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Mitteilungspflicht gegenüber Betriebsrat bei Durchführung eines BEM

Der Arbeitgeber kann unter Umständen verpflichtet sein, dem Betriebsrat mitzuteilen, welche Arbeitnehmer für ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) in Betracht kommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine solche Informationspflicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist. In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass der betroffenen Arbeitnehmer der Weitergabe seines Namens zustimmt. Der namentlichen Benennung von Mitarbeitern stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.

BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10

Wirksame Befristung des Arbeitsvertrages auch bei ständigem Vertretungsbedarf

Dass Arbeitgeber befristete Arbeitsverträge verlängern, kann nach § 14 Abs. 1 TzBfG auch dann gerechtfertigt sein, wenn sich ein Vertretungsbedarf als wiederkehrend oder sogar ständig erweist. Doch es kann dennoch ein Missbrauch vorliegen: je nach Anzahl der aufeinanderfolgenden befristeten Verträge und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge.

EuGH 26.01.2012 – C-586/10

Schadensersatzanspruch wegen Mobbings erfordert sozialinadäquates Verhalten

Ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gegen einen Kollegen besteht wegen Mobbings nur dann, wenn die beanstandeten Handlungen die Grenzen sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in üblichen Konfliktsituationen überschreiten. Im Arbeitsleben übliche Auseinandersetzungen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, erfüllen daher nicht die Voraussetzungen.

LAG Hamm 19.01.2012 – 11 Sa 722/10

Weihnachtsgeldanspruch kann ungekündigtes Arbeitsverhältnis voraussetzen

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Anspruch auf Weihnachtsgeld ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt voraussetzt, hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich stand. Dies gilt auch dann, wenn die Klausel nicht danach differenziert, wer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Der Bedingungseintritt gilt jedoch nach § 162 Abs. 2 BGB als dann nicht erfolgt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung treuwidrig herbeigeführt hat.

BAG 18.01.2012 – 10 AZR 667/10

Tarifliche Altersgrenzen unwirksam

Wegen Altersdiskriminierung ist die für Piloten geregelte tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren unwirksam. Erfolgreich war zuvor auch die Klage einer Flugbegleiterin, die sich gegen eine tarifliche Altersgrenze von 55 bzw. 60 Jahren wandte.

BAG 18.01.2012 – 7 AZR 112/08

Kündigung wegen HIV-Infektion verstößt nicht zwingend gegen AGG

Hat ein Arbeitgeber für einen Bereich seines Betriebes (hier: Medikamentenherstellung) festgelegt, dass dort keine erkrankten Arbeitnehmer einzusetzen sind, kann er einem HIV-erkrankten Mitarbeiter in der Probezeit grundsätzlich problemlos kündigen. Eine derartige Kündigung ist weder treuwidrig noch sittenwidrig oder willkürlich. Hierin liegt auch keine entschädigungspflichtige Diskriminierung im Sinne des AGG.

LAG Berlin-Brandenburg 13.01.2012 – 6 Sa 2159/11

Diskriminierung bei Auskunftsverweigerung gegenüber abgelehntem Bewerber

Erfolglose Bewerber, die eine Diskriminierung vermuten, können vom potentiellen Arbeitgeber zwar derzeit keine Auskunft darüber verlangen, ob und aufgrund welcher Kriterien dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat. Die Auskunftsverweigerung kann aber eine Diskriminierung vermuten lassen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn zur Auskunftsverweigerung weitere Umstände hinzutreten, wie beispielsweise die offensichtliche Eignung des Bewerbers und eine wiederholt unterbliebene Einladung zum Vorstellungsgespräch.

EuGH-Generalanwalt 12.01.2012 – C-415/10

Urlaubsansprüche von Dauerkranken gehen spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter

§ 7 Abs. 3 BUrlG ist laut LAG Baden-Württemberg so zu interpretieren, dass Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres untergehen und nicht abzugelten sind, wenn das Arbeitsverhältnis später beendet wird.

LAG Baden-Württemberg 21.12.2011 – 10 Sa 19/11

Keine Diskriminierung bei Berücksichtigung des Alters für Sozialauswahl

Bevor Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, ist nach § 1 Abs. 3 KSchG eine Sozialauswahl durchzuführen, die unter anderem das Alter der betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt. Dabei können Betriebe die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur auch innerhalb von Altersgruppen vornehmen. Dieser Regelungskomplex verstößt nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Dass dadurch jüngere Arbeitnehmer schlechter gestellt sein können, ist angesichts rechtmäßiger Ziele für die Beschäftigungspolitik und den Arbeitsmarkt zulässig.

BAG 15.12.2011 – 2 AZR 42/10

Minderjähriger Azubi – Kündigungszugang bei Einwurf in Briefkasten der Eltern

Möchte ein Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis mit einem Minderjährigen in der Probezeit beenden, muss er die Kündigung seinem gesetzlichen Vertreter (grundsätzlich den Eltern) zugehen lassen. Hierfür ist ausreichend, dass die Kündigung vor Ablauf der Probezeit in den Hausbriefkasten der Familie eingeworfen wird. Die Kündigung geht den Eltern in diesem Fall selbst dann zu, wenn sie gerade verreist sind.

BAG 08.12.2011 – 6 AZR 354/10

Höherwertige Tätigkeit kann zu Inhalt des Arbeitsvertrages werden

Weist der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der nach den arbeitsvertraglichen Bestimmungen mit einer Tätigkeit einer bestimmten, tarifvertraglich geregelten Wertigkeit (hier: Redakteur C der Gruppe 16 des geltenden Gehaltstarifvertrages) betraut ist, zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt des Inkrafttretens der arbeitsvertraglichen Regelung ohne Einschränkung Aufgaben zu, die einer höherwertigen Tätigkeit entsprechen (hier: Redaktionsleitung), wird diese Tätigkeit zum Inhalt des Arbeitsvertrages. Die Frage der Beschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers stellt sich in diesem Fall nicht.

LAG München 04.11.2011 – 3 Sa 322/11

Arbeitsvertragliche Regelung zu Gewährung und Abgeltung von Urlaub

Die Vertragsfreiheit erlaubt es den Parteien eines Arbeitsvertrages nicht, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen vertraglich außer Kraft zu setzen oder zum Nachteil des Arbeitnehmers zu modifizieren (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Das Gesetzesrecht des BUrlG schließt es aber nicht aus, dass die Parteien neben den gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche begründen. Den Parteien des Arbeitsvertrages steht es frei, eine Vereinbarung zu treffen, die den Arbeitgeber verpflichtet, Urlaub, der bereits verfallen ist, nachzugewähren. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.

BAG 18.10.2011 – 9 AZR 303/10

Anfechtung des Arbeitsvertrages bei Täuschung über gesundheitliche Eignung

Täuscht ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages bewusst über persönliche Eigenschaften, die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind, rechtfertigt dies, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anfechtet und damit das Arbeitsverhältnis sofort beendet. Ein solcher Fall liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Betrieb ausdrücklich Beschäftigte für die Nacht- und Wechselschicht sucht und der Arbeitnehmer im Bewerbungsgespräch verschweigt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nachts nicht arbeiten darf.

LAG Hessen 21.09.2011 – 8 Sa 109/11

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darf ab dem ersten Krankheitstag verlangt werden

Arbeitgeber sind berechtigt, schon ab dem ersten Krankheitstag des Arbeitnehmers die Vorlage eines ärztlichen Attestes zu verlangen. Es bedarf hierfür weder einer Begründung noch ist die Aufforderung des Arbeitgebers vom Gericht auf „billiges Ermessen“ zu überprüfen. Es muss insbesondere kein Sachverhalt vorliegen, der auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Arbeitnehmers hindeutet.

LAG Köln 14.09.2011 – 3 Sa 597/11

Unwirksamkeit einer Vertragsklausel bei Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt

In der Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehaltes mit einem Widerrufsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrer Entstehung erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer grundsätzlich unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.

BAG 14.09.2011 – 10 AZR 526/10

Ausgleichsklauseln dürfen nicht nur Ansprüche von Arbeitnehmern erfassen

Ausgleichsklauseln, in denen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erklären sollen, dass Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht bestehen, sind nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht entzogen. Ausgleichsklauseln, die einseitig nur Ansprüche des Arbeitnehmers erfassen und dafür keine entsprechende Gegenleistung gewähren, sind unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und demzufolge unwirksam.

BAG 21.06.2011 – 9 AZR 203/10