Die Hauptleistungspflicht für den Arbeitnehmer besteht darin, die versprochenen Dienste zu erbringen, während der Arbeitgeber verpflichtet ist, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Vergütungspflicht und Arbeitsleistung stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Mehrheitlich wird in Arbeits- oder Tarifverträgen ein monatlicher Festlohn und die wöchentliche Arbeitszeit vereinbart. Der Arbeitnehmer erhält also monatlich immer dieselbe Vergütung. Bei Einigung auf einen Stundenlohn sind für die Höhe der zu zahlenden Vergütung die geleisteten Arbeitsstunden maßgeblich. In diesen Fällen bereitet die Frage, ob Überstunden zu vergüten sind, keine Schwierigkeiten.

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Fehlende Regelungen

Bei anderen Regelungen könnte entscheidend sein, ob eine besondere Überstundenregelung vereinbart worden ist. Ist hiervon Abstand genommen worden, ist folgendes zu beachten: Enthält der Arbeitsvertrag weder eine positive noch eine negative Regelung zur Überstundenvergütung, kann Ihr Mitarbeiter unter Umständen einen Anspruch gemäß § 612 Absatz 1 BGB haben. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine solche zu erwarten ist.

Diese „Vergütungserwartung“ wird von der Rechtsprechung in weiten Teilen des Arbeitslebens als gegeben angesehen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, existiert nicht. Wann eine Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Bezahlung zu erwarten ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Wird die Dienstleistung im Rahmen des Hauptberufs von Ihrem Mitarbeiter erbracht, spricht viel dafür, dass diese entgeltlich erfolgt. Anders kann die Beurteilung ausfallen, wenn von einer Gefälligkeit ausgegangen werden kann. Fährt Ihr Mitarbeiter Sie z. B. nach Dienstschluss mit seinem Kraftfahrzeug nach Hause, kann es sich um eine Gefälligkeit und nicht um eine entgeltliche Dienstleistung handeln. Eine objektive Vergütungserwartung besteht nicht.

In diesen Fällen kann es für Sie teuer werden:
Eine Vergütungserwartung kann vorliegen, wenn
■■ Verkehrssitte, Art, Dauer und Umfang der Dienstleistung dies nahe legen
■■ die Dienstleistung im Rahmen des Hauptberufs des Arbeitnehmers erfolgt.
■■ im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten die Vergütung von Überstunden vorsehen.
Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer Vergütungserwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der eine Vergütung begehrt, dementsprechend der Arbeitnehmer.

AGB-konform

Ist im Arbeitsvertrag eine Überstundenregelung enthalten, muss sich diese an den §§ 305 ff BGB messen lassen, die sich mit den Grundsätzen der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in Verträgen befassen. Nach der Rechtsprechung sind Arbeitnehmer bei Abschluss eines Arbeitsvertrages als Verbraucher zu betrachten, so dass die Überprüfung der AGB auch bei nur einmaliger Verwendung erfolgen kann. Gemäß § 307 BGB sind AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Die zur Unwirksamkeit einer AGB führende unangemessene Benachteiligung kann sich ebenfalls daraus ergeben, dass die Klausel nicht klar und verständlich formuliert ist. Ihrem Mitarbeiter soll es möglich sein, sich über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsunterzeichnung zu informieren. Er soll durch Klauseln nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden und es sollen ihm keine unberechtigten Pflichten abverlangt werden. Die benachteiligende Wirkung einer AGB muss von ihm, ohne dass er Rechtsrat einholen muss, erkennbar und transparent sein.

Pauschale Abgeltung

Ist in Ihren Arbeitsverträgen enthalten, dass Überstunden mit der Zahlung der Vergütung pauschal abgegolten sind, spricht viel für einen Verstoß gegen das Transparenz- und Bestimmtheitsgebot des § 307 BGB. Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender der Klausel keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen können. Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich umschreiben.

Das Bestimmtheitsgebot ist verletzt, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält. Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen. Andernfalls lässt sich für den Arbeitnehmer nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht.

Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, womit er zu rechnen hat und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss. Ein weiteres Problem der „Pauschalabgeltung“ betrifft die zulässige Höchstarbeitszeit. Soweit Klauseln alle Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarten Wochenstunden überschreiten, ist deren Umfang im Arbeitsvertrag nicht ausreichend bestimmt.

Insbesondere lässt sich meist weder der Klausel selbst noch den weiteren arbeitsvertraglichen Bestimmungen eine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es durch Überstunden zu einer Überschreitung der Höchstarbeitszeit kommen kann.


Das müssen Sie bei Regelungen im Arbeitsvertrag beachten

■■ keine pauschale Abgeltung von Überstunden
■■ Begrenzung auf ca. 10% der monatlichen regelmäßigen Arbeitszeit
■■ Begrenzung auf angeordnete oder auf dringende betriebliche Gründe basierende
Überstunden
■■ ggf. Ausschlussklausel für Ansprüche
■■ ggf. Freizeitausgleich für Überstunden

Kein allgemeiner Rechtsgrundsatz

Vereinbarungen, die eine Pauschalabgeltung für Überstunden beinhalten, sind deshalb in der Regel unwirksam. Eine Vergütungspflicht der Überstunden ist damit aber nicht automatisch verbunden. Wie oben bereits ausgeführt, kommt es immer auch darauf an, ob eine objektive Vergütungserwartung besteht. Überwiegend wird man bei Arbeitnehmern davon ausgehen können.

Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach jede Überstunde oder betriebliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, besteht aber nicht. Nach der Rechtsprechung kann man gerade bei Diensten „höherer“ Art nicht immer von einer Vergütungserwartung ausgehen. Bei Führungskräften mit entsprechender Vergütung ist denkbar, dass eine objektive Vergütungserwartung nicht besteht und damit Überstunden nicht extra zu bezahlen sind.

Nachweispflicht

Will ein Arbeitnehmer die Bezahlung von Überstunden geltend machen und bestreiten Sie den Anfall der Mehrarbeit, muss er im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Weiter muss er vortragen, ob Sie die Überstunden angeordnet haben oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig waren oder von ihnen gebilligt oder geduldet worden sind. Existiert in Ihrem Betrieb ein Betriebsrat, sollten Sie daran denken, dass die Anordnung von Überstunden dem Mitbestimmungsrecht unterliegt.

Freizeitausgleich

Überstunden müssen nicht in jedem Fall bezahlt werden. In Betracht kommt auch die Gewährung von Freizeit. Freizeitausgleich bedeutet: Statt Arbeitszeit ableisten zu müssen, erhält der Mitarbeiter bezahlte Freizeit. Das geht aber nur, wenn Sie sich mit dem Arbeitnehmer dahingehend einigen oder sich bereits im Arbeitsvertrag eine entsprechende Regelung befindet.

Autorin:
Rechtsanwältin Jacqueline Stieglmeier, www.Stieglmeier.de

Quelle: LohnPraxis – Nr. 4 – April 2012