von Dipl.-Psych. Ralph Köbler – www.ecruiting.at

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Foto von William Iven

komprimierter Auszug aus dem Buch
“Neue Wege im Recruiting – Mehr Effektivität mit Metaprogrammen und dem Gravesmodell”

Das Gravesmodell ist ein Werte-Metamodell, ein Entwicklungsmodell für die Entfaltung der Persönlichkeit und für die Evolution von Kulturen und Organisationen.

Es wurde benannt nach Clare W. Graves (1914-1986), ehemals Professor für Psychologie am Union College, Schenectady, N. Y., USA. Clare Graves war ein Kollege des berühmten Motivationsforschers Abraham Maslow und er entwickelte seine Theorie in direktem Bezug zu Maslows Arbeiten in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts.
Auf den Punkt gebracht entwarf Clare Graves ein Entwicklungsmodell für die Entfaltung der Persönlichkeit und für die Evolution von Kulturen und Organisationen. Zentraler Ausgangspunkt seiner Betrachtung war die Motivation, die von Werten repräsentiert wird und die Evolution dieser inneren Wertesysteme. In frühen Kulturen (z. B. Steinzeit) war die Motivation von unmittelbaren Überlebens-Werten wie Nahrung, Unterkunft, Wärme etc. geprägt
In späteren Zeiten war die Sicherheit eines Stammes ein zentraler Motivator
In weiterer Folge entwickelten sich komplexere Gesellschaften mit ihren Regeln und Gesetzen. Nun bestimmten andere Werte die Motivation
Clare Graves beschreibt die Phasen dieser evolutionären Werte-Entwicklung in einem Wertemetamodell. Graves beschreibt acht Werteklassen. Das System ist nach oben offen, d. h. Graves lässt die Möglichkeit zu, dass es noch höhere Werteklassen gibt. Gleichzeitig drückt er dadurch aus, dass die menschliche Evolution kein fixes Ziel hat, sondern ein offener Prozess ist. Jede Graves-Ebene hat ihre eigene Bewusstseinsstufe.
Hier ein Überblick über diese acht Werteebenen:

Graves 1 – „Überleben“ – individuumsorientiert
Das erste Wertesystem stammt aus der Zeit der Steinzeitmenschen, der Zeit der Jäger und Sammler. Analog zur Motivations-Pyramidenbasis bei Abraham Maslow haben elementare Überlebenswerte Vorrang:
z. B. Nahrung, Wasser, Wärme, Sex und Unterkunft
Das Leben ist hier reine Anpassung an die Natur. Das eigene Selbst wird nur schwach wahrgenommen, die ganze Aufmerksamkeit liegt nach außen auf der sinnlichen Wahrnehmung.

Graves 2 – „Sicherheit und Zugehörigkeit“ – gruppenorientiert
Die Entwicklung führt die menschliche Rasse weiter in die Erfahrung des Stammes-Lebens. Der Mensch ordnet sich dem Stamm und dem Häuptling unter und bekommt Sicherheit. Sicherheit und Identifikation sind die wichtigsten Graves2-Werte. Folgende Graves2-Werte sind relevant:
Sicherheit, Zugehörigkeit, fester Arbeitsplatz, Schutz, Absicherung, Bindung, sich “zu Hause” fühlen, Treue zur Organisation, Teil der Gruppe sein, dazugehören, Geborgenheit, das Prinzip der Ältesten/Seniorität, Vergangenheitsorientierung, Rituale bewahren, Stolz auf die Organisation sein, Nationalismus, örtliche Gebundenheit, Treue zu den Wurzeln
Sind die Graves2-Anteile konstruktiv in eine reife Persönlichkeit integriert, ist der Mensch loyal und vertrauenswürdig. Er ist stolz auf seine Firma und hat einen ausgeprägten Sinn für Familie und Zusammenhalt.

Graves 3 – „Macht und Kraft“ – individuumsorientiert
Hier entwickelt der Mensch erstmals ein individuelles Selbst, d. h. die Graves3-Ebene ist die Geburtsstunde des individualisierten Selbst. Zum ersten Mal entwickelt sich ein starkes „Ich“. Das Selbst befreit sich aus der Identifikation mit dem Stamm und drückt sich impulsiv und egozentrisch aus und unabhängig. Dies ist die Werteebene der Helden, Ritter und Cowboys. Wichtige Werte sind:
Stärke, Ehre, Mut, Macht, Führungsanspruch, Respekt bekommen, cool sein, unnachgiebig sein, Freude, Spaß, Genuss, Risiko, Dramatik, Spontaneität, kreative Kraft, Durchsetzungsvermögen, Sieg, Sieger, Gewinner, Schande & Verliererimage vermeiden, Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Abenteuer, den „Kick“ suchen
Wenn Menschen in Graves3 zentriert sind, denken sie: „Die Welt ist rau und hart. Nur der Stärkste überlebt“. Durch diese Weltsicht verhalten sie sich oft hart, aggressiv und gewissenlos. Menschen mit starken, aber durch höhere Werte balancierten Graves3-Anteilen sind sehr kreativ und proaktiv und ergreifen schnell die Initiative. Verkäufer, besonders die „Hunter“, benötigen einen starken Graves3-Anteil, um sich im Markt zu behaupten. Auch Führungskräfte benötigen eine Umsetzungskraft, um als Vorbilder akzeptiert zu werden.
Sind die Graves3-Anteile konstruktiv in eine reife Persönlichkeit integriert, lebt der Mensch innovativ, kreativ, proaktiv, kraftvoll und lebendig. Der Fokus liegt auf einer Gegenwartsorientierung und es geht um Konkretes und nicht um Ideen und Konzepte.

Graves 4 – „Recht und Ordnung“ – gruppenorientiert
Wie bekommt man Kontrolle über einen Haufen Raufbolde und Cowboys? Hier entwickeln sich in der Evolution der Menschheit nun erstmals Hochkulturen mit allgemeingültige Regeln und Gesetze. Das Faustrecht der Graves3-Ebene wird durch ein allgemeingültiges Gesetzeswerk ersetzt. Wichtige Werte dieser Ebene sind:
Recht und Ordnung, Struktur, Loyalität, Handschlag-Qualität, Ehrlichkeit, Wahrheit, Echtheit, Authentizität, Gerechtigkeit, Genauigkeit, Gründlichkeit, Prinzipientreue, Moral, Tugenden, Höflichkeit, Disziplin, Gehorsam, Zuverlässigkeit, Stabilität, Klarheit, Gewissheit, Perfektionismus, Pflichterfüllung
Die Gesellschaftsordnung in der Graves4-Kultur ist stark hierarchisch organisiert. Der Mensch ordnet sich der Autorität des Staates unter. Sind die Graves4-Anteile konstruktiv in eine reife Persönlichkeit integriert, hat die Person Stabilität und Verantwortungsbewusstsein. Sie ist pflichtbewusst, setzt sich für Recht, Ordnung und das Allgemeinwohl ein, ist gut organisiert und systematisch in ihrem Vorgehen. Sie ist loyal zu ihren Autoritäten und hat Handschlag-Qualität in ihren Vereinbarungen.

Graves 5 – „Gewinn und Leistung“ – individuumsorientiert
Der Einzelne erkennt den Sinn von Recht und Ordnung an und beginnt nun gleichzeitig, nach persönlichem Erfolg zu streben. Er sieht die Welt voller Möglichkeiten und Chancen. Regeln und Gesetze werden „zielorientiert interpretiert“, eventuell teilweise gebogen, zumindest aber nicht mehr so wichtig genommen. Wichtige Werte der Graves5-Ebene sind:
Erfolg, Wohlstand, unternehmerisches Denken, Leistung & Einsatz, Herausforderung, Karriere, Gewinn, Ziel- und Ergebnisorientierung, Produktivität, Wertschöpfung, „der Beste sein“, Marktplatz der Möglichkeiten, Wachstum, Expansion, finanzielle Freiheit, ausgezeichnete Leistungen, Wettbewerb belebt, Pragmatismus, Belohnung, „größer & besser“, Fortschritt, Wissenschaft, „alles ist möglich!“
Die zentrale Eigenschaft der Graves5-Ebene ist ein ausgesprochener Optimismus für die persönliche Zukunft mit ihren Möglichkeiten und Optionen. Diese Zukunft verheißt Wohlstand, ein schönes Leben mit Genuss und gesellschaftlicher Anerkennung. Menschen mit einer Graves5-Zentrierung möchten sich mit anderen messen und zeigen, dass sie mehr als andere können. Sie möchten gesellschaftlich weiterkommen, sind karriereorientiert und streben Erfolg und Wohlstand an. Mit den Werten der Ziel- und Ergebnisorientierung liegt der zeitliche Fokus neben der Gegenwart zum ersten Mal auch auf der kurzfristigen Zukunft.

Graves 6 – „Team und Gemeinschaft“ – gruppenorientiert
Die Entwicklung der Graves6-Werteebene ist eine Rückbesinnung auf menschliche Werte:
Teamgeist, Zulassen und Ausdruck von Gefühlen, Beziehungen, Wertschätzung, Gruppenharmonie, Gruppen-Wir-Gefühl, Kollegialität, Harmonie, Zusammenarbeit, Menschlichkeit, einfühlsam sein, Gleichheit, Kooperation, soziale Verantwortung, Verständnis für andere, Friede & Liebe, Konsens-Zustimmung aller einholen, Gemeinschaft, Networking
Aus gesellschaftlicher Sicht ist im Konzept der sozialen Marktwirtschaft das „soziale“ die 6er-Balance zur 5er-Marktwirtschaft: Gleiches Recht auf Ausbildung, Gesundheitswesen, Altersvorsorge und soziale Absicherung.

Graves 7 – „Freiheit und Lernen“ – individuumsorientiert
Die Graves7-Werteebene ist die Ebene des Systemdenkens. Die eigene Persönlichkeitsentwicklung tritt nun erstmals selbstbezüglich in den Fokus der Motivation. Der Mensch auf der Graves7-Ebene möchte sich selbst verwirklichen. Das Denken wird langfristig und strategisch. Wichtige Werte sind:
Systemdenken, Freiheit, Lernen, Wissen erweitern, Wissensmanagement, Persönlichkeitsentwicklung, Neugier, Talententfaltung, Individualität, Individualisierung, Selbstverwirklichung, geistige Unabhängigkeit, Vision, Überblicksdenken = das „Big Picture“, Einzigartigkeit, Synergie, Inspiration, Virtualisierung, Zusammenhänge erkennen, Kompetenz, Funktionalität, Nützlichkeit, langfristige Strategien, Flexibilität, Raum für Vielfalt und individuelle „Wahrheiten“

Graves 8 – „Nachhaltigkeit und globale Einheit“ – gruppenorientiert
Die zentralen Werte der Graves8-Ebene sind:
Ganzheitliches und globales Zugehörigkeitsgefühl zum Planeten Erde, Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit, Biosphäre, Synthese, Integration, zum Wohle allen Lebens, Transzendenz, Biodiversität, Ökosystem, Nachwelt und zukünftige Generationen, globale Verbesserung, langfristige Konsequenzen, Weltfrieden, holistische Sicht, emotional/spirituelle Balance, Demut, global denken und lokal handeln

Hier ein Überblick über das Modell:
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Im Buch “Neue Wege im Recruiting – Mehr Effektivität mit Metaprogrammen und dem Gravesmodell” wird das Gravesmodell und seine Anwendung für das Recruiting und die strategische Personalarbeit vorgestellt. Im Vordergrund stehen dabei die Metaprogrammfragen und das Gravesmodell im konkreten Auswahlverfahren. In weiterer Folge wird die Anwendung des Gravesmodells ausgeweitet. Folgende Bereiche werden dargestellt:

– Erstellung des Anforderungsprofils
– Personalmarketing und die Anpassung von Print- und Online-Anzeigen
– Auswahl-Interview und andere Auswahlverfahren, z. B. Assessment-Center
– Personal-, Organisations- und Führungsentwicklung
– Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeitsmanagement

Wie hilft jetzt das Buch im Tagesgeschäft eines Recruiters?

Kernthese: Ziel des Buches ist es, die Selbst- und Menschenkenntnis des Personalreferenten durch praktische Ansätze und Gesprächstechniken zu erweitern, damit er seinen Job effektiver machen kann

Konkret hilft ihm die erweiterte Selbst- und Menschenkenntnis, indem:
– seine eigenen Persönlichkeitsthemen nicht mehr den klaren Blick auf den Kandidaten einschränken
– er effektiver mit dem Kandidaten einen Draht aufbauen kann, so dass dieser sich verstanden fühlt mit dem was ihm wichtig ist
– er seinen Auftraggeber klarer hinterfragen kann und er damit das Anforderungsprofil (mit seinen systemischen und zukunftsorientierten Entwicklungsaspekten) besser definiert und er dann im Personalmarketing die Zielgruppen-Persönlichkeit effektiver ansprechen kann
– er klarer einschätzen kann, ob der Kandidat langfristig in der vakanten Position motiviert sein wird – ob diese Position zu passt. Gleichzeitig bekommt der Kandidat das Gefühl, dass das Gespräch auf einem sehr hohen Niveau stattfindet und dass, was ihm wichtig ist (seine Werte), wirklich hinterfragt wird.

Gute Fragen klären nicht nur die diagnostische Sicht des Personalreferenten, sondern verbessern auch die Gesprächsqualität insgesamt, so dass sich der Kandidat verstanden fühlt.

Mit diesen Lernfeldern geht es um die zentralen Standardaufgabe für jeden Personalreferenten, aber vielen Personalreferenten fehlt ein psychologisches Knowhow. Sie greifen bei genügend langjähriger Erfahrung auf ihre Intuition (“Baugefühl”) zurück, was einfach ihre unbewusste Wissensbasis ist, die sich sich in vielen Jahren aufgebaut haben.

Das Feedback von meinen Seminarteilnehmern – die oft erfahrene Personalisten sind -ist, dass das im Buch beschriebene Knowhow hilft, dass eigene Bauchgefühl zu verstehen, so dass es leichter z.B. in Richtung Auftraggeber kommunizierbar wird.

Der Autor freut sich jederzeit über Feedback: ralph.koebler@ecruiting.at

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