person sitting beside table
Foto von Ant Rozetsky

Ein Autor liest etwas Schlaues bei einem anderen – immerhin soll er ja Recherche betreiben – und schreibt selbst noch was hinzu. Fertig ist sein Werk. Das ist in der aktuellen Buchwelt keine Seltenheit. Ärgerlich wird es für Autoren und Leser, wenn das gewählte Thema Dorfcharakter besitzt und niemand Lust hat, in die Tiefe zu bauen. Zehn Schritte vor und sechs zur Seite, fertig ist der Rundgang.Zu sehen gibt es das in Bibliotheken, die für Rhetorik und Verhandlungstechniken ein Regal einräumen: Zig Verlage handeln mit so ziemlich dergleichen Ware.


Grundlagenwerk | Lehrbuch | Nachschlagewerk

Die gute Nachricht: Es gibt ein Buch, in dem sie alle enthalten sind, die Beziehungsmodelle des Kommunikationswissenschaftlers Schulz von Thun, die Fragetechniken, die Tipps zum Stimmeinsatz und zur Gestik sowie weitere einschlägige Verhandlungsinfos. Eberhard Wadischat hat mit seinem „Leitfaden für professionelles Verhandeln“ ein kompaktes Grundlagenwerk geschrieben. Und es wurde treffend betitelt: es ist kein belletristisches Buch, das seine Leser an die Hand nimmt. Der Autor reißt seinem Publikum Türen zu den Inhalten auf, so wie klassische Lehrbücher das tun.

Immerhin gibt es auf 214 Seiten viel zu tun. Eberhard Wadischat hat dazu selbst ein Marathonprogramm absolviert. Er spricht als jemand, der selbst jahrelang verhandelt hat und zwar auf der Grundlage des Harvard-Konzepts, dem Klassiker der Verhandlungstechnik. Seine Ratschläge und Beobachtungen verbindet er mit Kernaussagen aus über 200 Büchern, die nicht nur aus der Fachecke  stammen. Und er strickt seinem Leser alle paar Seiten pragmatisch gedankliche Luftmaschen vor, wie zum Beispiel einen Katalog von 20 Fragen, mit denen Verhandelnde ihre Ziele ergründen können oder acht Fragen, die man sich über den Verhandlungspartner immer stellen sollte.


Fachmänner schreiben anders
Das Hintergrundwissen des Autors weist ihn als Fachmann aus. Eberhard Wadischat hat die Tiefen der Verhandlungstechnik ausgelotet und vermittelt seinem Leser zum Einstieg geschichtliche Zusammenhänge durch spannende und amüsante Geschichten. Er grenzt weiche, harte, sachliche und aggressive Verhandlungsstile voneinander ab und umreißt in einem eigenen Kapitel die Vorbereitung einer Verhandlung. Dazu gehört, Ziele festzulegen, eigene Positionen zu bestimmen, Informationen über den Verhandlungspartner einzuholen sowie Zeit- und Raumgestaltung zu überlegen. In einem folgenden Kapitel stellt Wadischat alle Details zur Verhandlung selbst zusammen: Beziehung zwischen  den Partner gestalten, Machtverhältnissen bewerten, zwischen Mensch und Problem unterscheiden sowie über Interessen statt Positionen disputieren, Verhandlungsstillstände überwinden und eigene beste Verhandlungsalternativen entwickeln. Der Autor platziert an dieser Stelle auch Tipps zum Umgang mit Stimme, Gestik und Sprache. Was eine Übereinkunft zwischen Verhandlungspartnern erfordert, darüber informiert ein weiteres Kapitel.

Der Abschluss des Leitfadens bietet eine Rundschau interkultureller Verhandlungstechniken (z.B. USA, Indien, Japan und arabische Länder), einen Kurzüberblick über das Harvard-Konzept sowie ein deutsch-englisches Lexikon der wichtigsten Verhandlungsbegriffe und -phrasen.

Die didaktische Aufbereitung des Werkes durch Arbeitsaufgaben, zahlreiche Tabellen und Infografiken machen es zum Nachschlagewerk, wenn nämlich der nächste Verhandlungstermin morgen sein sollte. Fazit: Der Leitfaden vermittelt rasch Wissen, ordnet seine Inhalte sinnvoll und hat die Bezeichnung „Fachliteratur“ verdient. Die für dieses Buch zu entrichtenden 36,00 Euro rentieren sich zur Abwechslung wirklich einmal.