Code
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Die Welt der Softwareentwicklung hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert: Während früher der Weg zur Erstellung einer App oder einer maßgeschneiderten Lösung lang und kompliziert war, gibt es heute neue Möglichkeiten, die es auch Nicht-Techniker*innen ermöglichen, Software zu erstellen – und zwar ohne selbst eine Zeile Code zu schreiben.

Die rede ist von No-Code und Low-Code Plattformen. Doch was ist das überhaupt? Und wie können Sie das im HR Bereich einsetzen? In der 95. Folge der HRM Hacks sprechen DR. Jürgen Erbeldinger und Alexander Petsch darüber, wie der No-Code und Low-Code die IT Branche revolutioniert und wie Sie diese selbst als Recruiter implementieren können.

Was ist No-Code und Low-Code?

Zunächst einmal eine kurze Erklärung: No-Code und Low-Code sind Ansätze zur Softwareentwicklung, bei denen Nutzer*innen ohne tiefgehende Programmierkenntnisse Anwendungen erstellen können.

  • No-Code bedeutet, dass keinerlei Code geschrieben werden muss. Hierbei handelt es sich um eine Plattform, die es Ihnen ermöglicht, durch Drag-and-Drop und einfache Eingabemasken Anwendungen zu erstellen. Die zugrunde liegende Technologie verbirgt sich hinter der Benutzeroberfläche, sodass Nutzerinnen wie eine Entwickler*in agieren können, ohne sich mit der zugrunde liegenden Technik auseinanderzusetzen.
  • Low-Code geht einen Schritt weiter. Hier können Sie vorgefertigte Code-Module verwenden, die Sie nach Bedarf anpassen und kombinieren können. Es wird also immer noch ein gewisser Anteil an Code benötigt, jedoch deutlich weniger als bei der traditionellen Softwareentwicklung.

Für Personalabteilungen bieten diese Technologien enorme Potenziale. Sie ermöglichen es, selbst kleinere Softwarelösungen zu erstellen, ohne auf die IT-Abteilung angewiesen zu sein oder kostspielige externe Entwickler*innen zu beauftragen.

No-Code und Low-Code: Ein Gamechanger für HR?

Die Vorteile von No-Code und Low-Code gehen über die reine Softwareentwicklung hinaus und haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitsweise im Personalbereich. Besonders in der Digitalisierung der Personalprozesse bieten diese Technologien große Chancen.

1. Auflösung des Digitalisierungsstaus

Viele Personalabteilungen kämpfen noch immer mit einem Digitalisierungsstau – vor allem, wenn es um kleinere Prozesse geht, die oft manuell oder über Excel-Tabellen abgewickelt werden. Zu den typischen Beispielen gehören:

  • Excel-Listen zur Verwaltung von Geburtstagsgrüßen
  • Tabellen zur Verwaltung von Arbeitszeiterfassungen
  • Spezialapplikationen für kleine HR-Prozesse

Hier kommen No-Code– und Low-Code-Plattformen ins Spiel. Sie ermöglichen es, diese teils manuellen Prozesse innerhalb kürzester Zeit in funktionierende, digitale Anwendungen umzuwandeln. Beispielsweise kann eine einfache Excel-Tabelle zur Verwaltung von Arbeitszeiten innerhalb von wenigen Stunden in eine App umgewandelt werden, die nicht nur einfacher zu bedienen, sondern auch sicherer und DSGVO-konform ist.

Dieser „Excel-to-App“-Prozess sorgt nicht nur für eine enorme Zeitersparnis, sondern auch für eine verbesserte Datenqualität und -sicherheit. Zudem sinken die Kosten, da viele der komplexen HR-Softwarelösungen nicht mehr benötigt werden.

2. Beitrag zur Kostensenkung

Ein weiterer Vorteil von No-Code und Low-Code ist die Kostenersparnis. In vielen Unternehmen gibt es eine Diskrepanz zwischen den Funktionen, die eine Software bietet, und denen, die tatsächlich genutzt werden. Oft bezahlen Unternehmen für Softwarelizenzen, die 95 % der Funktionen gar nicht verwenden. Mit einer No-Code- oder Low-Code-Lösung können diese unnötigen Lizenzkosten vermieden werden, indem man exakt die Funktionen erstellt, die für den spezifischen HR-Prozess benötigt werden.

Darüber hinaus sinken die Entwicklungskosten, da weniger Entwickler*innen für den Bau einer Anwendung erforderlich sind und die Lösungen in der Regel schneller einsatzbereit sind.

3. Einheitliche Systeme und verbesserte Auswertungsmöglichkeiten

Mit einer No-Code- oder Low-Code-Plattform können HR-Abteilungen endlich einheitliche Systeme implementieren. Statt mehrere verschiedene Anwendungen oder Tools zu verwenden, die nicht miteinander kommunizieren, kann alles auf einer einzigen Plattform entwickelt werden. Dies hat gleich mehrere Vorteile:

  • Bessere Datenauswertungen: Eine zentrale Plattform erleichtert die Sammlung und Auswertung von Daten, was für die strategische Personalplanung und Reporting entscheidend ist.
  • Compliance und ISO-Normen: Mit einheitlichen Systemen lassen sich gesetzliche Vorgaben, wie die DSGVO oder andere Compliance-Anforderungen, viel leichter erfüllen.

4. Veränderung der Arbeitskultur im HR

Eine der spannendsten Entwicklungen, die No-Code und Low-Code mit sich bringen, ist die Veränderung der Arbeitskultur. In vielen Unternehmen hat sich eine Kultur etabliert, in der die IT-Abteilung als alleiniger Entwickler von Softwarelösungen betrachtet wird. Doch durch die Einführung von No-Code und Low-Code können Fachabteilungen wie HR nun selbst aktiv werden. Das hat zur Folge, dass Mitarbeiter*innen aus den Fachabteilungen, oft ohne technische Vorkenntnisse, plötzlich in der Lage sind, eigene Lösungen zu entwickeln.

In einem großen Softwarehaus wurde beispielsweise eine No-Code-Plattform eingeführt, und plötzlich begannen Jurist*innen, Softwarelösungen zu entwickeln, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse abgestimmt waren. Diese Art von „Citizen Development“ fördert nicht nur die Akzeptanz von Software, sondern auch das Verständnis für technologische Prozesse.

5. Mitarbeiter*innen als Citizen Developer

Die wachsende Zahl von „Citizen Developern“ – also Mitarbeiter*innen, die ohne Programmierkenntnisse Software erstellen – ist ein faszinierendes Konzept, das HR-Abteilungen dazu anregen kann, die digitale Kompetenz der Belegschaft zu fördern. Wer einmal mit einer No-Code-Plattform gearbeitet hat, wird nicht nur ein besseres Verständnis für die Technologie entwickeln, sondern auch ein stärkeres Interesse an weiteren digitalen Tools und Prozessen zeigen.

Wie können HR-Abteilungen No-Code und Low-Code nutzen?

Der erste Schritt, um von No-Code und Low-Code zu profitieren, ist das Ausprobieren. Beginnen Sie mit einem einfachen Prozess, den Sie digitalisieren möchten, etwa der elektronischen Krankmeldung. Auf einer No-Code-Plattform können Sie in wenigen Stunden eine Lösung erstellen und direkt in Ihre bestehenden Systeme integrieren. Wenn dieser Versuch erfolgreich ist, können Sie weitere Prozesse umsetzen und stufenweise lernen, wie diese Technologie Ihre HR-Arbeit verbessern kann.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung. Die HR-Abteilung sollte nicht als „Nutzerin“ von IT-Lösungen betrachtet werden, sondern als aktiver Partner im Entwicklungsprozess. No-Code- und Low-Code-Plattformen bieten hier eine strukturierte Möglichkeit zur Zusammenarbeit, da Fachabteilungen und IT gemeinsam an der Entwicklung von Anwendungen arbeiten können.

No-Code und Low-Code sind also nicht nur Technologien für die IT-Abteilung, sondern haben das Potenzial, die gesamte HR-Welt zu verändern. Sie ermöglichen es, personalisierte, schnelle und kostengünstige Lösungen zu entwickeln, die den Arbeitsalltag in der Personalabteilung deutlich effizienter gestalten. Von der Digitalisierung von HR-Prozessen bis hin zur Veränderung der Arbeitskultur und der Förderung digitaler Kompetenzen – No-Code und Low-Code sind die Zukunft der Personalarbeit. „Try it, keep it, drop it“ – Probieren Sie es aus und entdecken Sie die Möglichkeiten für Ihre HR-Abteilung!

Zur Person: Dr. Juergen Erbeldinger, Volkswirt und Mathematiker, ist seit vielen Jahren als Vordenker und Visionär bekannt. 1998 hat er mit der Gründung der E&E information consultants AG den Grundstein für ESCRIBA gelegt. Die Marke ESCRIBA ist aus einem Beratungsmandat der Commerzbank AG entstanden und hat sich zu Beginn der 2000er Jahre zu einer eigenständigen Software für digitales Dokumentenmanagement entwickelt.

Dr. Erbeldinger ist zudem (Mit-)Gründer einer ganzen Reihe weiterer erfolgreicher Unternehmen, darunter die Partake, die Blockchain Solutions, die NewMate sowie die GUZTech GmbH. Er setzt dabei immer wieder auf die Kombination aus Technologien, die gerade Ihre Marktreife erreichen, verbessertem Kundenerlebnis und der Umsetzung regulatorischer Anforderungen. Mit dem Thema No- und Low-Coding legt er seinen aktuellen Schwerpunkt auf das neuartige Softwareparadigma, das sich seit Kurzem zu einer echten Software-Revolution heranbahnt.