Problempunkt

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Foto von Patrick Perkins

Der Kläger wurde bei einem Bauunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Der Stundenlohn betrug zuletzt 13 Euro brutto, der BRTV-Bau fand Anwendung. Nachdem das Arbeitsverhältnis mit Schreiben des Arbeitgebers vom 17.9.2015 zum 31.10.2015 gekündigt wurde, meldete der Arbeitnehmer sich arbeitsunfähig krank und erschien bis Ende Oktober nicht mehr zum Dienst. Für September 2015 erhielt er noch eine Vergütung, für Oktober 2015 allerdings keinerlei Zahlungen mehr. Erst im Januar 2016 machte der Kläger gerichtlich Entgeltfortzahlungsansprüche für Oktober 2015 geltend; der entsprechende Schriftsatz wurde der Gegenseite am 18.1.2016 zugestellt. Der Arbeitgeber wandte ein, etwaige Entgeltfortzahlungsansprüche seien nach dem anwendbaren BRTV-Bau verfallen; der Kläger hätte den Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend machen müssen. Dieser war jedoch der Auffassung, die Regelung sei insgesamt unwirksam, da sie auch den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfasse.

Das ArbG Kassel gab dem Arbeitgeber zum Teil Recht. Es stellte fest, dass die Zahlungsansprüche, soweit sie den gesetzlichen Mindestlohn von damals 8,50 Euro brutto je Stunde überstiegen, von der tarifvertraglichen Ausschlussklausel erfasst wurden. Die Berufung wurde durch das Hessische LAG zurückgewiesen.

 

Entscheidung

Das BAG hat sich den Vorinstanzen angeschlossen. Zwar ist ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG in voller Höhe entstanden. Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer für die Zeit, in der er aufgrund von Krankheit arbeitsunfähig war, das Entgelt zu zahlen, welches der Arbeitnehmer ansonsten in dem Zeitraum durch Erbringung der Arbeitsleistung verdient hätte. Dies gilt auch für Ansprüche auf den Mindestlohn. Zwar folgt ein Anspruch auf diesen nicht direkt aus § 1 MiLoG – diese Norm gilt nur für tatsächlich geleistete Arbeit. Der Anspruch folgt vielmehr aus dem EFZG selbst. Denn hätte der Kläger gearbeitet, hätte er bei normalem Verlauf der Dinge auch den Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns erworben. Der so entstandene Anspruch wurde auch nicht von der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erfasst. Denn § 3 Satz 1 MiLoG ordnet lediglich an, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, „insoweit“ unwirksam sind.

Das BAG stellte damit klar, dass selbst Tarifverträge Vereinbarungen i. S. d. § 3 Satz 1 MiLoG und damit insoweit unwirksam sein können. Damit machte es aber zugleich auch klar, dass die Ausschlussklausel im Übrigen nicht unwirksam war bzw. wurde.

 

Konsequenzen

Das BAG stellt – jedenfalls für tarifvertragliche Ausschlussklauseln – klar, dass diese nur „insoweit“ unwirksam sind, als dass sie auch Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn erfassen sollen; sie sind damit nicht „insgesamt“ unwirksam. Gute Gründe sprechen dafür, dass dies auch für arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln gilt, Rechtssicherheit durch eine entsprechende  Rechtsprechung gibt es indes bislang noch nicht.

 

Praxistipp

Arbeitgeber sind nach wie vor gut beraten, ihre Verträge mit Ausschlussklauseln zu versehen, welche die Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausnehmen. Noch sicherer wäre eine Gestaltung, wonach auch andere, gesetzlich unverzichtbare Ansprüche nicht betroffen sein sollen. Will ein Arbeitgeber eine Ausschlussklausel AGB-rechtlich in jede Richtung absichern, dürfte dies allerdings zu einem erheblichen Textumfang der Klausel führen. Es ist daher zu hoffen, dass das BAG hierzu künftig klärende Worte findet. Ein richtiger Schritt in diese Richtung ist in dem Urteil des BAG vom 28.9.2017 (8 AZR 67/15, AuA 7/18, S. 442) zu sehen. Darin wurde festgehalten, dass Ausschlussklauseln aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsrechts auch dann wirksam sein können, wenn sie gegen § 309 Nr. 7 BGB verstoßen. Bis alle Fragen auf diesem Gebiet hinreichend geklärt sind, sollten Arbeitgeber jedoch der rechtlichen Sicherheit den Vorzug vor ästhetischen Gesichtspunkten geben.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 10/18, S. 613.