Laut statistischem Bundesamt versterben in Deutschland jährlich 850.000 Menschen. Davon sind 140.000 im berufsfähigen Alter. Sprich: Mindestens 140.000 Mal im Jahr sind HR-Manager und Unternehmensverantwortliche in Deutschland unmittelbar mit der Trauer-Situation konfrontiert. 

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Foto von John Schnobrich
Vermutlich liegt die Zahl der Verlustsituationen von Mitarbeitern jedoch weitaus höher, denn Trauer am Arbeitsplatz erleben wir in vielfältigen Facetten. Sei es eine schwere Erkrankung, der Tod eines Mitarbeiters oder der Tod eines geliebten Menschen. 

Drei reale Beispiele: 

1. Der 18-jährige Sohn einer Führungskraft begeht Suizid. 
2. Während der Arbeit verstirbt ein Mitarbeiter an einem Herzinfarkt. Zehn Mitarbeiter bekommen den Tod unmittelbar mit.
3. Eine Mitarbeiterin trauert um ihren an Krebs verstorbenen 58-jährigen Mann.

All diese Verluste haben Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld. Die Erfahrung mit dem Tod ist für jeden Menschen stark emotional aufgeladen und bedeutet eine große psychische Belastung. Experten sprechen vom stärksten Stress, der uns überhaupt widerfahren kann. Das gegenwärtig verwendete Klassifikationssystem psychischer und anderer Erkrankungen (ICD 10) verwendet dafür die Krankheitsbezeichnung depressive Episode oder rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung. 

Die Folge für das Unternehmen: Mitarbeiter verspäten sich, lassen sich krankschreiben oder zeigen sehr emotionale Reaktionen auf den Berufsalltag. Nimmt die Fehlerquote des Trauernden zu, hat das oft negative Auswirkungen auf den Teamgeist, auf die anderen Teammitglieder und die Fehler- und Schadensquote. 

Die volkswirtschaftlichen Folgen von gesundheitlichen Fehlzeiten sind gewaltig. Diverse Studien großer Krankenkassen wie der DAK gehen allein bei „psychischen Störungen“ von Verlusten in der Höhe von 13 bis 15 Milliarden Euro aus. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wertete für das Jahr 2009 die Daten zur Arbeitsunfähigkeit von rund 27 Millionen Pflichtversicherten aus. Sie schätzt im Ergebnis den Ausfall an Bruttowertschöpfung durch Arbeitsausfälle sogar auf 75 Milliarden Euro.

Aufgabenfeld für HR-Manager

Allen diesen Argumenten zum Trotz wird das Thema Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft und in Unternehmen oftmals tabuisiert. Manager sehen trauernde Mitarbeiter häufig als „Störfall“ an. Sie gehen davon aus, dass die Trauernden in ihren Familien und/oder in ihrem sozialen Umfeld emotionale Hilfe finden. Im Betrieb selbst ist es mit der Unterstützung meist nicht weit her, da es am Arbeitsplatz darauf ankommt, dass Beschäftigte ihre Leistung erbringen und funktionieren.  

In Zeiten, in denen Burnout  und Depressionen zahlreichen Studien zufolge deutlich zunehmen, gleichzeitig aber ein Kampf der Unternehmen um die besten Fachkräfte entbrannt ist, kommen jede Menge Aufgaben auf den HR-Manager zu – etwa im Employer Branding oder in punkto Gesundheit der Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren hat sich diesbezüglich schon vieles getan: sei es der Aufbau von Betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM), Betrieblichem Eingliederungsmanagement (BEM) oder die firmeneigene Kita. Immer mehr Unternehmen fördern die langfristige Beschäftigungsfähigkeit ihrer Beschäftigten.

Bei genauem Hinschauen fehlen aber bei fast allen diesen Konzepten konkrete Lösungen für den Umgang mit Verlust, Trauer und Tod am Arbeitsplatz. In 98 Prozent der deutschsprachigen Unternehmen haben sich Betriebe noch nicht damit befasst und die Führungskräfte nicht auf entsprechende Situationen vorbereitet. Nur sehr selten wissen Führungskräfte, wie sie in diesen Situationen proaktiv auf die Mitarbeiter zugehen können. Fehlende Hilfe für Mitarbeiter resultiert meistens nicht aus bösem Willen, sondern aus Unsicherheit im Umgang mit Trauer und Verlust. 

Je nach Größe des Unternehmens und Rang des Betroffenen oder Verstorbenen haben neben der HR-Abteilung der Arbeitsmediziner, der Betriebsrat, die Unternehmensleitung, die Presseabteilung und die Abteilungen des Betrieblichen Gesundheits- und Eingliederungsmanagements mit dem Thema zu tun. Gerade HR-Manager könnten dazu beitragen, das Thema stärker im Unternehmen zu propagieren.

Eine Trauerpolitik aufbauen 

Bei jeder Art von Trauer- oder Verlustsituation stellen sich viele Fragen – nach der angemessenen Verhaltensweise der jeweiligen Führungskräfte, den möglichen Hilfestellungen des Unternehmens und dem Verhalten des Teams. Trauert ein Mitarbeiter, gilt es für Unternehmer, Personalverantwortliche und Führungskräfte, akute Hilfe anzubieten und die Arbeit nach dem Wiedereinstieg an die Bedürfnisse des trauernden Mitarbeiters anzupassen. 

Der Trauerstress verbleibt oft nicht nur im Team, sondern spiegelt sich in den oben genannten Abteilungen sehr stark wider. Die Auseinandersetzung mit dem Tod oder der Trauer von Mitarbeitern verlangt von allen Führungskräften ein hohes Maß an Mitarbeiterführung, Empathie und Wertschätzung für die betroffenen Personen. Für trauernde Mitarbeiter können Angebote von externen Gesprächskreisen oder Online-Gruppen (intern und extern) sinnvoll sein. Da die Mitarbeiter in vielen Unternehmen unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben, ist auch die kulturelle Vielfalt der Trauer zu beachten.

Um all diese Instrumente angemessen einzusetzen, gilt es eine Trauerpolitik in Unternehmen aufzubauen. Das Ziel dieser Trauerpolitik ist

  • vorbereitet zu sein auf den richtigen Umgang mit Verlust, Tod und Trauer im Unternehmen, 
  • wertschätzend mit trauernden Mitarbeitern umzugehen, 
  • Hinterbliebene zu unterstützen, 
  • Wege für die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ebnen, 
  • HR-Manager und die Führungskräfte im Umgang mit Trauer zu stärken und 
  • die interne wie externe Krisenkommunikation vorzubereiten. 

Was sind die notwendigen Schritte und Fragen für eine HR-Abteilung? 
  • Überprüfen Sie die aktuellen Lösungen für Trauerfälle in Ihrem Unternehmen.
  • Welche Erfahrungen haben Sie bei den letzten Trauerfällen im Mitarbeiterstamm gesammelt?
  • Wie unterstützt Ihre Unternehmenskultur trauernde Mitarbeiter?
  • Welche Maßnahmen und Lösungen haben sich in der Vergangenheit als gut umsetzbar erwiesen?
  • Welche internen Ressourcen sind noch zu optimieren?
  • Von welchen Fähigkeiten können Ihre Führungskräfte profitieren?
  • Auf welche externe Hilfe von Trauerspezialisten können Sie zurückgreifen?
  • Wenn Sie bereits Lösungen im Unternehmen installiert haben:
    • Sind Ihre Lösungen auf dem neuesten Stand? 
    • Stimmen die Kontaktdaten der externen Trauerspezialisten noch?
    • Was würde es kosten, ihre bestehenden Lösungen zu überarbeiten?
  • Wenn Sie noch keine Lösung haben: Was würde es kosten, die Trauer der Mitarbeiter zu ignorieren?
    • Welche externen Trauerspezialisten können Ihnen bei der komplexen Lösung helfen?
    • Was würde es kosten und welche Vorteile hat das Unternehmen, wenn es gut ausgebildete Ansprechpartner im Unternehmen gibt?

Von anderen lernen

In den USA ist es seit vielen Jahren gang und gäbe, Mitarbeiter in extremen Lebensphasen mit zu betreuen. Dort schulen externe Spezialisten HR-Profis, Führungskräfte und Manager im Umgang mit trauernden Mitarbeitern. 

Best-Practice-Beispiele, an denen sich Personalmanager orientieren könnten, gibt es jedoch auch im deutschsprachigen Raum. In Österreich geht beispielsweise die VKB Bank in Linz mit gutem Beispiel voran: Bei einem neuen Mitarbeiter der Bank wurde nach 14 Tagen ein Gehirntumor diagnostiziert. Vorstand und Personalleitung suchten proaktiv das Gespräch und boten dem Betroffenen und seiner Familie Unterstützung an und begleiteten ihn in allen Phasen seiner Krankheit. Nach einem Jahr ist der Mitarbeiter verstorben und kam insgesamt nur drei Monate in der Bank zum Einsatz. Zur Beerdigung (70 km vom Hauptsitz der Bank entfernt) erschienen alle drei Vorstände und alle Führungskräfte. Diese Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber hat sich anscheinend herumgesprochen: Laut Aussage von Führungskräften hat diese Bank keine Probleme, neue, fachlich brillante Mitarbeiter zu finden.

In Deutschland gibt es bisher kaum Praxisbeispiele, die offiziell bekannt sind. Die Handwerkskammer Koblenz packt als einzige Institution das Thema aktiv an: Sie hat ein rotes Telefon für „Trauer am Arbeitsplatz“ eingerichtet. Die Verantwortlichen aus Unternehmen haben damit eine erste Anlaufstation, wenn jemand im Betrieb stirbt oder trauert. Die HWK verweist die Anrufer dann an entsprechende Profis weiter. Arbeitsmediziner und der Lehrstuhl für Soziologie unter Prof. Dr. Clemens Albrecht an der Universität Koblenz-Landau begleiten das Projekt wissenschaftlich. 

Linktipps:

http://hwk-koblenz.de/presse/pressemitteilungen/humanitaet-und-soziales-verhalten-am-arbeitsplatz-staerken.html  http://hwk-koblenz.de/beratung/betriebsberatung/personal/trauerbegleitung.html http://www.asu-arbeitsmedizin.com/Gentner.dll/ASUpraxis-2009-11-153_MjYyNTYx.PDF http://www.leben-und-tod.de/userfiles/file/LuT/2012/PR_LuT.pdf