeitern, die verschiedene Kunden besuchen, gehört die gesamte Reisetätigkeit zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Wird die Reisetätigkeit durch den Arbeitgeber vergütet, stellt dies ein Angebot auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dar, dessen Annahme der Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB nicht zu erklären braucht. Ist eine vertragliche Vereinbarung über die Vergütung von Reisezeit nicht unter den Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung gestellt worden, gilt im Verhältnis zur Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip.

BAG Urt. v. 22.04.2009 – 5 AZR 292/08

Widersprüchliche Änderungskündigung ist unwirksam

Eine Änderungskündigung ist nach § 2 Satz 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigung kommt als zweites Element das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzu. Dieses Angebot muss, wie jedes Angebot im Sinne des § 145 BGB, bestimmt oder bestimmbar sein. Der Arbeitnehmer muss zweifelsfrei erkennen können, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers.

Will der Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten erreichen, und erklärt er zur Durchsetzung einer jeden Änderung eine gesonderte Kündigung, muss jede der Kündigungen das Änderungsangebot deutlich und zweifelsfrei abbilden. Ein Angebot, mit dem der Arbeitgeber erklärt, die „sonstigen Arbeitsbedingungen“ blieben unverändert, und zugleich darauf verweist, der Arbeitnehmer werde zeitgleich noch weitere Änderungskündigungen erhalten, ist widersprüchlich und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Beruft sich der Arbeitgeber für eine Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung auf einen Sanierungsplan, muss er die dem Sanierungskonzept zugrunde gelegten wirtschaftlichen Daten soweit konkretisieren, dass die Arbeitnehmer sachlich Stellung beziehen und die Gerichte gegebenenfalls das Konzept nachprüfen können.

BAG Urt. v. 10.09.2009 – 2 AZR 822/07

Weitere Informationen: www.naegele.eu