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Foto von Austin Distel
Nach einer Konfliktkostenstudie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Jahr 2009 geben 50 Prozent der befragten Unternehmen ungeplant allein für infolge eskalierter Konflikte gescheiterte Projekte 50.000 Euro jährlich aus, zehn Prozent sogar über 500.000 Euro. Auf der anderen Seite stehen viele Unternehmen, die nicht einmal wissen, wie viel Geld sie durch streitige Auseinandersetzungen verlieren. Schlimmer noch: Sie lassen ein erhebliches Sparpotenzial brachliegen, weil sie interne Konfliktlösungswege gar nicht erst gehen.

Warum viele Firmen die Sparmöglichkeiten noch nicht nutzen, hat PwC in zwei Umfragen 2005 und 2007 ermittelt: Obwohl aus Sicht der Unternehmen außergerichtliche Verfahren deutliche Vorteile für die Konfliktbearbeitung aufweisen, verlässt man sich hauptsächlich auf das eigene Verhandlungsgeschick, auf Gerichtsverfahren und Schiedsgerichte. Mediation wird bislang vergleichsweise selten eingesetzt.

Gründe dafür sind unter anderem lückenhafte theoretische Kenntnisse und mangelnde praktische Erfahrung mit außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahren. Das führt zu Unsicherheiten und dadurch zur Bevorzugung des bereits Bekannten. Die gerichtliche Klage ist als Auffangtatbestand fest etabliert und kommt stets als ultima ratio in Betracht, die Verantwortung wird an das Rechtssystem delegiert und der Konflikt auf Kosten der Interessen der Beteiligten ausgelagert.

Daneben erfreuen sich Schiedsgerichte zunehmender Beliebtheit, was wohl an der größeren sachlichen Kompetenz der Schiedsrichter liegen dürfte. Davon abgesehen sind die Verfahrensschritte und möglichen Lösungen jedoch ähnlich festgelegt, wie bei gerichtlichen Klagen. Güteverfahren haben mediative Elemente, sind in ihrem Ablauf und in ihrer Ausrichtung auf Lösungen jedoch regelmäßig weniger frei als Mediationen. Bei einer Mediation handelt sich um einen strukturierten Prozess der außergerichtlichen kommunikativen Konfliktbearbeitung und um ein freiwilliges und vertrauliches Verfahren. Dabei sprechen die Parteien ergebnisoffen, unabhängig, informiert und gleichberechtigt. Die wechselseitige Verständigung aller Beteiligten mithilfe eines allparteilichen Dritten verfolgt das Ziel, eigenverantwortlich und lösungsorientiert eine tragfähige Konfliktregelung in einer verbindlichen Vereinbarung festzuhalten. (Tab.1)

Die Mediation ist grundsätzlich flexibel und in nahezu allen Konfliktsituationen anwendbar. Hier ist Kernfrage, was in den juristischen Verfahren allenfalls am Rande berücksichtigt werden kann: Die Interessen der Beteiligten. Denn nicht alles, wie beispielsweise motivierte Mitarbeit, ist einklag- beziehungsweise vollstreckbar. In der Mediation besteht jedoch die Möglichkeit, einen Konflikt umfassend mit für beide Seiten positivem Ergebnis (Win-Win-Lösung) beizulegen, und zwar weitestgehend unabhängig von rechtlichen Ansprüchen und Positionen. (Tab. 2)

Bei der Umsetzung im Unternehmen ist eine der wichtigsten grundsätzlichen Voraussetzungen das Anerkenntnis eines Konfliktes und die Ergebnisoffenheit hinsichtlich möglicher Lösungen. Dies macht eine neue Unternehmensstreitkultur erforderlich. Wird die Verantwortung für eine Auseinandersetzung nämlich nicht übernommen, so kann eine Mediation nicht erfolgreich sein, denn eine Streiteskalation und Delegation nach oben sind in diesem Verfahren unmöglich: Die Verantwortlichen bleiben verantwortlich. Außerdem sind absolute Vertraulichkeit und jeglicher Verzicht auf Beeinflussung wichtig.

Neutraler Dritter

Ein guter Mediator ist ein allparteilich- neutraler Mediator. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Weder Manager noch Betriebsräte sind neutral, sondern stets beteiligt und somit teils Auslöser, teils selbst Gegenstand von Konflikten. Ein externer Helfer bringt ebenfalls nicht zwingend die gewünschten Vorteile. Denn auch dieser wird in der Regel Interesse an Folgeaufträgen haben. Die Entscheidung interner oder externer Mediator kann letztlich offen bleiben, wenn systembedingt sichergestellt ist, dass der Mediator frei von Zwang oder Druck arbeiten kann.

Eine Mediation sollte rechtlich in ein Konfliktmanagement-System (IKMS) eingebunden werden. Bei Individualkonflikten zulässig ist eine Ad hoc-Einzelabrede zur Mediation. Der Arbeitgeber verzichtet dabei vorläufig auf Sanktionen und einseitige Entscheidungen im Rahmen des Weisungsrechts. Für den Arbeitnehmer ist dies ein freiwilliges Angebot einer eigenverantwortlichen Konfliktlösung. Will der Arbeitgeber sich weitergehend binden, kann er eine einseitige Mediationszusage geben. In diesem Fall wird ein klärendes Gespräch vor einer Kündigung erforderlich, zumindest ein Mediationsversuch muss dann erfolgen.

Selbstverständlich kann eine Mediationsklausel in den Arbeitsvertrag eingebunden werden. Sofern keine Individualabrede vorliegt, unterliegt diese dann jedoch der AGB-Überprüfung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts nach § 310 IV Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das bedeutet, dass keine einseitige Erschwerung einer Kündigung erfolgen darf.

Es empfiehlt sich, in diesem Fall eine Mediationsklausel, also den Versuch einer Mediation, zu vereinbaren und klarzustellen, dass die Klageerhebung zulässig bleibt, um die Gültigkeit der Klausel zu sichern. Dabei ist auf den Wortlaut der Klausel zu achten. Formulierungen, wie beispielsweise „zunächst“, welche eine zeitliche Abfolge zum Ausdruck bringen, sollten sicherheitshalber vermieden werden. Ebenfalls Vorsicht ist beim mittelbaren materiellen Rechtsverzicht geboten: Klagen zur Fristwahrung, etwa die Drei-Wochen-Frist beim Kündigungsschutzgesetz, müssen zulässig bleiben, sonst ist die Klausel nichtig. Somit muss in Mediationsklauseln auf die Möglichkeit der fristwahrenden Klageerhebung mit der Bitte um Anordnung des Ruhens des Verfahrens (§ 251 Zivilprozessordnung, ZPO) hingewiesen werden.

Notwendige Augenhöhe

Mediation ist trotz der geschilderten Vorteile nicht immer die einzige oder beste Wahl. So sind Sachverhalte nicht mediationsgeeignet, die einer Leitentscheidung bedürfen, weil grundsätzliche Fragen zu klären sind, ebenso wie Streitigkeiten, in denen es an einem Verhandlungsspielraum fehlt, weil sie sich nur durch eine eindeutige Antwort auf Rechtsfragen lösen lassen. Auch Konflikte mit extremen Machtungleichgewichten beziehungsweise Informationsasymmetrien machen die nötige Augenhöhe unmöglich: Das Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt dabei ein strukturelles Ungleichgewicht, jedoch kein unlösbares Hindernis dar. Wichtiges Kriterium für die Mediationseignung ist nämlich andererseits die Zustimmung der Beteiligten. Mediation kann stattfinden, wenn die Beteiligten grundsätzlich willens sind, den Konflikt auf diesem Wege zu lösen und zwischen den Teilnehmern ein langfristiger, über die Konfliktsituation hinausführender sozialer Zukunftsaspekt besteht. Eine Mediationseignung wird daher regelmäßig vorliegen, wenn Dauerbeziehungen zwischen den Beteiligten bestehen, die Auseinandersetzungen komplex und die Konfliktpunkte miteinander verwoben sind.

Dass Mediation Erfolge liefert, zeigt die hohe Einigungsquote von circa 80 Prozent bei Wirtschaftskonflikten. In Deutschland gibt es nicht zuletzt deshalb den „Mediationspakt Wirtschaft“ des Europäischen Berufsverbands für eigenständige Mediation (EBEM). Auch beim Round Table „Mediation in der Wirtschaft“ leisten sich Unternehmen (unter anderem Deutsche Bahn, EON, SAP, Audi) gegenseitig Unterstützung beim Aufbau und der Bekanntmachung von Mediation.

Fahrt aufgenommen

Aus rechtlicher Sicht kommt die Mediation mittlerweile in Fahrt: Die Europäische Mediationsrichtlinie bildet bereits einen einheitlichen Rechtsrahmen für das grenzüberschreitende Verhältnis von Mediation und Gerichtsverfahren. Stichtag zur nationalen Umsetzung ist der 21.Mai 2011. Absehbar ist jedoch bereits jetzt, dass der deutsche Gesetzgeber den Handlungsdruck nutzen wird, den europäischen Regulierungsbedarf zu ergänzen und die Mediation in Deutschland selbst gleich mit zu normieren.

Dabei werden voraussichtlich wichtige Themen wie Vollstreckung von Vergleichen – bisher regelmäßig nur durch Stellen nach § 15a Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) möglich –, Hemmung der Verjährung sowie Vertraulichkeit des Verfahrens geregelt und Mediationen somit noch praxistauglicher. Mediation ist bereits jetzt ein guter Weg, um aktiv und eigenverantwortlich nachhaltige Ergebnisse bei Konflikten zu erzielen und wird mit dem zukünftigen Mediationsgesetz sicherlich weiter an Bedeutung gewinnen. Keinesfalls sollte man sie jedoch als Methode missverstehen, um durch die Hintertür zu einem gewünschten Ergebnis zu gelangen. Wird sie stattdessen als angemessener Ausgleich von Interessen auf gleicher Augenhöhe eingesetzt, so bringt sie bei diesem Verständnis allen Teilnehmern den gewünschten hohen Nutzen bei zugleich großen Einsparungen.

Lesetipps

  • Gerhard Gattus Hösl: Mediation – die erfolgreiche Konfliktlösung. Kösel, München 2009, ISBN 9783466305926, 15,95 Euro
  • Jacob Joussen, Hannes Unberath: Mediation im Arbeitsrecht – Tagung vom 25./ 26. April 2009. Tagungsband, Beck, München 2009, ISBN 9783406596018, 19 Euro
  • Reiner Ponschab, Adrian Schweizer: Kooperation statt Konfrontation. Otto Schmidt, Köln 2009, ISBN 9783504189723, 39,80 Euro
Internettipps

  • Bundesverband Mediation www.bmev.de
  • Europäischer Berufsverband für eigenständige Mediation (EBEM) www.ebem-eu.com
  • Europäisches Institut für Conflict Management (EUCON) www.eucon-institut.de
  • KPMG Konfliktkostenstudie zum kostenlosen Download www.kpmg.de/Themen/9249.htm
  • PwC: Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich www.euv-frankfurt-o.de/de/ forschung/institut/institut_ikm/ publikationen/studie_commcercial_ dispute_resolution_2005.pdf

Quelle: PERSONAL - Heft 09/2010