Ursprungsmodell um Option erweitert

Konkret setzte das DIW für seine Forschung ein so genanntes „Mikrosimulationsmodell ein“ (siehe Abbildung); ein klassisches Politberatungsinstrument, um Verhaltensänderungen betrachteter Soziogruppen abzuschätzen. Das Modell arbeitet mit einem bevölkerungsrepräsentativen Mikrodatensatz, der Detailinfos beispielsweise zu Einkommen, Arbeitszeit und weiteren sozio-demographischen Merkmalen enthält. Im zweiten Schritt simulieren die Forscher mit einem Steuer-Transfer-Simulationsmodell die verfügbaren Einkommen für jeden Haushalt individuell, um u. a. hypothetische Reformalternativen zu ermitteln. Auf dieser Basis können die möglichen fiskalischen Wirkungen von Reformen erwogen werden. Drittens verwenden die Forscher ein Verhaltensmodell, das etwa das Arbeitsangebot von Haushalten abbildet. Sie nehmen dabei an, dass Menschen durch eine bloße Reform nicht kurzfristig nachhaltig umdenken, sondern vielmehr dann, wenn sie reformbedingt über mehr oder weniger Einkommen verfügen.

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                  DIW-Prognose: Lohnersatzleistung oder Pauschalleistung
     würde weibliche Beschäftigungsquote steigern.
                                      Arbeitsvolumen insgesamt nähmen zu,
                    da Frauen Arbeitszeit stärker erhöhen, als sie
                                             Männer reduzieren.



Für die Friedrich-Ebert-Stiftung erweiterten die DIW-Ökonomen ihr Ursprungsmodell um die Option, dass Eltern über einen flexiblen Arbeitszeitkorridor von 28 bis 32 Stunden verfügen können; anstelle der starren Vorgabe von 32 Stunden des ersten DIW-Modellvorschlages. Diese Änderung gab den Ausschlag für die höhere Quote von 3,2 Prozent. Im Klartext: Deutlich mehr Familien w
ürden das vorgeschlagene Angebot nutzen. 

Höhe der vorgeschlagenen
Pauschalleistung: monatlich 250 Euro


Die DIW-Forscher haben zudem untersucht, inwiefern es sich für Staat und Empfänger lohnen würde, wenn die Lohnersatzleistung nicht an das bisherige Vollzeiteinkommen gekoppelt wäre, sondern pauschal ausfiele. Die Berliner meinen, dass eine Pauschalleistung in H
öhe von monatlich 250 Euro pro Elternteil ähnlich wie eine Lohnersatzleistung mit einer Ersatzrate in Höhe von 65 Prozent wirken würde. Profitieren würden insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen, da der pauschale Betrag einem höheren Anteil ihres Einkommens entsprä
che als bei Haushalten mit hohen Einkommen. Der zweite Vorteil bestünde laut DIW in einem geringeren staatlichen Verwaltungsaufwand.

Simulationsergebnis bekräftigt
erweiterten Reformvorschlag

Der Studienansatz des Berliner Institutes ist nicht neu. Schon vor zwei Jahren stellte es der Öffentlichkeit ein selbstentwickeltes Familienarbeitszeitmodell vor. Dieses sah vor, dass Eltern ein- bis dreij
ähriger Kinder vom Staat eine Lohnersatzleistung erhalten, wenn sowohl die Mutter als auch der Vater 32 Stunden pro Woche berufstätig sind; zugunsten einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nach den damaligen DIW-Rechnungen hätte dieses Konzept zwei Prozent der betreffenden Familien dazu bewegen können, entsprechend zu leben.

Die in 2013 ermittelte Quote ließe sich laut den neuen Berechnungen mit einem erweiterten Modell auf 3,2 Prozent steigern, wie die DIW-
Ökonomen Kai-Uwe Mü
ller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich mit ihrer Simulation belegen. Dass dieser Prozentsatz entsprechend seiner politischen Bedeutung nicht zu gering ist, davon zeigt sich Katharina Wrohlich im Gespräch mit HRM.de überzeugt. Die 3,2 Prozent umfassten jene Menschen, die anderen durch ihre Lebensweise zum Vorbild werden könnten. Nicht alle Menschen dächten kurzfristig nachhaltig um, es brauche stets Vorreiter. Trends setzen sich also nicht im Hau-Ruck-Verfahren, sondern in Wellenbewegungen durch. Schließlich lebt auch nicht jede Person in Umständen, die eine sofortige Änderung zulassen.    

Foto: Karl-Heinz Laube | pixelio.de

Im Jahr 2014 betrug die Zahl der Familien mit minderjährigen Kindern in Deutschland laut Bundesstatistikamt rund 8,1 Millionen. Traditionell trugen und tragen bisher Väter die Haupterwerbslast. Der Trend zur Umverteilung dieser Last auf Mann und Frau gleichermaßen ist weiterhin ungebrochen. Viele Partner denken um. Wie der jüngste Familienreport des Bundesfamilienministeriums zeigt, möchten viele erwerbstätige Eltern nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen. Konkret wünschte sich jedes dritte Paar 30 Stunden Teilzeit wöchentlich und pro Partner. Auch eine Studie des Institutes für Demoskopie in Allensbach aus diesem Jahr, auf die das DIW im Rahmen seiner Forschung verweist, belegt, dass die gesellschaftlichen Zeichen in der Arbeitswelt auf Erwerbsteilung sowie Teilzeit stehen. Konkret würden nahezu die Hälfte aller Eltern mit Kindern unter sechs Jahren eine Erwerbskonstellation wählen, in der beide Partner gleich oder fast gleich viele Stunden erwerbstätig sind, sofern sie dadurch nicht existentiell zurückstecken müssten.     

Den Auftrag zur Forschung bekam das DIW von der Friedrich-Ebert-Stiftung; einer der ältesten politischen Stiftungen in Deutschland – sie feierte dieses Jahr im März ihren 90. Geburtstag - und benannt nach dem ersten demokratisch gewählten Reichpräsidenten Friedrich Ebert. Die Stiftung möchte in ihrer Funktion als Politberatung aufgrund des DIW-Reports Empfehlungen zur aktuellen politischen Diskussion um die Gestaltung der Familienarbeitszeit leisten. Das DIW unternahm konkret eine neue Modellsimulation, um auszuloten, auf welche Reformen der Gesetzgeber hinwirken sollte.