Problempunkt

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Foto von Patrick Amoy

Der Arbeitnehmer ist als Betonbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BRTVBau Anwendung. Im Jahr 2015 befand sich der Arbeitnehmer 26 Wochen in Kurzarbeit und erbrachte in dieser Zeit daher keine tatsächliche Arbeitsleistung für seinen Arbeitgeber. Ungeachtet dessen erwarb er einen Anspruch auf 30 Tage Urlaub, welchen er im Laufe der Jahre 2015 und 2016 nahm.

§ 11 Abs. 1 BUrlG sieht vor, dass das Urlaubsentgelt auf Grundlage des durchschnittlichen Arbeitsentgelts berechnet wird, welches der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Verdienstkürzungen wie etwa durch Kurzarbeit bleiben nach dieser Vorschrift unberücksichtigt.

Von dieser Regelung kann gem. § 13 Abs. 1, 2 BUrlG in Tarifverträgen – wie vorliegend dem BRTV-Bau – abgewichen werden. Hiervon hat 

§ 8 Nr. 4.1 BRTV-Bau Gebrauch gemacht. Danach bemisst sich das Urlaubsentgelt auf Grundlage des Jahresbruttolohns, in welchen auch der Verdienst aus Kurzarbeit einberechnet wird. Deshalb berechnete der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt auf Grundlage eines Bruttostundenlohns, der unter dem normalen Stundenlohn lag, was zu einer deutlichen Verringerung des Urlaubsentgelts führte.

Entscheidung

Der EuGH legt in seinem Urteil fest, dass jeder Arbeitnehmer nach dem Unionsrecht Anspruch auf einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen hat. Die Dauer dieses Mindesturlaubs hängt aber davon ab, ob der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat. Dies kann dazu führen, dass sich die Dauer des Mindesturlaubs im Falle der Kurzarbeit, in der der Beschäftigte ja tatsächlich keine Arbeitsleistung erbringt, verringert.

Nationale Rechtsvorschriften oder ein Tarifvertrag können dem Betroffenen aber unabhängig vom Unionsrecht einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von längerer Dauer gewähren. Hinsichtlich der Höhe des Urlaubsentgelts weist der EuGH darauf hin, dass nationale Gerichte die nationalen Regelungen so weit wie möglich unionsrechtskonform nach Wortlaut und Zweck der RL 2003/88 auslegen müssen, so dass das Urlaubsentgelt nicht geringer ausfällt als das durchschnittliche regelmäßige Arbeitsentgelt ohne Kurzarbeit. Der EuGH hebt aber auch hervor, dass das gewöhnliche Entgelt nur für die Dauer des unionsrechtlich vorgesehenen Mindestjahresurlaubs gezahlt werden muss.

Das Urlaubsentgelt soll dem Arbeitnehmer ermöglichen, den Urlaub zur Erholung auch tatsächlich zu nehmen und nicht etwa wegen einer möglichen Verringerung des Entgelts seinen bezahlten Jahresurlaub nicht zu nehmen, um nicht sein Entgelt zu verringern.

Konsequenzen

Aufgrund der Entscheidung des EuGH ist das Urlaubsentgelt für den unionsrechtlich garantierten Mindesturlaub von vier Wochen auf Grundlage des durchschnittlichen Arbeitsentgelts zu berechnen, nicht aber für den gesamten Jahresurlaub. Da die Arbeitnehmer hiernach aber nur dann einen Urlaubsanspruch erhalten, wenn sie tatsächlich gearbeitet haben, führt die Rechtsprechung des EuGH zu keiner Verbesserung der urlaubsrechtlichen Ansprüche.

Praxistipp

Abweichungen nach dem BRTV-Bau, durch welche der Arbeitnehmer eine erhöhte Urlaubsvergütung im Vergleich zu der durchschnittlichen Arbeitsvergütung erhält, sind für den Mitarbeiter günstiger und somit richtlinienkonform. Jegliche für den Arbeitnehmer nachteilige Berechnungsmethode sollte durch die durchschnittliche Arbeitsvergütung nach § 11 Abs. 1 BUrlG ersetzt werden. Die Tarifvertragsparteien werden den BRTV-Bau wohl umschreiben müssen, wobei aber nicht damit zu rechnen ist, dass damit eine höhere Gesamturlaubsvergütung für die Beschäftigten eintreten wird.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 8/19, S. 486.