Keine Heilung einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige
Hat der Arbeitgeber einer Massenentlassungsanzeige – anders als dies § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG vorschreibt – weder eine Stellungnahme des Betriebsrates noch einen Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt, sind die daraufhin ausgesprochenen Kündigungen unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn ein bestandskräftiger Bescheid der Agentur für Arbeit nach §§ 18, 20 KSchG vorliegt. Macht der Arbeitgeber Fehler bei der Massenentlassungsanzeige, kann er diese nicht durch einen solchen Bescheid ausgleichen.
BAG 28.06.2012 – 6 AZR 780/10
Heimliche Videoüberwachung unter Umständen auch in öffentlichen Räumen zulässig
In öffentlich zugänglichen Räumen wie dem Kassenbereich eines Supermarktes kann eine verdeckte Videoüberwachung zulässig sein. Das Bundesdatenschutzgesetzt (§ 6b Abs. 2 BDSG) steht dem jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht, es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen (mehr) gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.
BAG 21.06.2012 – 2 AZR 153/11
Erteilung einer Falschauskunft als Indiz für Diskriminierung
Begründet ein Arbeitgeber eine seiner Maßnahmen gegenüber dem Arbeitnehmer, so muss diese Auskunft zutreffen. Ist sie nachweislich falsch oder steht sie im Widerspruch zum Verhalten des Arbeitgebers, kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung sein. Wenn ein Arbeitgeber es etwa ablehnt, ein befristetes Arbeitsverhältnisses zu verlängern oder das Arbeitsverhältnis wegen der nicht genügenden Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers mit Migrationshintergrund zu entfristen, und dem Arbeitnehmer zugleich ein Arbeitszeugnis mit der Leistungsbeurteilung „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ ausstellt, kann dies unter Umständen als Indiz für eine Diskriminierung zu werten sein.
BAG 21.06.2012 – 8 AZR 364/11
Arbeitgeber haften für Leistungskürzungen der Pensionskasse
Hat eine Pensionskasse von ihrem satzungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht, Fehlbeträge zu nivellieren, indem sie ihrer Leistungen herabsetzt, muss der Arbeitgeber die Leistungskürzung gegenüber dem Arbeitnehmer ausgleichen. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, der bestimmt, dass der Arbeitgeber auch dann dafür einzustehen hat, dass die von ihm zugesagten Leistungen erfüllt werden, wenn ein externer Versorgungsträger die Leistungen erbringt.
BAG 19.06.2012 – 3 AZR 408/10
Prüfungszeitraum für Ermittlung des Kaufkraftverlustes und der Nettolohnentwicklung hinsichtlich Betriebsrentenanpassung identisch
Die Anpassung von Betriebsrenten richtet sich grundsätzlich nach dem seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust, wobei die Nettolohnentwicklung der aktiven Arbeitnehmer den Anpassungsbedarf begrenzt. Insoweit gilt derselbe Prüfungszeitraum. Dieser erstreckt sich vom individuellen Rentenbeginn bis zum aktuellen Anpassungsstichtag.
BAG 19.06.2012 – 3 AZR 464/11
Keine Anfechtung von Falschangaben über Urlaubsabgeltung im Kündigungsschreiben
Erklärt der Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben, dass er eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen abgelten werde, stellt dies ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Dieses kann der Arbeitgeber nicht anfechten, wenn er die Anzahl der abzugeltenden Urlaubstage fälschlich zu hoch angegeben hat. Dem Arbeitnehmer ist es normalerweise auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf das Schuldversprechen zu berufen.
LAG Köln 04.04.2012 – 9 Sa 797/11
Keine sofortige Rückgabe des Dienstwagens nach Kündigung und Freistellung
Arbeitgeber können sich zwar wirksam vorbehalten, das Recht des Arbeitnehmers zur privaten Dienstwagennutzung im Fall der Kündigung und Freistellung zu widerrufen. Eine solche Klausel hält der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB stand. Gemäß § 315 BGB muss der Arbeitgeber sein Widerrufsrecht aber nach billigem Ermessen ausüben. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen im laufenden Monat sofort zurückgeben soll.
BAG 21.03.2012 – 5 AZR 651/10
Doppelarbeitsverhältnis – Anrechnung von gewährtem Urlaub
Der Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 BUrlG, wonach der Anspruch auf Urlaub nicht besteht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist, erfasst keine Doppelarbeitsverhältnisse. Steht ein Arbeitnehmer in zwei Arbeitsverhältnissen und kann er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nebeneinander erfüllen, wird der in einem Arbeitsverhältnis gewährte Urlaub nicht auf den Urlaubsanspruch im anderen Arbeitsverhältnis angerechnet.
Geht ein Arbeitnehmer jedoch nach einer Kündigung ein Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber ein und kann er die Pflichten aus diesem neuen Arbeitsverhältnis nur erfüllen, weil sein bisheriger Arbeitgeber ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr beschäftigt, muss er sich den vom neuen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf den im gekündigten Arbeitsverhältnis entstandenen Urlaub anrechnen lassen, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung später festgestellt wird.
BAG 21.02.2012 – 9 AZR 487/10
Aufwendungen für arbeitsgerichtliche Vergleiche sind Werbungskosten
Entstehen dem Arbeitnehmer Aufwendungen für aus dem Arbeitsverhältnis folgende zivil- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten, so spricht regelmäßig eine Vermutung dafür, dass diese Aufwendungen einen den Werbungskostenabzug rechtfertigenden hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zu den Lohneinkünften aufweisen. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich einigen.
BFH 09.02.2012 – VI R 23/10
