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Foto von John Schnobrich
Diese Erkenntnis hat die Tarifvertragsparteien dazu veranlasst, unter § 5 TVöD eine tarifvertragliche Regelung zur Qualifizierung zu vereinbaren, die als Aufforderung zu verstehen ist, im Wege einer freiwilligen Dienst- oder Betriebsvereinbarung auf betrieblicher Ebene Qualifizierungsmaßnahmen detailliert zu gestalten. Ein individualrechtlicher Anspruch auf Qualifizierung wurde den Beschäftigten tarifvertraglich gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 TVöD nicht eingeräumt, könnte aber Bestandteil der freiwilligen Dienst- oder Betriebsvereinbarung sein. Eine Empfehlung kann diesbezüglich jedoch nicht abgegeben werden, da dies eine zu große Bindung für Arbeitgeber und auch Beschäftigte darstellt. Art, Dauer, Inhalte sowie Fragen der Durchführung der Qualifizierungsmaßnahmen sollten eher in der freiwilligen Dienst- oder Betriebsvereinbarung behandelt werden.

Unter § 5 Abs. 3 Satz1 TVöD sind die Maßnahmen aufgeführt, die zur Qualifizierung im Einzelnen zählen:

a) die Fortentwicklung der fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen für die übertragenen Tätigkeiten (Erhaltungsqualifizierung – Aktualisierung des Wissens ohne Tätigkeitsänderung).

Praxisbeispiel: Teilnahme an einem Seminar über die Neuerungen eines Rechtsgebietes.

b) der Erwerb zusätzlicher Qualifikation (Fort- und Weiterbildung).

Praxisbeispiel: Erzieherin erwirbt die Zusatzqualifikation als Musikpädagogin.

c) die Qualifizierung zur Arbeitsplatzsicherung (d.h. die Qualifizierung für eine andere Tätigkeit, Umschulung),

Praxisbeispiel: Hausmeister lernt Umgang mit Kehrmaschine und kann am Bauhof eingesetzt werden.

d) die Einarbeitung bei oder nach längerer Abwesenheit (Wiedereinstiegsqualifizierung).

Praxisbeispiel: Eine Frau kehrt nach längerer Freistellung wegen Kinderbetreuung auf den veränderten Arbeitsplatz zurück.

Die Teilnahme an jeder Qualifizierungsmaßnahme ist zu dokumentieren und den Beschäftigten schriftlich zu bestätigen. Nicht vorgeschrieben ist dabei die Dokumentation der Bewertung, so dass diesbezüglich eine Regelung in einer freiwilligen Dienst- oder Betriebsvereinbarung sinnvoll sein kann. Ebenso macht der Tarifvertrag keine Vorgaben zu Ort und Methodik der Qualifizierungsmaßnahme und eröffnet damit eine Bandbreite an Möglichkeiten, die von Inhouse-Schulungen, Seminaren bis zum E-Learning reicht. Eine diesbezügliche Einschränkung der Verfahren sollten durch die freiwillige Dienst- oder Betriebsvereinbarung auch nicht vorgenommen werden, um Arbeitgebern und Beschäftigten in der jeweiligen Situation die passende Qualifizierung zu ermöglichen.

Der eigentliche tarifvertragliche Anspruch wird in § 5 Abs. 4 TVöD festgelegt. Dieser besteht nicht darin, dass bestimmte Qualifikationsmaßnahmen durchgeführt werden, sondern ist auf ein regelmäßiges Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter gerichtet, um den Qualifizierungsbedarf festzustellen. Der Inhalt des Gespräches kann vielschichtig sein und von der Karriereentwicklung über Zielvorgaben bis zur Schlechtleistung der Beschäftigten reichen. Gleichzeitig sind in dem Gespräch aber auch die Anliegen und Vorstellungen der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Um die gewonnenen Ergebnisse festzuhalten, empfiehlt es sich in der Praxis, das Gespräch zu protokollieren. Sofern es der Wunsch des Beschäftigten ist, kann das Gespräch auch unter Hinzuziehung der Personalvertretung erfolgen. Weiterhin besteht die Möglichkeit - bei Einverständnis der Beschäftigten - ein Gruppengespräch zu führen, was sich sicherlich bei großen Arbeitseinheiten anbietet. Sofern keine anderweitige Reglung in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung aufgenommen wurde, gilt ein jährlicher Gesprächsturnus. Besonders erwähnenswert ist, dass der tarifvertragliche Anspruch allen Beschäftigten offensteht, d.h. auch Mitarbeitern die zum Beispiel wegen längeren Fehlzeiten (Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit) gerade nicht aktiv am Arbeitsleben teilnehmen. Der Anspruch zu Gesprächsführung besteht dabei bereits während der Abwesenheitszeit und nicht erst danach.