Ob Beschäftigungen beim gleichen Arbeitgeber vor Beginn der Berufsausbildung Auswirkungen auf die Probezeitvereinbarung haben, ist umstritten. Der Ausbildungsbetrieb steht vor der Frage, ob er mit einem Auszubildenden, der vor seiner Berufsausbildung z. B. ein mehrmonatiges Praktikum im Ausbildungsbetrieb absolviert hat, eine wirksame Probezeit vereinbaren kann. Ist das nicht der Fall, läuft die Probezeit schon während des Praktikums. Je nach Dauer des Praktikums kann das Unternehmen sich dann nicht mehr auf eine Probezeit zu Beginn der Ausbildung berufen. Das hat fatale Folgen.

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Foto von Jessica Sysengrath

Richtigerweise kann man nur von einer relevanten vorgelagerten Beschäftigung ausgehen, wenn in diesem Vertragsverhältnis die entsprechende Berufsausbildung betrieben wurde. Darauf kann sich der Ausbildende aber nicht verlassen, die Rechtsprechung dazu ist uneinheitlich.

Wichtig
Es besteht die Gefahr, dass Beschäftigungen vor Beginn der Berufsausbildung eine wirksame Probezeitvereinbarung ausschließen.

2 Kündigung in und nach der Probezeit

Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden (§ 22 Abs. 1 BBiG). Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass die schriftliche Kündigung spätestens am letzten Tag der Probezeit zugeht.

Einen besonderen Kündigungsgrund benötigt der Ausbildungsbetrieb nicht. Willkürliche Kündigungen sind über die zivilrechtlichen Generalklauseln der Sittenwidrigkeit und des Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen. Das bedeutet, dass der Kündigende einen zumindest ansatzweise nachvollziehbaren Grund benötigt. Dieser ist dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG mitzuteilen und im Kündigungsschutzprozess offenzulegen.

Wichtig
Ihre nicht zu unterschätzende Bedeutung gewinnt die Probezeit durch den strengen Kündigungsschutz, der gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nach ihrem Ablauf greift. Eine Kündigung durch den Ausbildenden ist dann nur noch bei Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ möglich. Hieran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Infolgedessen ist eine Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit nur unter sehr erschwerten Bedingungen und kurz vor dem Ende der Ausbildung i. d. R. überhaupt nicht mehr möglich.

3 Zweck der Probezeit

In der Probezeit müssen die Vertragspartner überprüfen, ob sich die Berufsausbildung erfolgreich und gemeinsam realisieren lässt. Für den Ausbilder bedeutet das, dass er – die gesundheitliche, – körperliche und – geistige Eignung sowie – das Sozialverhalten des Auszubildenden in Hinblick auf die Anforderungen der Berufsausbildung einschätzen muss. Eine Fehleinschätzung kann er nach Ablauf der Probezeit nicht mehr korrigieren.

Wichtig
Gründe aus der Sphäre des Auszubildenden, die schon in der Probezeit für das Unternehmen erkennbar waren, stellen danach grundsätzlich keinen wichtigen Grund i. S. d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dar.

Beispiel
Zweifelt der Ausbildende zu Beginn der Ausbildung an der charakterlichen Eignung des Azubis und führt er das Ausbildungsverhältnis dennoch über die Probezeit hinaus fort, kann er sich danach nicht mehr auf den Kündigungsgrund der mangelnden charakterlichen Eignung stützen. Der Ausbildungsvertrag muss dann – sofern kein weiterer wichtiger Grund vorliegt – erfüllt werden.

4 Unterbrechung der Ausbildung in der Probezeit

Es erscheint logisch, dass ein gegenseitiges Kennenlernen und Überprüfen nur im betrieblichen Alltag möglich und sinnvoll ist. Da dafür maximal vier Monate zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, wie Unterbrechungen der Ausbildung in der Probezeit – bspw. durch Krankheit – zu werten sind. Dies beurteilt das BAG (Urt. v. 15.1.1981 – 2 AZR 943/78, AP Nr. 1 zu § 13 BBiG [a. F.]) wie in der Übersicht auf S. 137 dargestellt. Der Besuch der Berufsschule unterbricht die Ausbildung nicht. Er ist Teil der Ausbildung im Dualen System, der Ausbilder ist gem. § 15 BBiG verpflichtet, den Azubi dafür freizustellen. Die Zeiten, die der Auszubildende in der Berufsschule verbringt, verlängern die Probezeit nicht.

Wichtig
Anderslautende Vereinbarungen sind zuungunsten des Auszubildenden und daher nach § 25 BBiG nichtig.

Übersicht: Unterbrechungen in der Probezeit

  • Die Probezeit verlängert sich bei Unterbrechungen nicht automatisch.
  • Die Parteien können aber im Berufsausbildungsvertrag eine Regelung vereinbaren, wonach sich die Probezeit bei einer Unterbrechung der Ausbildung verlängert.
  • Eine solche Regelung kann man auch noch in der Probezeit treffen; sie ist dann aber von der Zustimmung des Auszubildenden abhängig.
  • Grundsätzlich ist es unerheblich, warum die Ausbildung in der Probezeit unterbrochen wird.
  • Geringfügige Unterbrechungen von wenigen Tagen rechtfertigen keine Verlängerung der Probezeit.

Damit ist folgende Vereinbarung, wie sie auch in Muster-Berufsausbildungsverträgen zu finden ist, ratsam:


Muster: Verlängerungsklausel

Die Probezeit beträgt x Monate. Wird die Ausbildung um mehr als ein Drittel dieser Zeit unterbrochen, so verlängert sich die Probezeit um diesen Zeitraum.

5 Risiken bei der Personalauswahl

Ökonomisch befindet sich das Unternehmen in einer schwierigen Situation: Hat es einmal die Entscheidung getroffen, auszubilden, wird sein Interesse darauf gerichtet sein, einen Azubi auszuwählen, der einerseits den Anforderungen der Berufsausbildung entspricht und der andererseits mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden will.

I. d. R. führt nur die anschließende Übernahme des Auszubildenden zu einer Amortisation der Ausbildungskosten. Allerdings liegt das Risiko, den falschen Bewerber auszuwählen, beim Ausbilder. In der vorvertraglichen Phase verfügt der Ausbildungsplatzanbieter über weniger Informationen bzgl. vertragswesentlicher Eigenschaften als der Bewerber. Dieser kennt seine eigene Motivation, Belastbarkeit und Qualifikation besser und kann aufgrund dieses Informationsvorsprungs den Ausbildenden täuschen, indem er eine Qualität vorgibt, die er nicht hat.

Zudem unterliegt der Ausbildungsbetrieb dem Risiko, dass sich der potenzielle Auszubildende unbewusst selbst über die eigenen Fähigkeiten im Irrtum befindet oder sich überschätzt.

6 Grenzen der Personalauswahl

Nur mit hohem Aufwand lassen sich die guten von den schlechten Bewerbern unterscheiden. Die durch den Einsatz moderner Personalauswahlverfahren entstehenden Kosten sind für Kleinbetriebe i. d. R. zu hoch. Zudem stoßen die in größeren Unternehmen durchgeführten Auswahlinstrumente, wie Assessment Center usw., an ihre Grenzen, wenn es darum geht, nicht oder nicht direkt beobachtbare Qualifikationen, z. B. Motivation und Leistungsbereitschaft, längerfristig vorherzusagen.

Auf die Aussagekraft von Schulzeugnissen kann man sich nicht verlassen. Einerseits ist das Leistungsniveau der Klasse unbekannt und andererseits sagen die Noten nichts über den Einsatz aus, der zu deren Erzielung nötig war.

Zudem erschweren rechtliche Rahmenbedingungen das Einholen von entscheidungserheblichen Informationen. Das Fragerecht des Unternehmens und die Offenbarungspf icht des Bewerbers sind Instrumente, die verhindern sollen, dass die Parteien den falschen Vertragspartner auswählen. Allerdings finden sie ihre Grenzen im Persönlichkeitsrecht des Auszubildenden.

Wichtig
Die Gefahr, vom Bewerber vor Vertragsschluss bewusst oder unbewusst getäuscht zu werden, lässt sich weder durch gesetzliche noch durch vertragliche Regelungen ausschließen. Das Recht des Ausbildenden, bei Falschbeantwortung einer zulässigen Frage seine zum Vertragsschluss führende Willenserklärung gem. § 123 Abs. 1 BGB anzufechten bzw. außerordentlich zu kündigen, verteilt nur das Risiko etwas besser.

Da es dem Ausbildungsbetrieb nicht möglich ist, alle ausbildungsrelevanten Eigenschaften vor Vertragsschluss in Erfahrung zu bringen, gewinnt die Probezeit umso mehr an Bedeutung. Erst durch die tatsächliche Ausbildung im Betrieb stellt sich heraus, inwieweit der Auszubildende fähig und leistungsbereit ist.

7 Bemühungen des Azubis

Nach § 13 BBiG haben die Auszubildenden die Pflicht, „sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist“. Aus rechtlicher Sicht wird durch diese Norm die aktive Mitwirkung des Azubis verlangt.

Wichtig
Ökonomisch ist aber nicht das Bemühen, sondern das Ergebnis der Bemühung ausschlaggebend (vgl. Retzmann in: Schlösser: Berufsorientierung und Arbeitsmarkt 2000, S. 137 ff.). Im Streitfall trägt das Unternehmen die Beweislast für das Vorliegen der Pflichtverletzung. Der Beweis ist aber praktisch kaum zu führen. Welchen tatsächlichen Aufwand der Auszubildende betrieben hat, weiß nur er alleine.

Damit sind zwei Fälle denkbar. Entweder der Auszubildende bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um den Erfolg, weil das für ihn selbst von Vorteil ist, oder er sieht keinen eigenen Vorteil und gibt allenfalls vor, sich zu bemühen. Auch hier gibt es keine sinnvolle rechtliche Möglichkeit, den Ausbildungsbetrieb vor opportunistischem Verhalten zu schützen.

Praxistipp
Die einzige praktische Möglichkeit zur Lösung dieser Problematik bietet die konkrete Ausgestaltung der Probezeit. Diese muss genutzt werden, um die getroffene und aufgrund der ungleich verteilten Informationen unsichere Personalauswahl zu überprüfen.

Das Ziel besteht darin, die guten von den schlechten Auszubildenden zu unterscheiden, um sich von den schlechten trennen zu können, bevor der spezielle Kündigungsschutz des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG greift.

8 Anforderungen an Probezeit und Vertragsgestaltung

Hierzu ist die Probezeit immer auf die maximal mögliche Dauer von vier Monaten festzulegen. Zudem sollte man die oben angeführte Verlängerungsklausel bei Unterbrechungen vereinbaren.

Ferner muss das Unternehmen die ihm gem. § 14 BBiG auferlegten Pflichten sehr ernst nehmen. Nach Abs. 1 Nr. 4 hat der Ausbildende den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule und zum Führen von schriftlichen Ausbildungsnachweisen anzuhalten. Letzteres gilt allerdings nur, wenn eine Verpflichtung zur Führung der Nachweise besteht. Diese kann sich aus einem einschlägigen Tarifvertrag oder aus der jeweiligen Ausbildungsordnung ergeben. Besteht die Verpflichtung nicht, so ist zu raten, eine entsprechende Vertragsklausel in den Ausbildungsvertrag aufzunehmen.

Schließlich müssen in der Probezeit Lernfortschritte verlangt und kontrolliert werden. Die Entwicklung der Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz ist bezogen auf die jeweiligen Anforderungen der Berufsausbildung regelmäßig zu überprüfen. Die Ergebnisse der Überprüfungen sind zu dokumentieren. Damit wird auch die Grundlage für eine eventuell notwendige Probezeitkündigung geschaffen. Rechtzeitig vor Ablauf der Probezeit ist dann auf Basis der vorliegenden Informationen eine Entscheidung über den Fortgang oder die Beendigung der Berufsausbildung zu treffen.

9 Verlängerung für Leistungsschwache

Die Fortführung der Ausbildung mit leistungsschwachen Azubis über die Probezeit hinaus birgt Risiken: › Zum einen kommt nach Abschluss der Ausbildung deren Übernahme in ein Arbeitsverhältnis betriebswirtschaftlich aufgrund der geringeren Produktivität nicht infrage. › Zum anderen kann gem. § 8 Abs. 2 BBiG die zuständige Stelle (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer o. Ä.) die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen.

Beispiel
Wird der Auszubildende in der Berufsschule nicht versetzt bzw. scheitert er am Erreichen des Klassenziels, kann er einen entsprechenden Antrag auf Verlängerung stellen. Gleiches gilt bei längeren Krankheiten.

Ein Rechtsanspruch auf Verlängerung besteht zwar nicht, aber die zuständige Stelle muss dem Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen zustimmen, wenn die Verlängerung der Berufsausbildung notwendig ist.

Wichtig
Diese Zustimmung greift rechtsgestaltend in das Vertragsverhältnis ein, es verlängert sich entsprechend. Eine Zustimmung des Ausbildenden ist nicht erforderlich.

Verlängerungen nach § 8 Abs. 2 BBiG können mehrfach gewährt werden, sofern die entsprechenden Gründe dafür vorliegen.

10 Verlängerung bei Nichtbestehen

Parallel zur Verlängerung nach § 8 Abs. 2 BBiG kann der Azubi verlangen, dass sich das Ausbildungsverhältnis bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung über die in der Ausbildungsordnung festgelegte Dauer hinaus bis zur nächsten Wiederholungsprüfung verlängert (§ 21 Abs. 3 BBiG). Scheitert er auch an dieser Prüfung, so darf er nach § 37 Abs. 1 Satz 2 BBiG die Prüfung ein weiteres Mal wiederholen. Das Ausbildungsverhältnis endet jedoch spätestens ein Jahr nach der ersten Antragstellung auf Verlängerung bzw. ein Jahr nach Ende des ursprünglichen Ausbildungsverhältnisses.

Die Verlängerung kommt ohne Einwilligung des Ausbildenden mit Zugang des Verlängerungswunsches zustande. Die Ursachen, die zu einem Fehlversuch geführt haben, sind unerheblich. Selbst wenn nicht zu erwarten ist, dass der Prüfling die Wiederholungsprüfung besteht, muss der Ausbildende dem Verlängerungsverlangen nachkommen.

Im Verlängerungszeitraum gelten die Rechte und die Pflichten der Vertragsparteien weiter. Der Auszubildende kann die zuletzt gezahlte Vergütung weiter beanspruchen.

Wichtig
Es liegt in der Natur der Sache, dass das Risiko, den Auszubildenden länger als vorgesehen ausbilden zu müssen, bei leistungsschwachen Azubis größer ist. Wer dieses Risiko minimieren will, muss sich schon bei leisen Zweifeln an der Eignung während der Probezeit vom Auszubildenden trennen. Die Überlegung, ihn während der Ausbildung „schon noch in den Griff zu bekommen“, kann teure Folgen nach sich ziehen.

11 Fazit

Ob eine außerordentliche Kündigung seitens des Ausbildungsbetriebs nach Ablauf der Probezeit vor Gericht Bestand haben wird, lässt sich nicht prognostizieren. Das erleichterte Kündigungsrecht besteht nur während der Probezeit. Wird diese nicht entsprechend genutzt, können erhebliche Kosten auf das Unternehmen zukommen. Trotz aller Sorgfalt kann man das Risiko, einem Low-Performer aufzusitzen, nur verringern, aber nicht ausschließen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht ∙ 3/12

 

Dr. Uwe Schweighöfer,
Lehrbeauftragter für Arbeits- und Sozialrecht,
Universität Bamberg