Die Palette der Produkte und Dienstleistungen, mit der die Pentos AG aufwartet, ist trotz der eher geringen Unternehmensgröße von 33 Mitarbeitern beachtlich. Das Unternehmen schneidet nicht nur Webanwendungen nach Maß, sondern berät ihre Kunden auch – insbesondere, wenn es darum geht, interaktive Prozesse voranzubringen. Ein Schwerpunkt setzt der Münchner Mittelständler in der Mailinfrastruktur. Pentos migriert Mailprogramme, synchronisiert die Daten und bietet gemeinsam mit seinem Vertriebspartner Binary Tree eigene Lösungen an.

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Wie alles begann

Als Pentos im Jahr 2000 gegründet wurde, bestand es noch aus einem relativ kleinen Kernteam, das ein Jahr später immerhin schon acht Mitarbeiter zählte. Eine Besonderheit war schon damals, dass nicht alle Mitarbeiter regelmäßig am Standort München arbeiteten. „Wir waren recht verstreut in Deutschland und auch im benachbarten Ausland unterwegs und haben uns schwer getan, den Kommunikationsbedarf zu decken“, erzählt Dr. Nikolaus Krasser, einer der Vorstände der Pentos AG. Face-to-Face-Meetings seien viel zu selten gewesen und die Telefonkonferenzen empfand Krasser als sehr mühsam. Es galt möglichst über alle anstehenden Dinge zu berichten, aber vergessen habe man doch immer etwas. Es folgte meist ein zeitraubender Mailingverkehr. Zu den vielen überflüssigen Informationen, die zusätzlich per Mail ausgetauscht wurden, kam die zeitliche Verzögerung noch hinzu: Es dauerte einfach, bis die Mitarbeiter die Mails beantworteten.

Die Lösung lag deshalb auf der Hand: Ein Blog musste her. Schon am Anfang war die inhaltliche Vorgabe recht offen formuliert. „Es gab die Richtlinie, dass da alles hinein sollte, was die Mitarbeiter betrifft und einen Bezug zum Geschäftserfolg hat – egal ob positiv oder negativ“, erinnert sich der Vorstand Krasser. Außerdem sollten die Beiträge kurz sein. Die Mitarbeiter haben das neue Kommunikationsinstrument dankend angenommen und schnell damit begonnen, ihre Erfolge darin zu feiern. „Wenn etwas geglückt ist, wurde es da reingeschrieben und entsprechend in den Kommentaren beklatscht“, berichtet Nikolaus Krasser. Bei einer rein geschäftlichen Informationsweitergabe blieb es indes nicht. Die Mitarbeiter fingen an, auch über private Informationen in den Blogs zu berichten. Wenn beispielsweise Firmenkinder geboren wurden oder sportliche Ereignisse anstanden – alles fixierten die Pentos-Mitarbeiter nun in ihren Blogs.

Die richtige Würze für die Kommunikation

Neben Betriebssportgruppen taten sich einige Mitarbeiter zusammen, die sich über ihre Erfahrung beim Chilizüchten austauschten. Außerdem informierten sie sich gegenseitig über interessante Abendveranstaltungen. „Das hat dazu geführt hat, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl für ein Unternehmen, in dem sich viele Mitarbeiter nur einmal im Monat sehen, erstaunlich hoch ist“, bewertet Dr. Krasser die Entwicklung.

Auf der anderen Seite gab es in den Anfangszeiten des Blogs auch einige Phänomene, denen es entgegenzusteuern galt. So hatte der einzige Vertriebsmann in einer eher technisch ausgerichteten Unternehmensmannschaft eine besonders blümerante Leidenschaft für das neue Tool entwickelt: Statt rund zehn Zeilen, wie allgemein üblich, schrieb er circa 100 Zeilen. „Das hat einfach Produktivität gekostet, ihn selbst und die anderen hat es auch nicht interessiert. Man wusste nie, was ist denn davon relevant und was nicht“, erinnert sich CEO Krasser, aber fügt hinzu: „Das hat er relativ schnell begriffen, denn in den Kommentaren bekam er das Feedback, dass er zu viel schreibt.“ Befürchtungen, dass die nicht deutschsprachigen Kolleginnen in der Firma, eine Scheu gegenüber Blogs entwickeln könnten, haben sich hingegen nicht bewahrheitet. Die Mitarbeiterinnen, die aus Kroatien, Russland oder Frankreich kommen, hätten mentalitätsbedingt „frisch von der Leber weg geschrieben und sich nicht von sprachlichen Unzulänglichkeiten einschränken lassen“.

Die Motivation ankurbeln

Trotz der positiven Resonanz kommt Pentos nicht ganz ohne Anreize für die Mitarbeiter aus. Von Anfang an spielte deshalb die Vorbildwirkung eine wichtige Rolle. Wenn die „People Manager“, wie die Vorgesetzten unternehmensintern heißen, spannende Blogs schreiben und das regelmäßig tun, dann motiviere das – so Krasser – tendenziell auch die Mitarbeiter. Umgekehrt heißt das: „Wenn die fachlichen Vorgesetzten nicht mit gutem Beispiel vorangehen, dann schreiben auch die Mitarbeiter weniger.“ Mithilfe eines Trackingsystems wertet Pentos aus, wie viele Leute den Blog eines Kollegen lesen und veröffentlicht die Ergebnisse so, dass die Mitarbeiter sie jederzeit abrufen können.

„Das hat die Eitelkeit mancher Leute gepackt. Die haben dann erkannt: Oh, mein Blog wird ja gelesen“, erzählt der Vorstand. Auch wenn die Blogs nicht immer kommentiert sind, habe das die Lust zu schreiben bei einigen deutlich und auch nachhaltig gesteigert. Endgütig verpflichtend machte Pentos das Bloggen dann mit einer neuen Gehaltskomponente: Auch wenn der absolute Betrag gering ist – Blogschreiben wurde Teil des variablen Bonus. Die Mitarbeiter müssen mit ihren People Managern jedes halbe Jahr über ihren Zielerreichungsgrad sprechen. Darunter fällt auch, ob sie ihrer Verpflichtung, mindestens einmal pro Woche zu bloggen, nachgekommen sind oder nicht.

Damit die Mitarbeiter auch die nötige Zeit zum Bloggen haben, schätzte das Unternehmen aufgrund der Statistik und der Vorgaben, wie viel Zeit es kostet, Blogs zu schreiben und die der anderen zu lesen. Für das Schreiben eines Blogs brauchen die Mitarbeiter demnach maximal 15 Minuten. Laut Statisitik liest jeder zwischen zehn und fünfzehn Blogs pro Woche. „Es bilden sich so eine Art Cluster“, kommentiert Krasser diese Zahlen. „Das haben wir zwar noch nicht weiter analysiert, aber die Vermutung liegt nahe, dass die Mitarbeiter die Blogs von anderen lesen, die sie aufgrund persönlicher und fachlicher Informationen und Tipps interessant finden.“ Für das Lesen sollten die Mitarbeiter in etwa eine halbe Stunde einplanen. Mit etwas Puffer rechnen die People Manager folglich insgesamt mit einer Stunde pro Woche.

Lust und Frust

Das Management von Pentos erhoffte sich mit den Blogs auch Anzeichen für die Stimmung in den Teams. Es wollte frühzeitig mitbekommen, wenn etwas schief läuft. Diese Hoffnung haben die Blogs bisher voll erfüllt, auch wenn das Unternehmen den Preis bezahlt, dass negative Stimmungen aus den Mitarbeitern herausbrechen können. Krasser berichtet von dem konkreten Fall eines Mitarbeiters, der sich auf diese Weise outete. Es kam zu einem Mitarbeitergespräch, in dem sich allerdings herausstellte, dass der Mitarbeiter zu viele Aufgaben hatte und total überlastet war. „Dieses Problem kam mithilfe der Blogs sehr früh zum Vorschein und wir konnten gegensteuern, indem wir die Last auf mehrere Schultern verteilten“, erläutert Krasser. So ließe sich in Blogs einiges zwischen den Zeilen lesen. Das Unternehmen finde hier einen validen Indikator für die Mitarbeiterentwicklung sowie Über- oder Unterforderung.

Aussagekräftig ist das Instrument der Blogs vor allem deshalb, weil die Mitarbeiter die Probleme nicht in jedem Fall mit ihren Vorgesetzten besprechen müssen, bevor sie handeln. „Die Mitarbeiter haben relativ schnell angefangen sich selbst zu organisieren“, sagt Krasser und nennt Beispiele: Wenn sie Hilfe brauchten in einem Projekt, offene Fragen hatten oder eine Ressource brauchten, jemand der ihnen mehrere Tagen oder Wochen hilft – über all das berichten die Mitarbeiter in den Blogs ganz ungefiltert. Es entstand eine selbstorganisatorische Dynamik, die die Manager am Anfang beunruhigte: Sie wurden plötzlich nicht mehr gefragt, beispielsweise wenn es um die Zusammensetzung von Teams ging. Doch bei genauerer Betrachtung stellen sie fest, dass diese Organisationstätigkeiten keinen Mehrwert lieferten. Die neu gebildeten Teams waren tendenziell erfolgreicher als die Teams, die von oben gemanagt wurden, denn die Teammitglieder fanden sich nun auch nach Sympathie zusammen.

Veni, vidi, wiki

Vor kurzem hat das Münchner IT-Unternehmen ein neues Web 2.0-Tool aus der Taufe gehoben, das nicht weniger erfolgreich anlief: Ein Wiki. Im August des vergangenen Jahres hat Pentos eine intensive Offshore-Kooperation mit einem Kunden begonnen. Dafür arbeitete die Firma eng mit einem Offshore-Partner aus Indien zusammen. Die indischen Kollegen waren bei dem Kunden vor Ort und die Partnerunternehmen mussten eine Möglichkeit finden, den Wissenstransfer zu gewährleisten. Die Idee, das mit einem Wiki zu machen, war naheliegend. Zunächst pflegte Pentos die Kontaktdaten aller Teammitglieder ein, zu denen die Erfahrungswerte der Inder in Deutschland hinzukamen: welche Geldkarten funktionieren hier oder welche Sehenswürdigkeiten gibt es. Doch der Fokus richtete sich schnell auch auf die fachlichen Inhalte, die Dokumentation der vorhandenen IT-Systeme, der Prozesse oder der „Best Practices“. Heute geben nicht nur die deutschen und die indischen Kollegen ihr Wissen ein, sondern auch der Kunde selbst. „Unser Kunde war letztes Jahr so begeistert von der Idee, als wir das präsentiert haben, und meinte, das wäre die beste Ansammlung von Wissen in dem Umfeld überhaupt“, freut sich Dr. Krasser.

Die Projektleiterebene gab eine kleine Struktur vor, doch sonst setzt das Unternehmen ganz auf die Verantwortung der Wiki-Autoren. Kategorien seien am Anfang nicht so wichtig und auch in Zukunft ließen sie sich leicht ändern, erklärt Krasser. Denn jeder Mitarbeiter könne selbst neue Kategorien aufmachen. Je größer das Team werde, desto mehr müsse das Unternehmen auf die Struktur achten und formal festlegen. Angst vor geringer Qualität der Inhalte hat Krasser bisher nicht: „Es war die Hauptaufgabe der indischen Kollegen, ihre Erkenntnisse in diesem Tool abzulegen.“ Und jetzt nutzten die Mitarbeiter das Wiki gerne, weil sie festgestellt hätten, dass dort viel wertvolles Wissen für sie vorhanden ist. Obwohl es bereits erste „Kümmerer“ gibt, die die Entwicklung des Wikis im Blick haben, setzt Krasser vor allem auf möglichst viele Freiheiten im Umgang mit dem Web 2.0: „Selbstorganisation ist der Dünger dafür, dass sich die Kommunikationsstruktur weiterentwickelt.“

Dr. Nikolaus Krasser nimmt am Donnerstag, den 10. April, von 14.45 bis 15.30 Uhr auf der PERSONAL2008 als Diskutant an der Podiumsdiskussion „Wissensmanagement 2.0: Zwischen Freiheit und Kontrolle“ teil. Am Beispiel von Wikis debattieren Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, welche Chancen und Risiken das Web 2.0 bietet.