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Foto: Herr Petschick im Gespräch mit Herrn Richter von der Speller-Richter-Speller GbR, einem Mitgliedsunternehmen des AGZ Spreewald

Unternehmensnetzwerke haben in der Region Spreewald Tradition: Man kennt sich und spricht miteinander – etwa wenn es in den landwirtschaftlichen Betrieben darum geht, Maschinen für die Ernte auszutauschen. Warum also dieses Prinzip nicht auch auf die Arbeitskräfte ausweiten? 2004 kam der Gedanke auf, dass sich regionale Unternehmen zusammenschließen könnten, um in Netzwerken Personal zu beschäftigen.

Die Idee ist nicht neu. In Frankreich feiern solche Arbeitgeberzusammenschlüsse 2010 ihr 25-jähriges Jubiläum: Unternehmen tun sich zusammen, teilen ihr Personal und entwickeln es gemeinsam weiter. Das funktioniert nach dem Prinzip der Flexicurity: Die Firmen flexibilisieren den Arbeitseinsatz (flexibility) – wobei es hier nicht um den Abbau der Stammbelegschaft geht. Gleichzeitig verantworten sie gemeinsam einen sicheren Arbeitsplatz für die geteilten Beschäftigten (security).

Der Bedarf, Personal flexibel einsetzen zu können, ist heute in der deutschen Wirtschaft so groß wie lange nicht. Auftragsschwankungen gibt es in fast allen Branchen. Konjunkturelle und demografische Entwicklungen kommen hinzu. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) können Beschäftigungsspitzen oft nicht intern abfedern. Traditionell greifen sie in solchen Fällen auf saisonale Beschäftigung und Teilzeitmodelle zurück. Doch damit können sie qualifiziertes Personal häufig nicht an das Unternehmen binden und müssen mit ansehen, wie ihre besten Leute zur Konkurrenz abwandern.

In der Region Spreewald fehlt es vor allem in der Landwirtschaft an Fachkräften. Deshalb hat der Arbeitgeberzusammenschluss (AGZ) dort vor sechs Jahren mit Facharbeitern aus dieser Branche seine Tätigkeit aufgenommen. Zwar sind Landwirte und Produktionsarbeiter heute noch in der Mehrzahl. Aber auch Schlosser, Elektriker, Buchhalter und Bürokaufleute sind unter den gemeinsamen Angestellten der regionalen Unternehmen zu finden.

Jeder Arbeitsplatz ein Kunstwerk

Da die gesetzliche Lage in Deutschland keine andere Lösung erlaubt, beschäftigt der AGZ die geteilten Mitarbeiter als Zeitarbeiter. Doch das Modell ist in der Praxis nicht mit Arbeitskräfteverleih zu vergleichen. Die Unternehmen und die Mitarbeiter entscheiden gemeinsam, wie ein Arbeitsplatz aussehen soll – etwa wann der Mitarbeiter im Laufe eines Jahres wo zum Einsatz kommt.

Auch bei der Einstellung müssen sich alle Unternehmen einig sein. Gleiches gilt für den Fall, dass sich die Unternehmen von einem Mitarbeiter trennen. Bei Neueinstellungen findet zunächst ein Vorstellungsgespräch beim Arbeitgeberzusammenschluss statt. Anschließend sprechen auch die interessierten Unternehmen mit dem Bewerber. Erst wenn alle einverstanden sind, beginnt der Prozess, eine neue Arbeitsposition zu konzipieren.

Das größte Problem besteht dabei darin, den laufenden Betrieb so zu organisieren, dass Arbeitsinhalte und Arbeitsorte, Mitarbeiter und ihre Qualifikationen zusammenpassen und das ganze Jahr Beschäftigung möglich ist. Pauschallösungen gibt es dafür nicht. Ein Mitarbeiter kann selten nur in einer Branche Tätigkeiten nachgehen. Ein Beispiel: Die Landwirtschaft braucht vor allem im Sommer die Facharbeiter, die Forstwirtschaft im Winter. Zusätzlich spielen in der Landwirtschaft die Rahmenbedingungen der einzelnen Betriebe eine wichtige Rolle. Je nachdem, ob der Boden feucht oder trocken ist, können sich die Erntetermine verschieben. So muss der Arbeitseinsatz maßgeschneidert sein, damit Beschäftigte überall rechtzeitig im Einsatz sind.

Doch Fachkräfte können sich die Unternehmen der Region nur teilen, wenn welche da sind. Relativ bald nach Gründung des AGZ Spreewald war klar, dass insbesondere in der Landwirtschaft nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Deshalb integrierte der AGZ nach dem gleichen Prinzip ein Ausbildungskonzept. Das hat den Vorteil, dass auch Betriebe, die allein nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu stemmen, sich daran beteiligen können. Die Auszubildenden schließen einen Ausbildungsvertrag mit dem AGZ. Je nach Ausbildungsplan und Auslastung der Betriebe wird der Fahrplan für den Einsatz in den Mitgliedsunternehmen festgelegt.

Vorbehalte ausräumen – Flexibilität fördern

Inzwischen hat der Arbeitgeberzusammenschluss Spreewald rund 80 Positionen, die er derart zusammenstellt. Dabei galt und gilt es noch heute, Vorbehalte auszuräumen. Viele Fachkräfte schreckt der schlechte Ruf der Zeitarbeit ab, da der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bekanntermaßen in der Praxis für Zeitarbeiter nicht immer gilt. Deshalb ist Aufklärungsarbeit gefragt, die die Unterschiede zum Modell AGZ transparent macht.

Der AGZ Spreewald hält sich an Qualitätsstandards, welche die tamen. Entwicklungsbüro für Arbeit und Umwelt GmbH mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg und der Europäischen Union für den Bundesverband der Arbeitgeberzusammenschlüsse (BV-AGZ) erstellt hat. Durch entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag garantiert der AGZ auf dieser Grundlage gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Er fragt die Löhne und Arbeitsbedingungen der Einsatzbetriebe ab und die Beschäftigten erhalten eine Kopie dieser Mitteilung über die Arbeitsbedingungen für die Stammarbeitskräfte.

Auch die Unternehmensvertreter sind am Anfang häufig skeptisch und glauben nicht, dass sie mit dem Modell ihren saisonalen Bedarf abdecken können. Außerdem fragen die meisten zu Beginn danach, ob nicht das Problem bestehe, dass die gemeinsamen Mitarbeiter Firmengeheimnisse ausgeplaudert könnten. Dieser Fall ist aber in den fünf Jahren seit dem Bestehen des AGZ-Spreewald kein einziges Mal aufgetreten. Zum einen gibt es meist gar nicht so viele geheime Informationen in den Betrieben. Zum anderen haben die Mitarbeiter laut Arbeitsvertrag Schweigepflicht. Ein Verstoß lässt sich nicht ausschließen, aber das Problem könnte ebenso bei Mitarbeitern auftreten, die nicht für andere Unternehmen arbeiten. Die meisten Firmen, die sich für eine Mitgliedschaft im AGZ entschließen, brauchen zwar einige Zeit, bis sie Vertrauen in das System bekommen. In der Praxis wissen sie aber bald die Vorteile zu schätzen, denn auch für jedes Mitgliedsunternehmen sind die Lösungen des AGZ individuell zugeschnitten.

AGZ Spreewald steht Modell für Nachahmer

Inzwischen ist der AGZ Spreewald nicht mehr allein in Deutschland: Es gibt nunmehr sechs Arbeitgeberzusammenschlüsse und diverse Initiativen, die sich auch dem Thema „Arbeitskräfte teilen“ verschrieben haben. Das zeigt: Das Modell des Arbeitgeberzusammenschlusses ist auch auf andere Regionen übertragbar. Zwei der momentan aktiven AGZ engagieren sich zwar auch vorwiegend in der Landwirtschaft, die anderen drei haben ihren Schwerpunkt jedoch in der gewerblich-technischen Wirtschaft. Das hängt immer davon ab, welche Unternehmen bereit sind, sich auf das Modell einzulassen und als erste mit einzusteigen. Vom Umfang her sind diese AGZ zwar noch kleiner als der Arbeitgeberzusammenschluss Spreewald, aber sie sind auch noch nicht so lange aktiv.

Vor drei Jahren wurde zudem der Bundesverband der Arbeitnehmerzusammenschlüsse gegründet, der eng mit dem Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft zusammenarbeitet. Dabei ist im vergangenen Jahr ein Gesetzesentwurf entstanden, der vorsieht, Arbeitgeberzusammenschlüsse als besonders schützenswertes Gewerbe in der Gewerbeordnung zu regeln anstatt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz anzuwenden. Mit diesem Entwurf möchte der BV-AGZ in der politischen Landschaft auf die Vorteile und Besonderheiten des AGZ-Modells aufmerksam machen, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu verändern und damit die Umsetzung in der Praxis zu erleichtern.

Auch der AGZ Spreewald selbst hat zukünftig noch vieles vor: Derzeit ist er als GmbH organisiert. Um den gemeinschaftlichen Charakter der AGZ-Idee deutlicher zu machen, planen die Verantwortlichen im AGZ und die Mitgliedsunternehmen derzeit den Übergang zur Genossenschaft. Wachstumsmöglichkeiten bestehen in einer regionalen Ausbreitung etwa in Richtung Cottbus oder Speckgürtel Berlin. Außerdem bemüht sich der AGZ vermehrt um weitere Branchen wie die Tourismuswirtschaft, das Gesundheitswesen, den Maschinenbau oder das Handwerk. Auch in punkto höher qualifizierte Mitarbeiter gibt es noch viel Potenzial. Diesbezüglich bringt der AGZ auch das Thema Ausbildung weiter voran: Seit diesem Jahr bildet er Bürofachleute aus und kooperiert dabei mit der örtlichen IHK. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Schulen gilt es in diesem Zusammenhang noch weiter zu intensivieren.

Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das die Wirtschaft noch lange beschäftigen wird. Arbeitgeberzusammenschlüsse sind ein Modell, das bereits heute einen wichtigen Baustein für die Lösung darstellt – vor allem für KMU. Die Möglichkeiten sind jedoch noch lange nicht ausgeschöpft.

Linktipps:

www.spreewaldforum.com

www.arbeitgeberzusammenschluesse.de