BAG v. 16.12.2008 – 9 AZR 893/07

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1. Verhältnis Verringerung-Verteilung der Teilzeit

Das Teilzeit- und Befristungsfristungsgesetz berücksichtigt, dass zwischen dem Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit und der gewünschten Verteilung ein ständiges Spannungsverhältnis besteht. So heißt es im Gesetz, dass die Verringerung der Arbeitszeit der Kern des Teilzeitanspruches ist. Bei seinem Antrag "soll" der Arbeitnehmer aber die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben. Sodann muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit erörtern. Dabei sollen beide Seiten versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Weiter heißt es im Gesetz, dass der Arbeitgeber sich mit dem Arbeitnehmer auch bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit einigen soll oder gar muss, wenn der Arbeitnehmer dies ausdrücklich so wünscht. Der Mitarbeiter ist allerdings auch frei darin, dem Arbeitgeber die Verteilung zu überlassen. In der Regel ist einem Arbeitnehmer aber nicht damit gedient, dass die wöchentliche Arbeitszeit zum Beispiel von 38,5 auf 30 Stunden reduziert wird, wenn er oder sie nicht planen kann, wie genau sich die verringerte Arbeitszeit verteilt. Wenn etwa eine Mutter nach Beendigung der Elternzeit wieder in den Beruf einsteigen will, dann muss sie sich hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit an den Betreuungszeiten der Kinderkrippe orientieren. Insoweit besteht zwischen dem Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit und der gewünschten Verteilung regelmäßig ein enger Zusammenhang, der es nicht zulässt, dass die Verringerung isoliert akzeptiert wird und dann über die Verteilung ein neuer Streit entsteht.

In einem neueren Fall, über den das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden hatte, hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst über die Verkürzung als solche geeinigt. Das Gericht ließ nun jedoch zu, dass lediglich über die Verteilung ein Prozess geführt wurde. Die Klägerin war in einem Baumarkt beschäftigt, in dem eine flexible Arbeitszeitregelung bestand.

Grundsätzlich ist es zulässig, eine isolierte Klage auf Neuverteilung der Arbeitszeit zu erheben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Verringerung und der Verteilung der Arbeitszeit besteht und die Arbeitnehmerin damit leben kann, dass lediglich die Verringerung akzeptiert wird. Dies kann aber – wie bereits erwähnt – lediglich in den Fällen gelten, in denen beispielsweise einer Mutter damit gedient ist, dass sie zunächst eine grundlegende Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit (im konkreten Fall von 38,5 auf 30 Stunden) erhält. In der Praxis wird ihr damit jedoch nicht geholfen sein, da sie dann ihre Arbeitszeit nicht an den Öffnungszeiten der Kindertagesstätte ausrichten kann. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitnehmerin aus eben diesem Grund gesondert um die gewünschte Verteilung, die den Öffnungszeiten der Kita entspricht, vor Gericht gekämpft.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt aber sicherlich nicht den Schluss zu, dass es dem Arbeitgeber generell freigestellt ist, einem Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit isoliert zuzustimmen und den Arbeitnehmer hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit auf den Rechtsweg zu verweisen. Der Grund: Angenommen, die Arbeitszeit reduziert sich um ein Viertel, dann reduziert sich auch die Vergütung um ein Viertel. Die Verteilung der Arbeitszeit kann dann aber so sein, dass dem Arbeitnehmer die verkürzte Arbeitszeit nichts bringt, weil er sein Kind nicht rechtzeitig aus der Kindertagesstätte abholen kann. Deshalb ist gemäß dem Sprichwort "Ohne Spesen nichts gewesen" der Mitarbeiter, der eine Arbeitszeitverkürzung wünscht, lediglich mit der Verkürzung der Vergütung konfrontiert, ohne aber die Vorteile der verkürzten Arbeitszeit genießen zu können. Daher bleibt es im Prinzip bei der engen Verknüpfung zwischen der Verkürzung der Arbeitszeit und der gewünschten Verteilung.

2. Betriebliche Mitbestimmung

Von besonderer Bedeutung sind auch die Auswirkungen des Urteils auf den Einfluss, den die betriebliche Mitbestimmung auf den Verteilungswunsch des Arbeitnehmers hat. Lange Zeit war dieser Punkt umstritten, da der Arbeitgeber unter Berufung auf eine Betriebsvereinbarung nahezu jeden Verringerungswunsch leicht ablehnen konnte. Da dies jedoch den auf EU-Recht basierenden Teilzeitanspruch unterlaufen hätte, herrschte bisher die Meinung vor, dass bei der Umsetzung des Teilzeitanspruches das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht bestehe. Es handle sich jeweils um einen Individualanspruch eines einzelnen Arbeitnehmers, der mitbestimmungsrechtlich irrelevant sei. Die Betriebsräte hätten kein Recht, sich gegen die individualvertraglich vereinbarte verkürzte Arbeitszeit und ihre Lage zu wehren.

Dieser Ansicht hat das BAG nun eine eindeutige Absage erteilt. Es stellt fest, dass Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden dem Teilzeitanspruch entgegengehalten werden können, wenn die Festlegung des Umsetzungswunsches einen kollektiven Bezug hat. Mit anderen Worten: Wenn durch den Wunsch einer Mutter, ihre Arbeitszeit entsprechend den Öffnungszeiten der Kita festzulegen, andere Arbeitnehmer des Betriebes häufiger an Samstagen oder in den Abendstunden arbeiten müssen (die Arbeitnehmerin des vorliegenden Falles hatte neben dem Maximum von zwei Samstagen von Montag bis Freitag eine Arbeitszeit von 8.30 bis 14.30 Uhr gewünscht), dann ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats betroffen.

Besteht in einem Betrieb eine Betriebsvereinbarung, die dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht einräumt (auch eine Regelungsabrede, nach der bestimmte von grundsätzlichen Regelungen abweichende Verteilungswünsche der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen), kann sich der Arbeitgeber auf die Verweigerung des Betriebsrats berufen. Der Arbeitgeber kann dies dem Arbeitnehmer gegenüber ins Feld führen und damit den Verteilungswunsch erfolgreich abwehren – vorausgesetzt der Betriebsrat hat aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede seine Zustimmung tatsächlich rechtmäßig verweigert. Besteht ein derartiger kollektiver Bezug bei einer vom Arbeitnehmer gewünschten spezifischen Verteilung der Arbeitszeit, dann greift das Mitbestimmungsrecht ein, bevor der Arbeitgeber dem Wunsch zustimmt. Eine spätere Beteiligung würde dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nicht gerecht, da dann zumindest zivilrechtlich bereits ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die vereinbarte Vereilung der verkürzten Arbeitszeit existiert. Daher erfordert eine vernünftige Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts, dass der Betriebsrat dann mitbestimmt, wenn er noch etwas ändern kann: nämlich vor entsprechender Annahmeerklärung durch den Arbeitgeber.

Im Ergebnis kommt das BAG zu dem Schluss, dass eine auf der Grundlage von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung einen Arbeitgeber verpflichten kann, einen Verteilungswunsch eines Arbeitnehmers abzulehnen.