Problempunkt

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Foto von Ali Yahya

Der Entscheidung liegt der Abschluss eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zugrunde. Der Arbeitnehmer klagte nach Ablauf der Befristung auf Feststellung, dass die Befristung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Er berief sich darauf, dass er bereits acht Jahre zuvor für etwa anderthalb Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war.

Die Entscheidung des BAG markiert eine weitere richtungsweisende Entscheidung zur nicht enden wollenden Diskussion zur Frage der Vorbeschäftigung bei sachgrundlosen Befristungen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Streit besteht über die Frage, wie der Begriff „bereits zuvor“ auszulegen ist.

Das BAG war sich selbst nicht sicher. Erst entschied es, dass dieselben Arbeitsvertragsparteien nur bei der erstmaligen Einstellung eine sachgrundlose Befristung vereinbaren können. Ab 2011 urteilte es dann, dass eine „Zuvor-Beschäftigung“ nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis länger als drei Jahre zurückliege (BAG, Urt. v. 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, AuA 4/12, S. 246). Im Jahr 2018 entschied daraufhin das BVerfG, dass diese Auslegung des § 14 Abs. 2 TzBfG durch das BAG die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte überschreitet. Der Gesetzgeber hat erkennbar die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung auf die Ersteinstellung bei demselben Arbeitgeber beschränken wollen (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14, AuA 8/18, S. 487).

Gleichwohl hielt das BVerfG eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für erforderlich, um die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien angemessen zu schützen. Danach muss die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung bei einer Vorbeschäftigung für die Arbeitsvertragsparteien zumutbar sein. Das Verbot ist insbesondere dann einschränkend auszulegen, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen war.

Entscheidung

Das BAG entschied nunmehr erstmals unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG zur Frage der Vorbeschäftigung bei sachgrundlosen Befristungen. Selbst eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung liegt danach noch nicht lange genug zurück, um eine erneute sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitnehmer zu rechtfertigen. Daher hielt das BAG die Befristung für unwirksam und das Arbeitsverhältnis für nicht beendet.

Die neue Rechtsprechung fordert die unternehmerische Praxis heraus. Arbeitgeber stehen vor dem Dilemma, sich der Vorbeschäftigung eines Bewerbers überhaupt bewusst sein zu müssen, um die Unwirksamkeit der Befristungsabrede auch erkennen zu können. Erforderlich werden in Zukunft eine penible Dokumentation der Arbeitsverhältnisse und gezielte Nachfragen bei den Bewerbern.

Dabei dürfte die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers zur absoluten Ausnahme werden. Zwar ist noch weitgehend unklar, wann die Voraussetzung der „Unzumutbarkeit“ vorliegt, unter der die sachgrundlose Befristung auch bei einer Vorbeschäftigung möglich sein soll.

Das BVerfG und bisher auch das BAG nennen dazu nur grobe und beispielhafte Fallgruppen. Ab wann von einer „sehr lange“ zurückliegenden Vorbeschäftigung ausgegangen werden darf, wird nicht näher konkretisiert. Insoweit kann der Entscheidung des BAG entnommen werden, dass ein Zeitablauf von acht Jahren nicht genügt. Unklar ist ebenfalls, wann eine Tätigkeit „anders geartet“ oder von „sehr kurzer Dauer“ ist. Als Beispiel nennt das BVerfG geringfügige Beschäftigungen während der Schul- oder Studienzeit. Lassen sich diese recht eindeutigen Fälle wohl ohne große Mühe als Ausnahmen qualifizieren, wird es in praxisrelevanteren Grenzfällen wie der erneuten Einstellung nach einer beruflichen  Neuorientierung schwieriger.

Konsequenzen

Den Arbeitgebern wird durch die neue Rechtsprechung ein wichtiges Instrument zur Flexibilisierung der Beschäftigung genommen. Interessant ist diese Entwicklung auch mit Blick auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Danach soll die Befristung eines Arbeitsverhältnisses künftig unzulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden haben. Erst nach Ablauf einer Karenzzeit von drei Jahren soll dann wieder ein befristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber möglich sein (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, S. 52).

Zwar wurde eine entsprechende Gesetzesänderung bisher nicht verabschiedet. Die gesetzliche Festschreibung einer dreijährigen Karenzzeit würde die „alte“ Rechtsprechung zur Befristung ohne Sachgrund legalisieren und für „neue“ Einschränkungen bei der Befristung mit Sachgrund führen. Es fragt sich, ob die Arbeitgeber damit nicht bloß vom Regen in die Traufe kommen.

Praxistipp

Die neue Rechtsprechung gilt für Alt- wie Neuverträge gleichermaßen. Das BAG hat ein schutzwürdiges Vertrauen auf seine frühere Rechtsprechung verneint. Daher können jetzt auch befristete Arbeitsverträge, die im Vertrauen auf die „alte“ Rechtsprechung mit einem Mitarbeiter geschlossen wurden, der bereits vor mehr als drei Jahren im Unternehmen beschäftigt war, erfolgreich gerichtlich angegriffen werden. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die sachgrundlose Befristung seines Arbeitsvertrags unwirksam ist, so muss er spätestens innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags eine Entfristungsklage erheben. Zur besseren Einschätzung des möglichen Prozessrisikos empfiehlt sich bereits vorab eine Bestandsaufnahme der befristeten Arbeitsverhältnisse und eine Überprüfung der konkreten Befristungsabreden.

 

Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 7/19, S. 439.