Seit einigen Jahren werden Bürokonzepte wie „Open-Office“ oder „Open-Space“ als modern und ökonomisch gepriesen. Kennzeichnend ist die offene Bürogestaltung, insbesondere zu den Verkehrswegen (keine trennenden Wände und Türen) und zu anderen Flächennutzungen wie Technik- oder Kopierinseln sowie Besprechungs- und Pausenzonen.
Als Grossraumbüro bezeichnet man einen Raum mit einer Belegung von 20 bis 100 Mitarbeitern pro Büroeinheit. Ein Gruppenbüro ist eine Weiterentwicklung des Grossraumbüros mit deutlich kleineren Büroeinheiten von bis zu 25 Mitarbeitern. Eine Ausprägung davon ist das „Open-Plan-Office“ (kleines Grossraumbüro). Es wird über einen zentralen Bereich erschlossen und hat statt eines definierten Flurs eine freigehaltene Bewegungszone. Mittels Stellwänden und halbhohen Einbauten können individuelle Arbeitsgruppen gebildet werden. Typische Nutzer sind kreative Berufsgruppen, die stark voneinander profitieren und sich nur in geringem Masse von akustischen Beeinträchtigungen stören lassen. Als mögliche Nachteile sind anzusehen, dass sich die Mitarbeiter gegenseitig stören und eine Einzelbetreuung schlecht möglich ist. Es gibt keine Privatsphäre und nur eingeschränkte Vertraulichkeit, Zwangsbindungen werden hergestellt und die Mitarbeiter können das Raumklima nicht individuell steuern.

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Foto von Luca Bravo

Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse

Im Lexikon der Arbeitsgestaltung (siehe auch Literaturtipps) wird die Eignung von Grossraumbüros so beschrieben: „Es eignet sich weniger für konzentrierte Einzelarbeit, Tätigkeiten, die hohe Vertraulichkeit erfordern oder konstant bestehende Teams. Aus der Perspektive der Mitarbeiter steht der Vorteil der hohen Kommunikationsmöglichkeit einer Reihe von Nachteilen gegenüber, wie beispielsweise vergleichsweise geringe Kontrolle über die Regulierung von Umgebungsbedingungen oder der Ungleichwertigkeit der Arbeitsplätze (hohe Attraktivität der fensternahen Plätze, geringer Tageslichtanteil bei Arbeitsplätzen zur Raummitte). Aufgrund der gebäude- und
raumspezifischen Merkmale (…) ist die Wirtschaftlichkeit nur bedingt gegeben. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund hoher Verdichtung beispielsweise die Akzeptanz sinkt und Auswirkungen auf Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft bei den Beschäftigten zu erwarten sind.“
Die aktuelle „SBiB-Studie: Schweizerische Befragung in Büros“ der Hochschule Luzern Technik&Architektur vom April 2010 hat eine statistische Datenübersicht über die Bewertung von Arbeitsbedingungen in Büros durchgeführt. Eine Auswertung erfolgte nach Bürotypen beziehungsweise Bürogrösse, wobei das Grossraumbüro bereits ab 16 Arbeitsplätze definiert war. Die Studienergebnisse bestätigen die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte:

  • Bei den beeinträchtigenden Umgebungsfaktoren ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den Bürotypen bei Lärm im Raum durch Gespräche und Telefonate, Lärm im Raum durch Geräte, abgestandene/schlechte Luft, ungenügende Beleuchtung und Zugluft.
  • Bei der Möglichkeit, im Grossraumbüro „ungestört telefonieren zu können“, lag der Erfüllungsgrad der Anforderung unter 20 Prozent. Die Wichtigkeit der Anforderung lag jedoch bei 60 Prozent.
  • Bei der Möglichkeit, im Grossraumbüro „sich zu konzentrieren“, lag der Erfüllungsgrad unter 30 Prozent. Die Wichtigkeit der Anforderung lag jedoch bei 95 Prozent.
  • Unterbrechungen kommen in Grossraumbüros häufiger vor.
  • Produktivität und Attraktivität bezüglich des Arbeitsplatzes haben die Befragten ebenfalls unterschiedlich eingeschätzt. Je mehr Personen sich im Raum befinden, desto tiefer wird die Produktivität am Büroarbeitsplatz eingestuft. So geben 90 Prozent der Befragten in Einzelbüros, aber nur 65 Prozent der Befragten in Grossraumbüros an, dass ihr Arbeitsplatz es ihnen ermöglicht, produktiv zu sein.
  • Je mehr Personen im Raum arbeiten, desto weniger können sie die technischen Einrichtungen und Umgebungsbedingungen beeinflussen. So fühlen sich rund 80 Prozent der Mitarbeiter in Grossraumbüros durch Lärm gestört, 40 Prozent von Lärm durch Geräte und 50 Prozent durch abgestandene schlechte Luft beeinträchtigt. In Räumen mit einer oder zwei Personen liegen die Prozentsätze um rund 30 Prozentpunkte niedriger.

Viel Stress durch Lärm

Die EN ISO 10075 Teil 1 definiert Stress „als unangenehm empfundener Zustand, der von der Person als bedrohlich, kritisch, wichtig und unausweichlich erlebt wird“. Er entsteht besonders dann, wenn die Person einschätzt, ihre Aufgaben nicht bewältigen zu können. Mögliche Folgen sind Befindlichkeitsstörungen, Angstzustände, hoher Blutdruck, nervöse Magenschmerzen, steigendes Herzinfarktrisiko, sinkende Leistung, erhöhte Fehlerzahl.

So haben Wissenschaftler vom australischen Institute of Health and Biomedical Innovation an der Queensland University of Technology im Jahr 2008 59 in den letzten 30 Jahren weltweit durchgeführte Untersuchungen zu den Auswirkungen von Grossraumbüros bewertet. Das Ergebnis: 90 Prozent aller Befragten klagten über negative Einflüsse auf Gesundheit und Psyche:

  1. Mangel an Privatheit (ständige Sicht- und Hörbarkeit, Gefühl des Überwachtseins),
  2. Ablenkung durch schlechte akustische Bedingungen (Gespräche der anderen, laute Telefonate, keine Rückzugsmöglichkeiten) und
  3. das Fehlen der persönlichen Gestaltbarkeit des Arbeitsplatzes (einheitliche Standards, keine Möglichkeit zur persönlichen „Aneignung“ und Identifikation).
  4. Zusammen mit Reizüberflutung, dem ständigen konzentrationsmindernden Geräuschpegel und der geringen Zufriedenheit führt das zu niedrigerer Produktivität. Die Menschen sind schneller gestresst.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation hat in den „Office 21 Studien“ im Jahr 2001 aufgezeigt, dass die Störfaktoren in Grossraumbüros am höchsten sind. Als entscheidender Erfolgsfaktor für eine gute „Office Performance“ wurde die Arbeitsmotivation identifiziert. Gute „Office Performance“ wird bestimmt durch die Büroattraktivität und das Wohlbefinden im Büro.
Im Jahr 2007 wurden die Mitarbeiter in sechs süddeutschen Grossunternehmen nach den Auswirkungen der offenen Bürokonzepte befragt. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Lärm und Ablenkung werden von 70 Prozent der Befragten als die grössten Störfaktoren bewertet und diese Gruppe gibt eine sinkende Arbeitseffizienz an. Mehr als 50 Prozent der Beschäftigten nehmen eine deutliche Zunahme der Stressbelastung wahr. Fachleute schätzen, dass die Lärmbelastung – vor allem in offenen und grossen Büroräumen – zu einer Leistungsminderung von 20 bis 30 Prozent führt.

Was ist qualitativer Schallschutz?

Eine ausreichende bis gute schalltechnische Qualität von Arbeitsräumen ist laut Lexikon der Arbeitsgestaltung gegeben, wenn:

  • die Schallpegelabnahme je Abstandsverdoppelung im Allgemeinen 4 dB (A) beziehungsweise für sehr grosse Räume (Volumen > 10.000 m³) 4 dB (A) bis 5 dB (A) und damit fast den Wert von 6 dB (A) im akustischen Freifeld erreicht, also wenn keinerlei Reflexionen auftreten,
  • die Schallpegelerhöhung in allen Räumen möglichst 8 dB (A) unterschreitet,
  • die Nachhallzeit in Grossaumbüros möglichst unter 0,5 Sekunden und in Büroräumen nicht mehr als 0,6 Sekunden beträgt.

Zudem empfehlen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für geistig anspruchsvolle Tätigkeiten einen Lärmhöchstwert von 35 bis 45 dB (A). Denselben
Höchstwert soll nach VDI 2569 und EN ISO 11690 der Hintergrundgeräuschpegel in Grossraumbüros nicht überschreiten. Das entspricht in etwa leiser Radiomusik, leisem
Sprechen oder dem Geräusch eines laufenden Laserdruckers.
Darüber hinaus muss beachtet werden, dass schon bei relativ niedrigen Schalldruckpegeln Lärm belästigend und störend wirken kann. Die Schallempfindungen und die entsprechenden Reaktionen fallen individuell sehr unterschiedlich aus. Einfluss auf die Schallempfindungen haben nach VDI 2058 Blatt 3 der Schalldruckpegel, der Geräuschcharakter, die Art der Tätigkeiten, die persönliche Einstellung des Betroffenen zum Geräusch und die momentane körperliche und psychische Verfassung.
Für erhöhte Anforderungen an die Raumakustik, zum Beispiel ein niedriger, aber nicht zu niedriger Grundgeräuschpegel, akzeptable Pegeldifferenzen durch hohen Schallschluckgrad und damit kurze Nachhallzeiten, werden beispielsweise Breitband-Kompakt-Absorber ausdrücklich empfohlen. Richtwerte für die benötigte Absorption sind in der VDI 2569 angegeben. Daraus ergibt sich die Nachhallzeit von 0,5 Sekunden.

Zusammenfassung und Empfehlungen

Beschäftigte in Grossraumbüros sind häufiger und stärker belastet als solche, die in Zellenbüros oder Gruppenbüros mit bis zu sechs Arbeitsplätzen arbeiten. Das Hauptproblem liegt im erhöhten Lärmpegel, welcher schon allein durch das höhere Grundgeräusch gegeben ist. Bei geistigen Tätigkeiten leidet darunter die Konzentration, was nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu erhöhter Fehlerhäufigkeit und Qualitätseinbussen im Arbeitsergebnis führt. Zeitaufwändige Fehlersuche und erhöhte Anspannung, um die Qualitätsstandards zu erreichen, sind auch bekannte Stressursachen.
Werden dennoch Grossraumbüros mit offener Arbeitsplatzlösung geplant, sind die Folgen zumindest mit ausreichenden Sichtschutzmassnahmen, die punktuell auch zur (weiteren) Reduktion von allenfalls störendem Lärm beitragen können, einzudämmen. Solche Massnahmen können sein: Pflanzen aufzustellen, die sich in das Gesamtbild einfügen, und Arbeitsplätze zu angrenzenden Verkehrswegen durch halbhohe, akustisch wirksame Trennwände und Büromöbel mit schallabsorbierenden Fläche abzutrennen. Haben Arbeitsplätze ein höheres „Störaufkommen“, weil die davor liegenden Verkehrsflächen stärker genutzt werden, sind zusätzliche Massnahmen nötig.
In Kenntnis der (negativen) Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, der Akzeptanzschwierigkeiten, der beeinträchtigten Motivation und der geringeren Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten ist von Grossraumbüros mit offener Büroarbeitsplatzlösung abzuraten. Alternative Lösungen wie Zellen-, Kombi- und Gruppenbüros sind vorzuziehen.


Erstveröffentlichung dieses Beitrags im peronal manager 02/2011.

Literaturtipps
Bürobau Atlas: Grundlagen, Planung,Technologie, Arbeitsplatzqualitäten. Von Johann Eisele und Bettina Staniek. Callwey Verlag 2005.
Lexikon Arbeitsgestaltung: Best Practice im Arbeitsprozess. Von Kurt Landau (Hrsg.). Gentner Verlag 2007.

Webtipp
Lärmstress und Arbeitsleistung. Von Regine Rundnagel. Unter www.ergo-online.de