Doch nicht nur das entsendende Unternehmen hat Fehler gemacht, sondern auch Schusters Krankenkasse. Der Sachbearbeiter hatte den Antrag auf Ausstrahlung der Sozialversicherungspflicht unzureichend geprüft und eine Entsendebestätigung an das Unternehmen geschickt. Was zusätzlich verwundert: Als Schusters Arbeitgeber 2006 dessen lokalen Arbeitsvertrag um weitere vier Jahre fortführt und bei der Kasse eine Verlängerung der Entsendung unter Ausstrahlung beantragt, bestätigt der Prüfer diese erneut. Erst als der zurückgekehrte Expatriate 2011 seine Rentenzahlung beantragt, prüft ein anderer Sachbearbeiter des Krankenversicherungsträgers den Fall und legt deutlich mehr Akribie an den Tag. Das Ergebnis:
Schuster hätte im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses entsandt werden müssen. Dabei hätte es sich um eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (Paragraf 7 SGB IV) handeln müssen, die im Inland (fort-)besteht. Das bedeutet, dass Schuster organisatorisch in den Betrieb in Deutschland eingegliedert hätte bleiben muss. Außerdem hätte er dem Weisungsrecht seines bisherigen Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit – unter Umständen in einer durch den Auslandseinsatz bedingten gelockerten Form – unterstehen müssen. Hätte – viele Konjunktive, die Hermann Schuster aber nichts mehr nützen.
Für den Arbeitgeber heißt es im neuen Schreiben der Krankenkasse nun: „Wesentliches Indiz für das Vorliegen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ist, gegen wen der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch besteht. Für das Vorliegen des Indizes spricht, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt des im Ausland Beschäftigten – weiterhin – in der Entgeltabrechnung wie für seine Beschäftigten im Inland ausweist.
Das Unternehmen hätte all die Jahre keine Beiträge für Renten- und Arbeitslosenversicherung an das deutsche Sozialversicherungssystem abführen dürfen.
- Auch wenn objektiv eine Entsendung vorliegt, muss diese grundsätzlich formell bei der zuständigen Prüfstelle beantragt werden. Personalverantwortliche sollten kein vorgefertigtes Antragsformular verwenden, da jeder Entsendefall ein individuell zu prüfender Einzelfall ist. Entscheidende Angaben sind etwa:
- Voraussichtliche Dauer des Aufenthalts mit präzisem Datum
- Infos zum Arbeitsvertrag (lokal oder beim deutschen Arbeitgeber)
- Angaben zur Payroll (in Deutschland oder Ausland oder gesplittet?)
- Hinweise zur Weisungsbefugnis (deutsches oder ausländisches Unternehmen?)
- Infos zur Familie des Expats (kommen Partner und Kinder mit oder bleiben diese in Deutschland?)
- Die Personalabteilung sollte den Mitarbeiter zwingend einbeziehen, jede Angabe mit diesem abstimmen und dessen Telefonnummer und E-Mail-Adresse im Antrag vermerken. Der Ansprechpartner der Kasse und dessen Kontaktdaten sollten ebenfalls genannt werden. Auf diese Weise verhindern Personaler, dass unterschiedliche Angaben bei der Prüfstelle ankommen.
- Die Befristung des Auslandsaufenthaltes sollte zwingend immer angegeben werden. Ist noch nicht klar, wie lange der Auslandseinsatz andauert, sollte besser ein längerer Zeitraum als ein zu kurzer angegeben werden. Personalverantwortliche sollten keinesfalls Proforma-Anträge mit Einjahresbefristung ausfüllen.
- Die Bestätigung der Krankenkasse sollte kritisch geprüft werden und detaillierte sowie verbindliche Informationen enthalten. Da lediglich der Arbeiteber über den Bescheid zur Entsendung informiert wird, sollte die Personalabteilung unbedingt eine Kopie an den zu entsendenden Mitarbeiter weitergeben, damit dieser die Richtigkeit der Angaben überprüfen kann. Wie ein verbindlicher Entsendebescheid aussehen sollte, verdeutlicht Abbildung 1 oben.
- Personalabteilungen sind verpflichtet, jegliche Änderungen des Entsendevorhabens (zum Beispiel eine Verlängerung) an die jeweilige Prüfstelle zu melden und den entsandten Mitarbeiter davon zu unterrichten.
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Der Arbeitnehmer muss sich auf Weisung seines Arbeitgebers ins Ausland begeben, um dort für diesen eine Tätigkeit auszuüben.
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Das inländische Beschäftigungsverhältnis muss fortbestehen. Dafür gilt folgende Definition:
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Die Verantwortung für den Arbeitnehmer liegt beim entsendenden Unternehmen.
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Der Arbeitsvertrag bleibt in vollem Umfang mit diesem Unternehmen bestehen.
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Das Unternehmen kann den Arbeitnehmer entlassen sowie die Art und Weise seiner Tätigkeit bestimmen.
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Die Arbeit im Gastland wird auf Rechnung des entsendenden Unternehmens ausgeführt.
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Die Entsendung muss im Voraus zeitlich befristet sein. Dafür gibt es anders als bei der Entsendung in EU/ EWR-Staaten keine vorgegebene maximale Frist.