Mit zunehmender Globalisierung werden internationale Karrierewege zu einem Teil des Globalisierungsprozesses. Nicht selten sind Auslandsaufenthalte während des Studiums, international ausgerichtete Gap Years oder Traineeprogramme erste Stationen eines internationalen Lebenslaufes. Wer ins Ausland geht, muss eine ausgeprägte Bereitschaft mitbringen, physische und vor allem psychologische Barrieren zu überwinden, um in einem anderen Land zu leben und zu arbeiten.

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Foto von Annie Spratt

Für international agierende Unternehmen ist es wichtig, genügend Mitarbeiter zu beschäftigen, die bereit und motiviert sind, eine Entsendung ins Ausland anzunehmen. Denn die Unternehmen nutzen das Instrument der Entsendung aus verschiedenen Gründen: Entsendungen können dem Fach- und Führungskräftemangel im Zielland entgegenwirken, Wissen in die ausländische Niederlassung transferieren und die Kommunikationswege verbessern. Zuweilen dienen Auslandsaufenthalte auch der Personalentwicklung von Führungsnachwuchskräften. Für die Mitarbeiter ist eine Entsendung ins Ausland mit der Aneignung verschiedener Fähigkeiten und Erfahrungen, Netzwerkbildung und der Entwicklung beruflicher Möglichkeiten verbunden.

Auslandsentsendungen sind aus Sicht des Personalmanagements allerdings meist keine Selbstläufer: Viele Mitarbeiter und Führungskräfte lehnen Tätigkeiten im Ausland ab – aus privaten Gründen oder weil der Nutzen nicht immer klar erkennbar ist. Brechen sie die Entsendung vorzeitig ab, entstehen unter Umständen hohe Kosten. Folglich benötigen international tätige Unternehmen Instrumente und Methoden, um potenzielle Kandidaten für internationale Positionen zu identifizieren, zu motivieren und zielgerichtet einzuplanen. 

Eine Entscheidung unter Unsicherheit

Dabei müssen Unternehmen berücksichtigen, dass Mitarbeiter, die bereit sind, eine Auslandsentsendung anzunehmen, sich mit komplexen Entscheidungen konfrontiert sehen. Der Beschluss, eine Auslandsentsendung anzunehmen, basiert häufig auf unvollständigen und unzureichend übermittelten Informationen. In einem unbekannten kulturellen Umfeld zu leben und zu arbeiten, bedeutet eine beträchtliche Höhe an Stress. Das Verlassen des Heimatlandes und der gewohnten Umgebung kann starke Gefühle der Ungewissheit hervorrufen. Um im Ausland zu leben, müssen die Expats neue Normen und Werte kennenlernen und sich diesen anpassen. Die Kandidaten müssen daher eine hohe Bereitschaft mitbringen, sich auf diese unbekannten Situationen einzulassen.

Diese Herausforderungen erfordern besondere persönliche Eigenschaften. Helfen kann die Charaktereigenschaft der Sensationssuche, also ein hohes Interesse an abwechslungsreichen, neuartigen, komplexen und ausgeprägten Erlebnissen – gepaart mit der Bereitschaft, dafür gewisse Risiken einzugehen. Eine weitere Charaktereigenschaft, die bei einer Entsendung hilfreich ist, betrifft die Toleranz für Ungewissheiten. Menschen mit einer hohen Ungewissheitstoleranz betrachten unbekannte Situationen als positive Herausforderung.

Die Persönlichkeit zählt!

Da Auslandsentsendungen für die meisten eine unbekannte Erfahrung darstellt, stellen insbesondere die Persönlichkeitsausprägungen Offenheit und Extraversion wichtige Voraussetzungen dar, eine Entsendung ins Ausland anzunehmen. Extravertierte Menschen gelten als aktiv, durchsetzungsfähig, personenorientiert, gesprächig und optimistisch. Sie sind meist gesellig, kontaktfreudig und vielfach ehrgeizig. Zudem weisen sie ein höheres Vertrauen in ihre Fähigkeiten in bestimmten Situationen auf, so etwa in interkulturellen Interaktionen. Offene Menschen sind wissbegierig und befassen sich gerne mit neuen Ideen. Sie probieren gerne Dinge aus und interessieren sich für andere Kulturkreise.

Doch wie können Recruiter diese Eigenschaften bei einem Kandidaten erkennen? Auskunft geben Persönlichkeitstests, aber auch der Blick in den Lebenslauf der Bewerber. Vorherige Auslandsaufenthalte von Kandidaten oder Mitarbeitern deuten auf eine offene und extravertierte Person hin. Auch könnten vielfältige Fremdsprachenkenntnisse ein Indiz für eine wissbegierige und damit offene Person sein. Als weiterer Aspekt können bestehende Netzwerke zu Freunden und Bekannten im Ausland offene und extrovertierte Kandidaten kennzeichnen.

Fazit                                                                                      

Häufig fehlt dem Personalmanagement eine Strategie für die Auswahl von Expatriates. Persönlichkeitsfaktoren einzubeziehen hilft Personalabteilungen international ausgerichteter Unternehmen, potenzielle Kandidaten auszuwählen, die bereit sind, eine Auslandsentsendung anzunehmen. Bereits bei der Auswahl der Recruitingkanäle sollten Unternehmen darauf achten,  jene zu wählen, die am ehesten die gewünschte Zielgruppe ansprechen. Hier können etwa Teilnehmer von internationalen MBA-Programmen in die engere Auswahl kommen. Auch in Vorstellungsgesprächen und bei der Analyse der Lebensläufe gilt es, auf Indikatoren für Extraversion, Sensationssuche und Unsicherheitstoleranz zu achten.

Häufig sind gerade jene Kandidaten die richtigen, die keinen geradlinigen Lebenslauf mitbringen, sondern verschiedenes ausprobiert haben, Risiken eingegangen und möglicherweise auch einmal gescheitert sind. Hier sind die Recruiter gefragt, über den Tellerrand hinaus zu blicken.

 

Literaturtipps

Many Moving Parts: Factors Influencing the Effectiveness of HRM Practices Designed to Improve Knowledge Transfer within MNCs. Von Paula M. Caligiuri, in: Journal of International Business Studies 45 (1) 2014, S. 63-72.

Cosmopolitan Career Choices: A Cross-Cultural Study of Job Candidates’ Expatriation Willingness. Von Fabian Jintae Froese, Stefan Jommersbach, Erik Klautzsch, in: International Journal of Human Resource Management 24 (17) 2013, S. 3.247-3.261.

Linking Personality to Cultural Intelligence: An Interactive Effect of Openness and Agreeableness. Von Ming Li, William H. Mobley, Aidan Kelly, in: Personality and Individual Differences 89 2016, S. 105-110.

Absicht zur Arbeit im Ausland – Der Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen und internationaler Erfahrung. Von Stefan Remhof. SpringerGabler Verlag 2015.

Goodbye Germany! The Influence of Personality and Cognitive Factors on the Intention to Work Abroad. Von Stefan Remhof, Marjaana Gunkel, Christopher Schlaegel, in: International Journal of Human Resource Management 25 (16) 2014, S. 2.319-2.343.

Personality and Risk-Taking: Common Biosocial Factors. Von Marvin Zuckerman, D. Michael Kuhlman, in: Journal of Personality 68 (6) 2000, S. 999-1.029.