Das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist zweieinhalb Jahre alt und eines der ehrgeizigsten Antidiskriminierungsgesetze Europas. Beim AGG geht es um den Ausschluss der Benachteiligung von Personengruppen (Homosexuelle oder Behinderte) im Arbeitsrecht und im Geschäftsleben. Mit dem Gesetz dürfen Personen nicht mehr wegen ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung benachteiligt werden. Ein Diskriminierungsverbot besteht auch wegen Behinderung, Alter und sexueller Identität.

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Foto von Valeriy Khan

Im Arbeitsrecht beispielsweise darf die Bewerbung einer Frau nicht mehr abgelehnt werden, nur weil sie eine Frau ist. Wird eine Stelle nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben, ist diese Ungleichbehandlung ein Grund zur Klage. Wird eine Frau bei der Bewerbung diskriminiert, hat sie sogar Anspruch auf Schadenersatz. Der Schutz gilt nicht nur bei Bewerbungen, sondern auch beim Umgang mit Kollegen, Gehaltszahlung und Beförderung. Es kann sogar dazu führen, dass Beschäftigte ihre Arbeit sanktionslos einstellen können, falls der Arbeitgeber seine Diskriminierung nicht aufhebt.

Stellt sich nur die Frage, ob das ursprünglich rot-grüne Prestige-Projekt in der Praxis entsprechend umgesetzt wird und wie sich genau feststellen lässt, ob es durch das AGG weniger Diskriminierung gegeben hat? In dem Projektbericht „Die Anwendung des AGG in der betrieblichen Praxis” der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg ist nachzulesen, dass „eine Randstad-Befragung von 302 Unternehmen vom August 2007 zeigte, dass zwar fast alle Befragten das AGG mehr oder weniger gut kannten. Fast drei Viertel der Befragten äußerten sich jedoch neutral bzw. hatten noch keinerlei Erfahrungen mit dem Gesetz. Beschwerden auf Grund des AGG gab es nur bei knapp 8 Prozent.”

Schwer scheint auch die Beweislage zu sein. Ein Verdacht auf Diskriminierung lässt sich schwer belegen. In der juristischen Datenbank liegen knapp 300 Entscheidungen zum Stichwort AGG. Nicht gerade viel und eher ein Zeichen dafür, dass eine Diskriminierung schwer beweisbar und einklagbar ist. Ein positives Beispiel für das AGG bietet das Hamburger Logistik-Unternehmen Süderelbe. Hier verdienten Frauen durchschnittlich 300 € weniger als Männer trotz gleicher Arbeit. Die Klage führte zu einem gerichtlichen Vergleich.

Die wenigen Beschwerdefälle resultieren nach Ansicht des Antidiskriminierung Verbandes Deutschland (advd) aus den rechtlichen Hürden, die Betroffene davon abhalten, sich gegen Diskriminierung aktiv zu wehren. „Eine weitere praktische Hürde besteht auch darin, dass immer noch keine bundesweit flächendeckende Infrastruktur von Beratungsstellen für von Diskriminierung Betroffenen existiert,” sagt Florencio Chicote, Vorstand beim advd.

Der Projektbericht der Uni Hamburg zieht unter anderem das Fazit, dass „auf Grund der existierenden Handlungsspielräume bei der Personalauswahl, -beurteilung und Beförderung Benachteiligung nur schwer nachweisbar” ist. Personalverantwortliche erwähnten nebenbei, „dass in den ausländischen Müttern oder Töchtern ihrer Unternehmen gleichstellungspolitisch mehr gemacht werde, weil der gesetzliche Druck hier stärker sei.” Eines hat das AGG wohl grundsätzlich erreicht, nämlich das Bewusstsein dafür zu stärken, nicht zu diskriminieren.

Der Projektbericht der Universität Hamburg liegt als PDF vor unter:
http://www.djb.de/static/common/download.php/save/674/AGG-Projektbericht_090218.pdf