Krisenzeiten schicken Menschen auf eine emotionale Achterbahnfahrt. In ihrer Vorbildfunktion kommt es jetzt besonders auf Sie als Führungskraft an: Zeigen Sie an erster Stelle Ihren Umgang mit den Turbulenzen und wie Sie Ihre mentale Stärke bewahren.
Ich stehe täglich im Erfahrungsaustausch und höre, wie stark Führungskräfte gefordert sind. Und gleichzeitig sind sie es, die Vorbild sein, mit Zuversicht und Mut vorangehen und ihren Beschäftigten Halt geben sollen. Noch immer erleben wir Umwälzungen in unserem Arbeitsumfeld, weiterhin wird in der Zusammenarbeit zwischen Präsenzzeiten und virtueller Kooperation gewechselt und so langsam gewöhnen wir uns daran. Oder? Wie schaffen Sie das alles, während Sie wahrscheinlich oft selbst genauso verunsichert sind wie Ihre Leute? Und in Ihrem Unternehmen? Wo werden Potenziale gehoben und wo tatsächlich vermieden?
Hinsichtlich der emotionalen Bindung in Arbeitsteams, die sich unmittelbar auf das Engagement bei der Arbeit auswirkt, sind wir uns sicherlich einig: Eine Zusammenarbeit ohne Wertschätzung ermöglicht keine angemessene Wertschöpfung und erzeugt schon gar nicht das Engagement für zusätzliche Veränderungsvorhaben – egal in welcher digitalen Bandbreite eine Unternehmung aufgestellt ist.
Für die Veränderungsbereitschaft ist jede und jeder Einzelnen gefragt. Wir können die Herausforderungen der Arbeitswelt heute und morgen nur gemeinsam meistern. Wie nutzen Sie die aktuelle Lage, um am Unternehmen und an Ihrer Führungskultur zu arbeiten? Gerade jetzt brauchen Mitarbeitende Sicherheit und Orientierung. In das Engagement Ihres Teams zu investieren, führt zu einer besseren Bindung untereinander, damit zu einer längeren Zusammenarbeit und folglich mehr Ergebnissen. Während sich viele Unternehmen beim Thema Mitarbeiterzufriedenheit auf punktuelle Wohlfühlmaßnahmen konzentrieren, bleibt zu wenig Aufmerksamkeit auf das, was langfristig zählt: eine wertebasierte, loyale Kultur. Und diese braucht Vorbilder zum Nachahmen. Fangen Sie an!
Besonders in herausfordernden Zeiten sind Führungspersönlichkeiten gefragt,
die gelernt haben, mit Unsicherheiten und negativen Emotionen umzugehen. Verschiedene Methoden können Ihnen dabei helfen, in Balance zu bleiben. Allem voran sollten Sie Ihren Fokus gezielt auf stärkende Aspekte richten.
Folgende Impulse möchte ich Ihnen mitgeben, um Ihre mentale Stärke zu erhalten bzw. zurück zu erlangen:
Bauen Sie innere Distanz auf
Viele Menschen neigen dazu, unangenehmen Gefühlen wie Angst und Wut sind nachzugeben, sich im Gefühls- und Gedankenkarussell zu verlieren und sich von ihnen überwältigen zu lassen. Das können wir uns jedoch gar nicht erlauben! Als Inhabende von Verantwortungspositionen schon mal gar nicht.
Versuchen Sie stattdessen einmal, zur Beobachterin oder zum Bobachter Ihrer selbst zu werden. Benennen Sie – nur für sich, innerlich – Ihre Emotionen und spüren Sie, wo und wie sie sich bemerkbar machen. Mein Opa sagte mal zu mir: „Miriam, du stehst du oben auf der Brücke und guckst dir das alles von da oben an.“ Und ich habe gelernt, dass es mir diese Perspektive erleichtert, Dinge mit Abstand und dadurch nicht mehr so groß und gefährlich anzusehen.
Mit dieser Wahrnehmungsperspektive nehmen Sie Ihre Gefühle und Gedanken wahr und nehmen ihnen gleichzeitig ihre Kraft, Ihre aktuelle Verfassung zu beherrschen.
Positive Aspekte bewusst wahrnehmen
Parallel zu den vielen Umbrüchen erleben wir besondere Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung. Achten Sie mal darauf! Beobachten Sie, wie viele Mitarbeitende ihre Loyalität ihrem Betrieb gegenüber gerade heute ausdrücken. Wie Sie von treuen Geschäftspartnern mit zusätzlichen Aufträgen versorgt werden. Wie viele verbindende Gespräche es gibt und neue, gemeinsame Projekte entstehen.
Genau solche Erlebnisse geben uns in Krisenzeiten neue Kraft und Energie. Wer solche Gesten bewusst wahrnimmt, sie zu schätzen weiß und selbst überlegt, wie er oder sie andere stärken kann, erlebt eine positive Dynamik.
Ihre zentrale Haltung als Führungskraft
Ihre Haltung ist jetzt für Ihre Mitarbeitenden ganz entscheidend! Momentan sind sehr viele verunsichert und von der Situation überfordert. Was wird morgen sein?
Ich möchte Ihnen Mut machen, Gesicht zu zeigen und Informationen weiterzugeben. Klarheit und Souveränität strahlt aus, wer Bescheid weiß, aber auch, wer offen zugibt, dass er nicht auf alles eine Antwort hat.
Mit transparenter Kommunikation im Dialog bleiben
Sie merken es selbst: Das Aufmerksamkeitsbedürfnis der Beschäftigten ist gerade sehr hoch. Ein guter Informationsfluss vermeidet Panik und gibt Orientierung. Jeder ist dankbar für gute, sachliche Handlungsanleitungen. Wie wird wann von wem berichtet? Benennen Sie Herausforderungen, vor denen Sie gemeinsam stehen. Fragen Sie täglich, wo es Schwierigkeiten gibt, wer Unterstützung braucht. Machen Sie deutlich, wann, wo und wie Sie ansprechbar sind.
In größeren Betrieben kann es sinnvoll sein, einen Krisenstab zu bilden. Bieten Sie Informationen an, aber drängen Sie sie niemandem auf. Hinterfragen Sie Selbstverständlichkeiten: Wir gehen häufig davon aus, dass alle verstanden haben, wenn wir etwas gesagt haben. Im Nachhinein merken wir, dass Missverständnisse auftauchen. Fragen Sie gleich am Anfang einer Teamsitzung: „Wo stehen wir?“ Nicht nur, was die Ergebnisse angeht, sondern auch, wie alltägliche Herausforderungen unter den aktuellen Umständen bewältigt werden. Am Ende der Sitzung vergewissern Sie sich: „Was haben Sie mitgenommen?“
Ihre lösungsorientierte Wortwahl vermittelt Sicherheit: Sprechen Sie von ‚Lösungen’, ‚Empfehlungen’ oder ‚Unterstützung’. Verzichten Sie auf bedrohliche Wörter; die meisten Menschen sind ausreichend sensibilisiert.
Reden und Zuhören: Beides ist wichtig!
Wir haben es mit einem Marathon zu tun, nicht mit einem Sprint. Das heißt, klare Ansagen und ein offenes Ohr sind gleich wichtig. Führungsverantwortung bedeutet auch Fürsorgeverantwortung und darf sich einiger Coaching Tools annehmen. Bedeutet: aufs Team schauen, klar kommunizieren, schnell reagieren, fragen, wie wir das gemeinsam stemmen können. Lösungen können sein: Arbeiten umverteilen, Prioritäten der Situation anpassen, in Schichten arbeiten, klare Vorgaben machen. Dabei hilft es, den entschiedenen Ansagen einen zeitlichen Rahmen zu geben und diesen einzuhalten.
Berücksichtigen Sie, dass einige Beschäftigte in diesen Zeiten sehr stark gefordert sind, während bei anderen ein Teil der üblichen Anforderungen entfällt. Bleiben Sie im Dialog und finden Sie gemeinsam das richtige Tempo. „Auf Sicht fahren“ erfordert viel Geduld, Mut und Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungsweisen zu ertragen. Orientierung geben Sie, indem Sie immer wieder die Sinnhaftigkeit der aktuellen Maßnahmen und Einschränkungen hinterfragen und erläutern. Das „Wie machen wir das?“ sollte mit dem „Warum machen wir das?“ immer gemeinsam auftreten. Betonen Sie, was Sie und Ihr Team jetzt beeinflussen können. So können auch Ihre Mitarbeitenden (Eigen-)Verantwortung übernehmen.
„In der Krise muss man selbst zurückstecken.“ Ist das so?
Es nützt niemandem, sich zu überfordern. Hingegen wird das Gefühl, eine Last zu teilen, dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen entsprechen. Deshalb ist es gut, entsprechende Signale zu senden. Studien belegen, dass Fairness einen sehr großen Einfluss auf die psychische Gesundheit und das Engagement von Mitarbeitenden hat – nicht nur in Krisenzeiten.
Lernfelder über sich selbst, das Team und das Unternehmen in Krisenzeiten
Als Führungskraft erfahren Sie viel über Ihre eigene Widerstandsfähigkeit und Ihre Reserven. Sie bekommen einen Außenblick aufs Unternehmen, weil Schwächen und Stärken, Chancen und Risiken deutlich werden. Nahezu alle sind aus der Komfortzone katapultiert, was wiederum neues Denken und Lernen ermöglicht.
Handlungsspielraum erweitern
Wir alle leben zwischen den Polaritäten – ob es sich um Autonomie und Sicherheit oder Zugehörigkeit und Individualismus handelt. Jeder Mensch kann und muss sich innerhalb dieser Gegensätze einordnen, je nach Situation immer wieder neu. Wer nun glaubt, dass mehrere Menschen unter den gleichen Ausgangsvoraussetzungen zur gleichen Einordnung kämen, liegt allerdings weit daneben. Denn die individuellen Wahrnehmungs- und Denkprozesse reichen weit auseinander. Sie werden beispielsweise geleitet von unterschiedlichen Motivationen und einem unterschiedlichen Fokus, der ihr Handeln bestimmt. In dem Buch Besser führen – Mit Haltung und Vertrauen zu Loyalität erhalten Sie Impulse und Informationen zu mehr Wahlfreiheit für Ihr persönliches Handlungsspektrum durch viele Optionen in der praktischen Anwendung sowie wichtiges Fachwissen zu den unterschiedlichen Beweggründen von Menschen, mit Situationen umzugehen.