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Kündigung „zum nächstmöglichen“ Termin
ist bei Hinweis auf die gesetzlichen
Fristenregelungen ausreichend

Die Bestimmtheitsanforderungen an eine Kündigungserklärung sind hinsichtlich der Angabe des Beendigungsdatums auch dann erfüllt, wenn die Kündigung zum „nächstmöglichen Termin“ ausgesprochen wird und der Kündigende zugleich auf die maßgeblichen gesetzlichen Fristenregelungen (hier: § 622 BGB bzw. § 113 InsO) hinweist. Entscheidend ist, dass der Kündigungsempfänger aufgrund der Angaben unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll.

BAG 20.06.2013 – 6 AZR 805/11

 

Ausschluss-/Verfallsklauseln gelten grundsätzlich nicht
für Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen

Eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden, ist grundsätzlich so auszulegen, dass sie Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (wie Mobbing, sexuelle Belästigung, etc.) nicht erfasst. Bei anderem Verständnis wäre die Klausel nach §§ 202 Abs. 1, 276 Abs. 3 BGB unwirksam. Auf tarifliche Ausschlussklauseln ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar.

BAG 20.06.2013 – 8 AZR 280/12

 

Anforderungen an Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche
bei Benachteiligung wegen der Weltanschauung

Nach §§ 15 i.V.m. 7 und 1 AGG kann ein Arbeitnehmer Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend machen, wenn er wegen seiner Weltanschauung oder wegen einer bei ihm vermuteten Weltanschauung benachteiligt wird. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer nach § 22 AGG wenigstens Indizien dazu vorträgt bzw. Indizien bewiesen hat, die auf eine solche Benachteiligung hindeuten. Zu beachten ist, dass allein persönliche Einstellungen, Sympathien oder Haltungen (wie die besondere Nähe zu einem bestimmten Regime) keine „Weltanschauung“ i.S.v. § 1 AGG sind.

BAG 20.06.2013 – 8 AZR 482/12

Freiwilligkeitsvorbehalt und Unklarheitenregel

Die Regelung in einem Arbeitsvertrag, dass „die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung der Firma ist, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann“, genügt nicht, um den Anspruch auf die Leistung auszuschließen. Vielmehr ist eine solche Klausel unklar formuliert (§ 305c Abs. 2 BGB) und begründet einen Zahlungsanspruch.

BAG 17.04.2013 – 10 AZR 281/12

 

Günstigkeitsvergleich bei kürzerer Arbeitszeit
zu höherem Arbeitsentgelt und insgesamt niedrigerer Vergütung

Es ist für einen Arbeitnehmer günstiger i.S.d. § 4 Abs. 3 TVG, eine kürzere Wochenarbeitszeit zu einem höheren Stundensatz als nach dem Tarifvertrag zu leisten, auch wenn sein Monatseinkommen dadurch insgesamt geringer ausfällt.

LAG Berlin-Brandenburg 12.04.2013 – 6 Sa 2000/12

 

Entstehung und Fälligkeit des „Equal Pay“-Anspruchs
nach § 10 Abs. 4 AÜG

Der Anspruch eines Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG entsteht mit der Überlassung und wird zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig. Um zu gewährleisten, dass der Leiharbeitnehmer den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt auch fristwahrend geltend machen kann, wenn er die Höhe des vom Entleiher gewährten Arbeitsentgelts des vergleichbaren Stammarbeitnehmers (noch) nicht im Einzelnen kennt, muss die erste Stufe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung im Leiharbeitsverhältnis es zulassen, dass eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ ausreicht.

BAG 13.03.2013 – 5 AZR 954/11

 

Darlegungslast bei Geltendmachung
des „Equal Pay“-Anspruchs

Der Leiharbeitnehmer kann der ihm für die Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt (§ 10 Abs. 4 AÜG) obliegenden Darlegungslast zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine Auskunft nach § 13 AÜG beruft und diese in den Prozess einführt. Stützt sich der Leiharbeitnehmer nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehören vorrangig die Benennung des vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeitnehmer auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.

BAG 13.03.2103 – 5 AZR 146/12

Tarifwechselklausel im Arbeitsvertrag unzulässig

Die einzelvertragliche Ermächtigung des Arbeitgebers, einseitig den im Arbeitsverhältnis maßgeblichen Tarifvertrag zu ändern, stellt eine unzulässige Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

LAG Niedersachsen 25.01.2013 – 6 Sa 737/12

 

Schicksal der Ausschlussfrist bei Verweisung
auf unwirksamen Tarifvertrag

Die in einem unwirksamen Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist wird auch durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf diesen Tarifvertrag nicht Gegenstand des Arbeitsvertrages. Die Arbeitsvertragsparteien wollen einen Tarifvertrag regelmäßig nur so in Bezug nehmen, wie er auch tarifrechtlich gilt.

LAG Hannover 28.11.2012 – 2 Sa 76/12

 

Zugangsnachweis bei Bewerbung per E-Mail

Eine E-Mail geht zu, wenn sie in der Mailbox des Empfängers oder der des Providers abrufbar gespeichert wird. Die Beweislast kommt demjenigen zu, der sich auf den Zugang beruft. Für den Zugang einer E-Mail kann möglicherweise eine Eingangs- oder Lesebestätigung einen Nachweis erbringen. Ein Ausdruck der E-Mail ohne Eingangs- oder Lesebestätigung reicht für den Anscheinsbeweis nicht aus. Ein Nachweis des ersten Anscheins für den Eingang in die Mailbox des Empfängers ergibt sich auch nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann.

LAG Berlin-Brandenburg 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12

 

Wirksamkeit der nachträglichen Vereinbarung einer Befristung
auf einen Zeitpunkt nach Erreichen des Renteneintrittsalters

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die nachträgliche Befristung eines zuvor langjährig unbefristet bestehenden Arbeitsverhältnisses, nachdem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht und Anspruch auf gesetzliche Altersrente hat, ist die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Parteien das Erreichen der Regelaltersgrenze zum Anlass für die Befristungsvereinbarung nehmen und den nach § 41 Satz 2 SGB VI möglichen Beendigungstermin hinausschieben. Die Gründe für die Zulässigkeit der Vereinbarung von Altersgrenzen bezogen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze gelten in einem solchen Falle gleichermaßen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 20.11.2012 – 12 Sa 1303/12


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Verkürzung der Arbeitszeit auf weniger Wochenarbeitstage
darf nicht zum Wegfall von bislang noch nicht
genommenen Urlaubstagen führen

Eine Änderung der Verteilung der Arbeitszeit auf weniger Arbeitstage in der Kalenderwoche während eines laufenden Kalenderjahres darf nicht dazu führen, dass die Anzahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht.

EuGH 13.06.2013 – C-415/12

 

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge der
Metallindustrie Ba-Wü verpflichtet den Arbeitgeber auch
zur Umsetzung der Inhaltsnormen des ERA-TV

Ein Arbeitgeber, der mit einem Arbeitnehmer die Anwendung der Tarifverträge für die Metallindustrie in Baden-Württemberg arbeitsvertraglich vereinbart hat, ist aufgrund dieser Bezugnahmeklausel gegenüber dem Arbeitnehmer auch verpflichtet, die Inhaltsnormen des zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Entgeltrahmentarifvertrages (ERA-TV) umzusetzen. Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass er rechtlich gehindert sei, das ERA-Entgeltsystems einzuführen, weil dieses auch betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen enthalte, die nur betriebseinheitlich umsetzbar seien. Hat der Arbeitgeber die bereits am 29.02.2008 abgelaufene Umsetzungsfrist versäumt, kann der Arbeitnehmer die Zahlung tarifvertraglich vereinbarter Einmalzahlungen („Strukturkomponenten“) verlangen.

BAG 12.06.2013 – 4 AZR 969/11

 

Kostentragung trotz Obsiegens in der Berufungsinstanz
wegen unterlassenen Tatsachenvortrags in erster Instanz

Wer einen Rechtsstreit in der zweiten Instanz nach verlorener erster Instanz nur deshalb gewinnt, weil er Tatsachen vorträgt, die er auch schon in erster Instanz hätte vortragen können, hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

LAG Berlin-Brandenburg 03.05.2013 – 10 Sa 1293/12

 

Keine Anfechtbarkeit bei einem Arbeitsvertrag,
der um einen Tag zu lang sachgrundlos befristetet wurde

Überschreitet die sachgrundlose Befristung in einem Arbeitsvertrag die in § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehene maximale Befristungsmöglichkeit von 2 Jahren um nur einen Tag, besteht das Arbeitsverhältnis unbefristet fort. Der Arbeitgeber kann die Befristung nicht erfolgreich mit der Begründung anfechten, dass er sich beim Datum verschrieben habe. Insoweit würde es sich nicht um einen Erklärungs- oder Inhaltsirrtum, sondern um einen unbeachtlichen Kalkulationsirrtum handeln.

LAG Mecklenburg-Vorpommern 17.04.2013 – 2 Sa 237/12